Seit Samstagnacht ist bekannt, dass der Vertrag von Edge Rusher Bruce Irvin 2020 mit etwa 6 Millionen US-Dollar gegen das verfügbare Gehalt der Seattle Seahawks zählen wird. Diese Neuigkeit macht die Diskussion um den Zustand des Pass Rush im Pacific Northwest wieder umso aktueller, denn noch fehlt dem Team ein echter Nummer-eins-Quarterback-Jäger. Das Geld wird allerdings immer knapper.
In der WhatsApp-Gruppe der GSH-Redaktion löste das knackige Gehalt für Irvin eine Diskussion aus, wie sie nicht alle Tage vorkommt – und gab so den Anstoß für ein neues redaktionelles Format: das Streitgespräch. Und wie ließe sich dieses besser betiteln als mit dem berühmt-berüchtigten „Oklahoma Drill“, der in der NFL inzwischen verboten ist.
Mann gegen Mann. Auge um Auge, Zahn um Zahn. Eins gegen eins. In dieser ersten Ausgabe haben Simon und Henri diskutiert, was sie vom Irvin-Deal halten und wie der Pass Rush in diesem Jahr aufgestellt ist.
Simon: Hi Henri, hast du schon gesehen? Die Infos zum Vertrag von Bruce Irvin sind endlich raus! Mit Bonus etwa 6 Millionen US-Dollar gegen den Cap Space.
Henri: Ja, mir ist es gerade auch bei Twitter aufgefallen. Mir ist das ehrlicherweise viel zu viel. Ich hatte eher mit einem Vertrag im Bereich 2-3 Millionen gerechnet. Das nimmt uns viel Flexibilität.
Simon: Aber denkst du denn nicht, dass er das Geld wert ist? Immerhin haben wir Ziggy Ansah im vergangenen Jahr auch fast 9 Millionen gegeben und der kam aus einer Schulter-Operation mit dem Status fraglich in Woche 1.
Henri: Das mag eventuell schon sein, dass Irvin das Geld am Ende der Saison dann doch wert war. Aber ich denke, er wird im Seahawks-Pass-Rush eher eine Rotationsrolle einnehmen und kein klarer Starter sein. Eher vielleicht Nummer drei oder vier in der Depth Chart. Und dafür ist er mir definitiv zu teuer. Ansah sollte 2019 neben Jadeveon Clowney der klare zweite Starter werden, daher war dieser Vertrag aus meiner Sicht zwar teuer und risikoreich, aber schon in Ordnung.
Simon: Ich denke auch nicht, dass Irvin Starter wird. Ich hoffe, dass noch ein klarer Nummer-eins-Rusher geholt wird. Aber ich denke halt, Irvin ist schon eine Bank. Die Seahawks kennen ihn bestens, Pete Carroll und John Schneider haben schon mit ihm gemeinsam gearbeitet und seit er in der Liga ist, hat er immer konstant im oberen Leistungsdrittel abgeliefert. Vergangenes Jahr waren es zum Beispiel 8,5 Sacks, davon konnten wir in Seattle nur träumen.
Henri: Es ist nicht so, dass ich nicht von Bruce Irvin überzeugt wäre, er passt sicherlich auch gut in den Locker Room. Ich finde den Deal vor allem deshalb nicht gut, weil er uns Flexibilität nimmt. Eine Verlängerung mit Jadeveon Clowney ist damit noch einmal deutlich unwahrscheinlicher geworden. Und das für einen Rotationsspieler aufzugeben, finde ich nicht gut. Gerade in der LEO-Rolle, in der er vermutlich spielen wird, hätte es wahrscheinlich auch günstigere Kandidaten gegeben.
Simon: Das stimmt schon. Aber dafür kriegen wir halt auch mehr Tiefe in die Position. Letztes Jahr hatten wir vor allem das Problem, dass es Clowney gab und sonst niemanden. Der war dann am Ende der Saison der Spieler, der am meisten gedoppelt wurde und kaum mehr durchkam zum gegnerischen Quarterback. So können wir eben auch mit Rotation mehr Druck ins Spiel bringen und geben der Secondary die Chance, gut zu decken. Zusätzlich haben die Seahawks natürlich auch noch die Chance, Verträge zu restrukturieren, um Geld einzusparen und einen größeren Fisch an Land zu ziehen.
Henri: Ich finde nicht, dass Clowney ohne viel Hilfe im Pass Rush kaum zum Quarterback durchkam, im Gegenteil: Man darf das nicht alleine an Sacks messen. Wir dürfen halt auch nicht den Fehler machen, uns darauf zu verlassen, dass Bruce Irvin auch 2020 wieder so performen wird, wie er das in Carolina getan hat. Er ist schon 32 Jahre alt und Sacks sind eine Metrik, die sehr schwanken kann. Er hat in seiner gesamten Karriere nie die extreme Produktion gehabt, wenngleich das dieses Jahr auch nicht von ihm erwartet wird. Gerade deshalb ist es mir auch so wichtig, dass Seattle noch einen teureren Nummer-eins-Rusher holt und gerade deshalb finde ich den Vertrag insgesamt zu teuer.
Aber klar: Die Seahawks haben vermutlich jetzt schon eine stärkere Einheit im Pass Rush als im letzten Jahr zu diesem Zeitpunkt. Wenn sie jetzt noch jemanden dazu holen, wird sie noch stärker. Mit Rasheem Green, Benson Mayowa und Irvin, dazu die quasi neuen L.J. Collier und Darrell Taylor. Das kann vielleicht ja auch was werden. Wir sind da aber leider noch sehr im spekulativen Bereich und können uns darauf nicht verlassen.
Simon: Und wir hoffen einfach mal, dass es auch noch eine Möglichkeit gibt, einen Rusher vom Format eines Clowney dazu zu holen. Dann hätten wir mit Sicherheit einige Sorgen weniger als im vergangenen Jahr.
Henri: Oh ja, wenn das noch passiert, dann bin ich davon überzeugt, dass wir in der kommenden Saison einen soliden bis guten Pass Rush haben könnten.