Die Seattle Seahawks sind zurück zu Hause. Zum Auftakt einer hoffentlich bis tief in den Januar hineinreichenden Heimserie gastieren die Arizona Cardinals im CenturyLink Field. Nach dem klaren 27:10-Erfolg in der Wüste in Week 4 muss das Team von Head Coach Pete Carroll nun auch das Rückspiel gegen den NFC-West-Rivalen gewinnen, um weiterhin beste Chancen auf den Heimvorteil und die Bye Week in den Playoffs zu haben.
Die Cardinals beendeten mit einem Heimerfolg über die Cleveland Browns am vergangenen Wochenende eine sechs Spiele andauernde Niederlagenserie und wollen zum Ende der Runde eine kleine Erfolgsserie starten.
Während die Seahawks am 16. Spieltag nur ihr eigenes Schicksal beeinflussen können, fallen in einigen anderen Stadien Entscheidungen, die Einfluss auf Seattles Playoff-Szenarien haben können.
- So sollten 12s beispielsweise den Tennessee Titans die Daumen drücken, wenn diese um 19 Uhr am Sonntag die New Orleans Saints empfangen. Eine Niederlage der Heiligen könnte Seattle helfen, einem Szenario mit zwei recordgleichen Teams an der Spitze der Conference aus dem Weg zu gehen.
- Wenn die Dallas Cowboys zeitgleich zum Seahawks-Spiel bei den Philadelphia Eagles gastieren, können sie mit einem Sieg den Titel in der NFC East klarmachen und wären somit wohl der Gegner des Teams aus der NFC West, das die Division nicht gewinnt.
- Etwas komplizierter wird es in Minneapolis, wo die Green Bay Packers mit einem Monday-Night-Football-Sieg über die Minnesota Vikings ebenfalls den Titel in der Division holen können. Grundsätzlich ist es aus Sicht der Seahawks ratsam, hier die Packers zu unterstützen, um Platz 1 an der Spitze der Conference nicht zu verlieren (Tiebreaker bei dreifachem Record-Gleichstand). Ein Sieg der Vikings wäre nur dann wünschenswert, wenn Saints und Seahawks patzen.
- Und dann ist da noch das zweite NFC-West-Duell zwischen den San Francisco 49ers und den Los Angeles Rams in der Nacht von Samstag auf Sonntag. Eine Niederlage der Niners würde bei einem Sieg der Seahawks aber noch nicht die Entscheidung in der Division bringen, wie hier erklärt ist.
Trotz relevanter Begegnungen tun die Seahawks gut daran, sich nicht vom Geschehen an anderen NFL-Schauplätzen oder von dem in Week 17 anstehenden Kracher gegen die San Francisco 49ers um die Krone in der Division ablenken zu lassen. Und deshalb geht’s an dieser Stelle jetzt weiter mit der Vorschau auf das Cardinals-Spiel.
Das Spiel:
- Kickoff ist am Sonntagabend um 22.25 Uhr deutscher Zeit.
- Austragungsort ist das CenturyLink Field in Seattle, Washington (68.740 Plätze).
- Übertragen wird die Partie nur per NFL GamePass (hier abonnieren).
- Schnellcheck: Arizona Cardinals
Injury Report:
Sorgen machen den Seahawks die Verletzungen von Free Safety Quandre Diggs (Sprunggelenk) und Jadeveon Clowney (Rumpf), die die ganze Woche nicht trainieren konnten und aller Voraussicht nach nicht auflaufen können. Nur ein medizinisches Wunder könnte bei den beiden ein Auflaufen ermöglichen. Während der Ausfall von Diggs zu erwarten war, macht der von Clowney Sorgen. Der Verteidiger laboriert schon seit einigen Wochen an einer Rumpfverletzung, die einfach nicht besser wird und aktuell keinen Einsatz zulässt.
Anders sieht es bei Cornerback Shaquill Griffin und Linebacker Mychal Kendricks (beide Oberschenkel) aus: Bei beiden soll die Entscheidung, ob ein Einsatz möglich ist, kurz vor Spielbeginn fallen. Left Tackle Duane Browns Einsatz ist derweil sogar wahrscheinlich. [UPDATE: Brown fällt aus. Sein Status wurde am Samstag aktualisiert.] Linebacker Bobby Wagner (Sprunggelenk) und Defensive End Ezekiel Ansah (Nacken) sind überhaupt nicht mehr auf dem Injury Report zu finden.
Der Injury Report für Week 16: pic.twitter.com/jfaUYqUcvM
— German Sea Hawkers (😷) (@SeaHawkersGER) December 20, 2019
Die Matchups:
Seahawks-Passverteidigung vs. Cardinals-Air-Raid-Offense: Die Arizona Cardinals wählen unter ihrem neuen Head Coach Kliff Kingsbury in dieser Saison bisher oft den eigentlich eher aus dem College bekannten Ansatz der Air-Raid-Offense. Diese besteht meist aus vier Wide Receivern und einem Running Back, rund 70 Prozent der Snaps werden als Passspielzüge aufgezogen. Die Formation lässt dem Quarterback großen Spielraum, den Spielzug durch Audibles (kurzfristige Änderungen vor dem Snap) an die Defense anzupassen. Ganz im Gegensatz dazu spielen die Seahawks bisher in der Defense die immer seltener werdende Base-Defense mit drei Linebackern und nur vier Defensive Backs. Dadurch könnte ein Mismatch in der Defense entstehen, wenn die schnellen, wendigen Receiver der Cardinals gegen Seattles eher statische, schwere Linebacker antreten müssen. Die Seahawks müssten hier eigentlich öfter in Nickel- und Dime-Formationen mit zusätzlichen Cornerbacks spielen, um den Passempfängern ebenbürtige Gegenspieler entgegen stellen zu können.
Seahawks-Pass-Rush vs. Cardinals-O-Line: Der Pass Rush der Seahawks hat in dieser Saison zwischen fantastischen Spielen mit viel Druck auch schon einige schwache Spiele gesehen. Am Sonntag könnte es noch einmal Zeit für ein stärkeres Spiel werden. Die Cardinals-O-Line ist in der Pass Protection nur auf Platz 27 gelistet und hat schon 47 Sacks zugelassen. Und das, obwohl Kyler Murray als wieselflinker, kleiner Quarterback immer wieder dem Druck ausweichen und so Sacks entgehen kann. Arizonas Offensive Line macht einen wirklich schlechten Eindruck, dies sollten die Seahawks ausnutzen können. Schon im Hinspiel in der Wüste konnten Mitglieder des Fanklubs eine dominante Leistung der Seahawks-D-Line beobachten. Womöglich sehen die 12s im CenturyLink Field diesmal ja auch wieder mehr Blitz-Formationen und – wenn alles gut läuft – vielleicht sogar den ersten Sack von Shaquem Griffin? Zu wünschen wäre es ihm.
Seahawks-Passspiel vs. Cardinals-Secondary: In den vergangenen Drafts haben sich die Cardinals mit Freude in Seattle bedient: Die University of Washington war gerade was die Defensive Backs angeht zuletzt immer eine gute Adresse. Budda Baker, Zweitrundenpick aus 2017, hat als Safety in diesem Jahr endgültig den Durchbruch geschafft und erreichte schon 125 Tackles. Mit Byron Murphy kam in der diesjährigen Talentauswahl ein Cornerback aus Seattle dazu. Auch er spielte bisher in allen Spielen von Beginn an und zeigt insgesamt eine starke Rookie-Saison. Gemeinsam mit Patrick Peterson und Jalen Thompson bilden die beiden in der Secondary eine starke Positionsgruppe, die aber immer wieder Big Plays zuließ. Seattle muss es schaffen, die eigenen Receiver in sinnvolle Matchups zu bringen (zum Beispiel den physisch überlegenen DK Metcalf gegen den eher kleingewachsenen Byron Murphy) und es wird wieder auf die magische Verbindung zwischen Nummer-eins-Passempfänger Tyler Lockett und seinem Quarterback Russell Wilson ankommen. Schafft Wilson es, die Secondary zu knacken, steht einem positiven Verlauf des Abends kaum etwas entgegen.
X-Faktor Kyler Murray: Der junge Quarterback der Cardinals spielt eine gute Rookie-Saison. An erster Stelle im NFL Draft 2019 ausgewählt, zeigt er bisher – mit für eine Premierensaison nicht ungewöhnlichen Leistungsschwankungen –, was er drauf hat. Mittlerweile werden auch die Vergleiche zwischen ihm und Russell Wilson laut. Beide haben eine ähnliche Statur, sind relativ klein und wendig und haben einen ähnlichen Stil beim Laufen und Verlassen der Pocket. Murray bringt zwar noch nicht Wilsons Magie auf den Platz, aber was nicht ist, das kann ja noch werden. Die Ähnlichkeit ist übrigens auch schon dem ehemaligen Seahawks-Guard und Russells Zimmerpartner J.R. Sweezy aufgefallen.
Murray ist sicherlich noch kein Spieler, der ein Spiel im Alleingang entscheiden kann, er hat aber schon einen wesentlichen Anteil an der Leistung der Cardinals. Mit rund 500 Yards liegt er knapp hinter dem führenden Rusher Kenyan Drake, mit im Schnitt 5,9 Yards pro Lauf ist er sehr effektiv. Auch sein Passspiel wird immer besser. 17 Touchdowns und nur zehn Interceptions – das ist im Verhältnis zum Gesamtabschneiden der Cardinals für einen Rookie eine wirklich ansehnliche Statistik. Die Offense der Cardinals ist also in hohem Maße davon abhängig, was für einen Abend Kyler Murray erwischt.
Wichtig zu erwähnen ist noch, dass der Auftritt am kommenden Sonntag möglicherweise der letzte für Wide Receiver Larry Fitzgerald in Seattle und der vorletzte in seiner Karriere sein wird. Der zukünftige Hall of Famer hat sich noch im Hinspiel gegen Seattle Platz 2 in der Liste der meisten gefangenen Pässe gesichert und steht in unzähligen weiteren Rankings ganz weit oben. Nicht nur sportlich, sondern auch menschlich ist er seinen Kollegen stets ein Vorbild. Da kann man sich nur ganz tief verbeugen und sagen: Mach’s gut, Legende!
Fazit:
Die Seattle Seahawks müssen dieses Spiel gewinnen. Schon das Hinspiel war sowohl im Ablauf wie auch im Ergebnis sehr deutlich und hat zu einem frühen Zeitpunkt der Saison Lust auf Mehr gemacht. Die Arizona Cardinals befinden sich im Umbruch und dürften deshalb kein allzu schwerer Gegner sein. Die zusätzliche Motivation der in Reichweite liegenden Bye Week sollte allein schon genügen, um das Potenzial und die verbleibenden Kräfte des Teams aus dem Pacific Northwest zu wecken.
Prognose: Die Seahawks werden sich zu Hause gegen die Cardinals keinen Ausrutscher leisten und mit 28:12 gewinnen.