12 Fragen an… Neal Howey

12 Fragen an Neal Howey

Neal Howey weiß, wie es sich bei den Seattle Seahawks trainiert. Der Verteidiger stand 2011 als Undrafted Free Agent kurz davor, den Sprung in den finalen Kader zu schaffen. Noch im gleichen Jahr kreuzte sich sein Weg mit dem von Marty Schottenheimer, dessen Sohn Brian jetzt der neue Offensive Coordinator in Seattle ist. Gründe genug, Howey zwölf Fragen zu stellen. Im Interview mit den German Sea Hawkers e.V. spricht der 30-Jährige über seine Zeit im Pacific Northwest, die Unterschiede zwischen GFL und NFL und inspirierende Persönlichkeiten in seinem Leben.

Neal, zu dieser Zeit des Jahres versuchen in der NFL die Undrafted Free Agents, im Rookie Minicamp und Training Camp auf sich aufmerksam zu machen. 2011 warst Du bei den Seattle Seahawks in genau dieser Situation. Was würdest Du den jungen Spielern mit auf den Weg geben, wenn sie um einen Kaderplatz kämpfen?
2011 war zwar während der Offseason der Lockout (Spielergewerkschaft und Besitzer konnten sich bei den Tarifverhandlungen nicht einigen, also stellten die Besitzer den Betrieb vier Monate lang ein, Anm. d. Red. ), wir durften also bis August nicht auf dem Teamgelände trainieren. Generell ist die Vorbereitung aber eine besondere Zeit im Liga-Jahr. Als Spieler musst du aus der Masse herausstechen und mit guten Aktionen überzeugen. Mein Tipp: Die Herausforderung annehmen. Gesund bleiben. Nicht einfach nur glücklich sein, dass man es in den vorläufigen Kader geschafft hat, denn am Ende muss man jemandem den Job wegnehmen, mit dem dieser seine Familie ernähren will.

„Seattle war für mich das Paradies“

Wie ist es, als Free Agent zu einem Team zu stoßen und dann den Konkurrenzkampf anzunehmen – besonders in einer Atmosphäre, wie sie Pete Carroll in Seattle geschaffen hat mit dem Motto „Always Compete“?
Für mich war das wie im Paradies. Ich mochte Wettbewerb schon immer, weil er mein Spielniveau steigert. Es war ein Segen, mich in meinem neuen Lieblingsteam dem Wettbewerb zu stellen und in der statistisch gesehen besten Defensive und den besten Special Teams der NFL zu lernen.

Die Sportjournalisten vor Ort in Seattle sahen Dich als Gewinner der Vorbereitung, Du überzeugtest als explosiver Athlet. Am Ende hat es trotzdem nicht für einen Kaderplatz gereicht. Wie haben die Trainer das begründet?
Was ich an den Verantwortlichen der Seahawks damals sehr geschätzt habe: Ich saß mit allen kurz zusammen, als ich den Cut nicht überstand. Die Trainer haben mir gesagt, in welchen Bereichen meine Stärken liegen und natürlich auch, wo ich mich noch verbessern muss. Laut ihrer Aussage bestand damals eine Chance, dass ich kurze Zeit später über die Practice Squad wieder in Seattle landen würde. Doch für mich ging es nach dem Cut direkt nach Norfolk weiter, wo ich für Trainer Marty Schottenheimer bei den Virginia Destroyers in der United Football League spielte.

Martys Sohn Brian ist der neue Offensive Coordinator der Seahawks. Was darf man von Schottenheimer-Football in Seattle erwarten?
Schottenheimer-Football ist der beste, ich mag diese Art zu spielen sehr. Marty liebt das Spiel. Er stellte in Virginia eine tolle Mannschaft aus Trainern und Spielern zusammen in dem Jahr. Leider verletzte ich mich im zweiten Spiel am vorderen Kreuzband und konnte nur zusehen, wie die Destroyers dann sogar den Titel gewannen.

„Marburg ist zu meiner Heimat geworden“

Für Dich ging es nach zwei Spielzeiten in Virginia nach Europa. Wie kam es dazu?
Auch meine zweite Saison in Virginia war vorzeitig beendet, weil die UFL noch vor den Playoffs den Spielbetrieb einstellte. Zurück in meiner Heimatstadt verletzte ich mich erneut am selben Kreuzband, als ich an einem 3-gegen-3-Basketballturnier teilnahm. Nach längerer Reha, Training und Versuchen, ein neues Team zu finden, entschied ich mich dazu, ein Profil auf der Website europlayers.com anzulegen. Ich hatte genug vom Warten, ich wollte einfach nur spielen und wusste, dass mir dafür langsam die Zeit davon lief. Viele meiner Mitspieler vom College sind diesen Weg auch gegangen und waren mit ihrer Entscheidung glücklich – einige waren nach Deutschland gegangen. Plötzlich spielte ich nicht mehr auf NFL- oder College-Niveau, sondern bat Teams in Europa darum, mich in ihren Kader aufzunehmen. Ich wollte eigentlich direkt in der GFL spielen, weil ich wusste, das ist die beste Liga. Doch mitten in der Saison war es schwierig, eine Mannschaft zu finden.

Die Kaderplanungen der meisten Teams waren zu diesem Zeitpunkt schon abgeschlossen. Du kamst aber trotzdem noch unter. Eine halbe Saison lang liefst Du für die Bielefeld Bulldogs in der GFL2 auf, ehe Du 2017 bei den Mercenaries unterschriebst. Was gefällt Dir am Football spielen im Ausland?
Die Bulldogs wollten, dass ich noch die letzten fünf Saisonspiele für sie absolviere. Ich war mir nicht ganz sicher, was mich da erwarten würde, doch am Ende bekam ich genau das, was ich gesucht hatte. Ich habe mich dort wohl gefühlt, die Bulldogs sind immer noch wie eine Familie für mich. Aber der Wettkämpfer in mir wollte Bundesliga spielen, deshalb der Wechsel. Marburg ist für mich Heimat geworden. Ich bin gespannt, was diese Saison für die Stadt und unsere Fans bringen wird.

„GFL und NFL kann man nicht vergleichen“

Die Mercenaries haben sich in den vergangenen zwei Jahren von einem Underdog zu einem Titelkandidaten entwickelt. Wie sehen Deine persönlichen Ziele für 2018 aus? Und wie weit kommt das Team in dieser Saison?
Wir sind immer noch Außenseiter, aber die Leute haben inzwischen ein Auge auf uns geworden. Es ist etwas Besonders, Dinge zu erreichen, die andere Leute uns nicht zutrauen würden. Das war immer das hoch gesteckte Ziel – und dieses verfolgen wir in Marburg auf die harte Tour zu erreichen, ohne Abkürzungen. Ich glaube fest daran, dass wir den Titel holen können. Vielleicht nur durch ein Wunder, aber ich glaube daran. Es hätte schon letztes Jahr, als wir im Viertelfinale rausgeflogen sind, besser kommen können. Einen Großteil des Playoff-Spiels gegen Kiel vergangene Saison verletzt von der Seite aus verfolgen zu müssen, war schwer für mich. Aber das Beste kommt erst noch.

Welche Unterschiede hast Du zwischen GFL- und NFL-Football festgestellt?
Ehrlich gesagt kann man die zwei Ligen nicht vergleichen. Für die meisten Leute hier ist Football ein Hobby. Aber gute Athleten gibt’s überall. Die GFL wird jedes Jahr besser, das merkt man. Und das Spiel ist immer noch das, das ich liebe.

Die GFL ist die führende Liga Europas. Dennoch ist der Sprung in die NFL extrem groß, was zuletzt am Beispiel von Moritz Böhringer zu sehen war. Hat die Liga das Potenzial, eines Tages als Nachwuchsquelle für die NFL zu dienen?
Ich kann mir gut vorstellen, dass Spieler von hier regelmäßiger bei College-Teams oder in der NFL landen, wenn die deutsche Liga sich so weiterentwickelt. Gerade der Sprung übers College in die NFL oder CFL ist dadurch einfacher. Bei der NFL wird die GFL positiv gesehen, weil sie für die Profiliga keine Gefahr darstellt und ein guter Entwicklungspartner sein kann, gerade bei dem wachsenden Football-Interesse in Deutschland.

„Ich sehe, dass Shaquem Griffin Football spielen kann“

Du hast in Deiner Karriere sowohl Linebacker als auch Safety gespielt. Kam Chancellor von den Seahawks wird oft als Defensive Back mit dem Körper eines Linebackers beschrieben. Seid Ihr Euch in Seattle 2011 begegnet? Was kann man von Chancellor lernen?
Kam, oder auch Bam Bam, war 2011 großartig. Die Trainingseinheiten als Linebacker, bei denen ich Kam und Earl als mir Ratschläge gebende Safetys im Rücken hatte, die werde ich nie vergessen. Kam ist ein zuverlässiger, disziplinierter, bescheidener Anführer, ein echter Teamplayer. Und Earl ist genauso fantastisch. Er bringt eine Energie und Leidenschaft mit aufs Feld, die ich von keinem anderen Spieler so gesehen habe.

Da Du Verteidiger bist, müssen wir Dich das fragen: Richard Sherman ist weg, Kam Chancellor noch verletzt, bei Earl Thomas war ein Trade im Gespräch – wie wird die Secondary der Seahawks 2018 aussehen?
Mit der Aussicht auf Kam, Earl und Byron Maxwell ist da eine gute Anzahl an erfahrenen Spielern vorhanden. Sie werden die Legion of Boom am Leben halten. Nicht zu vergessen sind da aber auch die erfahrenen Linebacker. Und D-Liner Frank Clark gefällt mir auch gut, besonders, seit ich mit ihm in Michigan trainiert habe.

Das Highlight des NFL Draft 2018 war, als Linebacker Shaquem Griffin von den Seahawks ausgewählt wurde. In Seattle ist er mit seinem Bruder Shaquill vereint. Hast Du die Geschichte verfolgt?
Ich sehe, dass der Junge Football spielen kann. Punkt. Das ist das, was die Seahawks interessiert. Er ist genau am richtigen Ort. Natürlich muss er sich reinhängen, aber ich glaube, dass er es in den Kader schafft. Die Chance, mit seinem Bruder spielen zu können, muss großer Ansporn für ihn sein. In der NFL Linebacker zu spielen mit nur einer Hand, das ist unglaublich. Wir sehen unser Glück viel zu oft als selbstverständlich an. Meine Tante Pam hat vor ein paar Jahren alle vier Gliedmaßen verloren und lebt mir trotzdem Tag für Tag ihre Stärke vor. Sie und Shaquem Griffin inspirieren mich.

Neal, wir danken Dir für das Gespräch!

 

„12 Fragen an…“ ist eine Rubrik, in der regelmäßig Interviews unserer Redaktion mit Persönlichkeiten veröffentlicht werden, die in einer Beziehung zur deutschsprachigen Fangemeinde und den Seattle Seahawks stehen. In den Gesprächen geht es um Zusammenhänge zwischen den Interviewpartnern und unserem Lieblingsteam, Erlebnisse und Erfahrungen im American Football und persönliche Geschichten. Alle bisher erschienenen Interviews aus der Serie gibt’s hier zum Nachlesen.