Wenn über 300 College-Stars im Lucas Oil Stadium von Indianapolis in verschiedenen Disziplinen vier Tage lang um die Gunst der Scouts kämpfen, dann ist NFL Scouting Combine. Die National Football League hat auch in diesem Jahr wieder die vielversprechendsten Athleten der amerikanischen Colleges eingeladen und bietet ihnen bei dem viertägigen Event eine Plattform, um ihren Draft-Wert zu verbessern.
Wir wollen uns im Voraus des Events kurz mit den wichtigsten Aspekten der Talentschau beschäftigen. Dazu gehören Spieler, auf die man ein Auge werfen sollte, Informationen zu den verschiedenen Drills und der Zeitplan mit Sendezeiten.
Die Prospects:
An dieser Stelle folgt zunächst eine Auswahl interessanter Spieler, die nicht unbedingt ins Schema der Seattle Seahawks passen, aber mit Interesse zu verfolgen sind:
Marcus Mariota, QB, Oregon Ducks
Der Heisman-Gewinner der Saison 2014 stand mit den Ducks im ersten Finale der College Football Playoffs und unterlag dort den Ohio State Buckeyes. Der charakterlich einwandfreie Mariota ist ein athletischer System-QB, der in Oregon eine auf sich geschneiderte Offense leitete, alle Rekorde brach und selten Fehler machte. Die Frage ist jedoch, wie gut er sich in einer NFL-Offense zurechtfindet, die er nicht permanent verlassen kann, wenn der Druck zu groß wird. (Highlight-Video)
Jameis Winston, QB, Florida State Seminoles
Der Gegenpart zu Mariota und Gewinner der Heisman Trophy 2013. Winston hat den Ruf eines Bad Boys, das ist wohl das größte Fragezeichen für NFL-Teams. Auf der anderen Seite sprechen sein Körperbau, seine Qualität als Pocket Passer und seine Abgebrühtheit in spielentscheidenden Situationen für ihn. Winston macht mehr Fehler als Mariota, ist immer gut für ein paar Picks. Doch diese macht er mit spektakulären und erfolgreichen Aktionen meist wieder gut. Nicht umsonst verlor er in zwei Jahren bei den Seminoles nur ein einziges Spiel (gegen die Ducks). (Mariota vs. Winston – Der Vergleich)
Shaq Thompson, SS/OLB/ILB/RB, Washington Huskies
Einer von vier Huskies-Hochkarätern im diesjährigen Draft und der wohl vielseitigste von allen. Thompson ist ein Phänomen, denn er kann vier verschiedene Positionen auf NFL-Niveau spielen. Vorwiegend eingesetzt wird er in der NFL wohl als Linebacker, doch es soll Teams geben, die in Betracht ziehen, ihn auf allen drei Positionen spielen zu lassen, so wie die Arizona Cardinals das in der vergangenen Saison mehrfach umsetzten. Mike Mayock hält ihn für einen Safety, der ähnlich wie Kam Chancellor spielen kann. Übrigens war Thompson schon Profi-Baseballer im Nachwuchssystem der Boston Red Sox. Jedoch weniger erfolgreich – von 39 Versuchen waren 37 Strikeouts. In der NFL sollte es besser laufen.
Dorial Green-Beckham, WR, Missouri Tigers
Man könnte meinen, Spieler mit dem Wort „Beckham“ im Namen sind gute Receiver. Nach Odell Beckham Jr. steht mit Dorial Green-Beckham ein weiterer vor dem Sprung in die NFL. Der ehemalige Wide Receiver der Missouri Tigers machte jedoch mehrfach durch Marihuana-Probleme auf sich aufmerksam und wurde aus diesem Grund 2013 auch von der Universität geworfen. 2014 war er an der University of Oklahoma eingeschrieben, spielte für diese aber nicht mehr spielen, da er laut NCAA-Regularien eine Saison aussetzen musste. Dennoch geht er jetzt in den Draft und wird dort hoch gehandelt. Denn Green-Beckham kann auch Football spielen, wie eine Expertenaussage von Tom Lemming beweist, der den WR für den besten Prospect seit Randy Moss hält. Er hat zudem ähnliche Maße wie Calvin Johnson von den Detroit Lions. Mike Mayock sagt, der groß gewachsene und schnelle Athlet kann Spiele entscheiden.
Marcus Peters, CB, Washington Huskies
Rein vom Tape (Filmanalyse) her betrachtet ist Peters ein Spieler, der in der ersten Runde ausgewählt werden könnte. Als Press Cornerback ist er überragend, Schwächen zeigt er, wenn er seinem Gegenspieler nicht direkt auf die Füße stehen darf. Hinzu kommen Probleme abseits des Spielfelds: Peters kam mit Chris Petersen, dem Head Coach an der University of Washington nicht zurecht und wurde im Training handgreiflich. Nach mehreren Vorfällen flog er aus dem Team, zeigte zuletzt jedoch Reue und Einsicht (wohl um seine Draft-Chancen zu verbessern).
Arik Armstead, DT, Oregon Ducks
Armstead ist ein Koloss. Der Riese gab vor einem Jahr das Basketballspielen auf, um sich nur noch auf Football zu konzentrieren – die richtige Entscheidung. Was an dem großen Mann noch beeindruckender ist, er hat eine gute Athletik, wie sie nicht viele Prospects seiner Körpermaße haben. Die ersten 10 Yards des 40-Yard-Sprints sind für ihn entscheidend.
Danny Shelton, DT, Washington Huskies
Shelton ist der wohl hochkarätigste Husky, er könnte als einer der ersten zehn Spieler vom Board gehen. Mike Mayock vergleicht ihn mit dem Baltimore Ravens-Defensive Tackle Haloti Ngata: „Kraftvoller und besser als man denkt.“
Phillip Dorsett, WR, Miami Hurricanes
Dieser junge Mann könnte bald in Besitz eines brandneuen und schicken Porsches sein. Die Bedingungen sind, dass er beim Combine adidas-Schuhe (Werbekampagne) trägt und zu den drei schnellsten Teilnehmern gehört. Dass er schnell laufen kann, hat er mehrfach bewiesen. Dorsetts Ziel in Indianapolis ist eine Zeit von 4,29 Sekunden oder weniger. Könnte er der sein, der den 40-Yard-Sprint-Rekord von Chris Johnson (4,24 Sekunden) aus dem Jahr 2008 knackt?
The fastest 40 in the Cheetah #UNCAGED cleat wins a Porsche® 911® Carrera® sports car. #teamadidas #PorscheDriving pic.twitter.com/NC5uaGz3aN
— adidas Football US (@adidasFballUS) 5. Februar 2015
Hau’oli Kikaha, LB, Washington Huskies
Der ehemalige Huskies-Linebacker war in den vergangenen zwei Jahren gesund, hatte davor aber schon einige Verletzungen am vorderen Kreuzband. Bleibt er fit, könnte er ein wertvoller Edge Rusher werden, den ein Team in der zweiten oder dritten Runde auswählt.
Mike Mayock, NFL-Experte
Der Draft-Guru schlechthin. Eine Person, die man in diesen Tagen nicht aus den Augen und Ohren verlieren wird – versprochen. Während der Draft-Übertragungen wirft Mayock nur so mit Fachbegriffen und Expertenanalyse um sich. Es gibt keinen Athleten, den der Mann nicht kennt, zu jedem einzelnen kann er etwas sagen. Falls man dann nicht versteht, was er vermitteln will, kann man auf das Lexikon der „Mayockisms“ zurückgreifen. Dort ist auch die Erklärung für den Begriff „J.A.G“ zu finden, den unsere Freunde vom Hard Count Podcast gerne verwenden.
Eine Nichtberücksichtigung für den NFL Scouting Combine bedeutet jedoch noch lange nicht, dass ein Athlet es nicht in die NFL schafft. Dafür stehen bei den Seahawks beispielsweise WR Doug Baldwin, DT Tony McDaniel und LB Malcolm Smith. Gleichzeitig bedeutet eine Einladung nach Indianapolis noch lange nicht, dass man am Ende in der Profiliga landet.
Die Drills:
Es wird zwischen positionsspezifischen Drills und allgemeinen Drills unterschieden. Positionsspezifisch bedeutet, nur die jeweils zutreffenden Athleten treten zu den speziellen Übungen an, also Werfen für Quarterbacks, Fangen für Receiver, Blocken für Linemen. Die allgemeinen Drills werden hier aufgelistet:
40-Yard-Sprint (40-yard dash)
Kaum ein Drill bekommt beim Combine mehr Aufmerksamkeit geschenkt, als der 40-Yard-Sprint, der vergleichbar ist mit dem 100m-Sprint bei den Olympischen Spielen. Es geht um Geschwindigkeit, Explosivität und schnelle Zeiten. Es wird aus dem Drei-Punkt-Start begonnen. Jeweils nach 10, 20 und 40 Yards die Zeit genommen, denn für die verschiedenen Positionen sind unterschiedliche Werte von Bedeutung. Beispielsweise muss ein Lineman eher auf den ersten Metern schnell sein, ein Skill-Spieler aber über längere Distanz seine Geschwindigkeit halten.
Bankdrücken (Bench press)
Beim Bankdrücken geht es um Kraft und Kraftausdauer – und vielleicht ein wenig um den Wille, sich zu quälen. 225 Pfund, umgerechnet 102,06 Kilogramm, müssen die Athleten so oft wie möglich aus dem Liegen in die Luft stemmen. Die Scouts wollen so sehen, wie oft die Sporler in den vergangenen Jahren am College im Kraftraum waren und an sich gearbeitet haben. Die Anzahl der Wiederholungen ist der entscheidende Faktor.
Den Rekord hält Justin Ernest von der Eastern Kentucky University mit 51 Wiederholungen. Geholfen hat ihm die Performance allerdings nicht. Ernest wurde 1999 nicht gedrafted und schaffte es nicht über die Practice Squad der New Orleans Saints hinaus.
Standhochsprung (Vertical jump)
Aus dem Stand müssen die Athleten so hoch wie möglich springen. Das fordert Kraft und Explositivät in den unteren Extremitäten. Gemessen wird die Differenz zwischen der Reichweite aus dem Stand und der Reichweite im Hochsprung, wobei die Spieler in der Luft eine Messlatte anschlagen müssen.
Standweitsprung (Broad jump)
Der Name sagt alles. Aus dem Stand müssen die Spieler so weit wie möglich springen und bei der Landung ohne Ausfallschritt stehen bleiben und sich ausbalancieren. Dadurch wird getestet, wie kräftig und explosiv die unteren Extremitäten des Athleten sind und wie gut er seinen Körper unter Kontrolle hat, also ausbalancieren kann. Die Weite ist entscheidend.
Liniensprint (Shuttle run)
Der Liniensprint ist der erste Drill mit Hütchen, auch bekannt als 5-10.5. Die Übung testet die seitliche Schnelligkeit des Athleten und Explosivität auf engem Raum. Der Spieler startet in der Drei-Punkt-Position, sprintet nach rechts, berührt die Linie, sprintet über die Mitte nach links, berührt die Linie und dreht wieder um zurück in die Mitte. Die Zeit ist entscheidend.
Drei-Hütchen-Lauf (3 cone drill)
Diese Übung soll zeigen, wie gut der Athlet bei Hochgeschwindigkeit die Richtung wechseln kann. Die drei Hütchen sind in L-Form aufgestellt. Gestartet wird am ersten Hütchen, dann geht es 5 Yards zu Hütchen zwei, zurück zu eins, zurück und in einer Kurve um Markierung zwei, dann die Kehrtwende um Hütchen drei und um die Kurve herum zurück zum Ausgangspunkt. Auch hier geht es darum, möglichst schnell zu sein.
Weitere Tests
Neben den sportlichen Herausforderungen warten weitere Aufgaben und Tests auf die Prospects. Dazu gehören ein medizinischer Check mit der Analyse von Verletzungen, die Vermessung des Athleten, Interviews (jedes Team darf 60 15-minütige Interviews führen), Drogentests, den Cybex-Test (Fitnesstest) und den Wonderlic-Test (eine Art Intelligenztest).
Mehrere NFL-ferne Experten stellen die Tests beim Scouting Combine in Folge wissenschaftlicher Untersuchungen in Frage. Sie sind der Überzeugung, die Performance eines Athleten am College sagt mehr über seine Leistungsfähigkeit in der NFL aus als ein paar ausgewählte Tests.
Der Zeitplan:
Bereits am Dienstag begann für die Prospects der Scouting Combine in Indianapolis mit Anreise, Anmeldung, Medizinchecks, Vermessung, Tests, Interviews sowie Bankdrücken. Die weiteren Workouts finden für jede Positionengruppe jeweils erst am vierten Tag statt. Bei positionsspezifischen Drills auf dem Spielfeld zu sehen sind die Athleten an den folgenden Tagen:
Freitag, 20. Februar: Spezialisten, Offensive Linemen, Tight Ends
Samstag, 21. Februar: Quarterbacks, Running Backs, Wide Receivers
Sonntag, 22. Februar: Defensive Linemen, Linebackers
Montag, 23. Februar: Defensive Backs
Zu verfolgen ist der Combine live auf NFL Network, NFL Now, NFL Mobile und NFL.com ab dem 20. Februar um 15 Uhr mitteleuropäischer Zeit.
Weitere Informationen zum NFL Scouting Combine gibt es unter folgenden Links: