Pflichtaufgabe erfüllt. Die Seattle Seahawks haben ihr Gastspiel in Florida gegen die Miami Dolphins mit 31:23 gewonnen. Das ganz große Drama blieb den zahlreichen 12s unter den 13.000 Anwesenden im Hard Rock Stadium diesmal erspart. Dennoch macht es sich das Team aus dem Pacific Northwest in gewohnter Manier schwerer als nötig.
Aus einem fulminanten Start in Offensive und Defensive wurde recht schnell ein über längere Phasen zähes Spiel. Die Seahawks-Angriffsabteilung wurde von den Dolphins ausgebremst und stark verlangsamt. Gerade rechtzeitig aber schaltete Seattle wieder auf Höchstgeschwindigkeit und tütete den am Ende knapp klingenden, aber in Summe verdienten Sieg ein. Der Spielverlauf im Überblick:
Der Spielverlauf:
- 1. Quarter: Ryan Neal begrub vergangene Woche alle Hoffnungen der Dallas Cowboys. Nun beendet er mit einer weiteren Interception den ersten Drive der Dolphins. Weil Jordyn-Brooks-Ersatz Cody Barton den Ball in die Luft tippt, hat Jamal-Adams-Ersatz Neal einfaches Spiel. Den daraus resultierenden Ballbesitz nutzt die Offense furios – Chris Carson läuft über kurze Distanz in die Endzone. 7:0. Nach jeweils einer ereignislosen Angriffsserie beider Teams stoppt erneut Ryan Neal die Dolphins nahe der Endzone durch einen früh erkannten Screen-Pass. Miami punktet verkürzt per Field Goal auf 7:3.
- 2. Quarter: Die Seahawks stellen den alten Abstand im zweiten Quarter wieder her – durch ein 53-Yard-Field-Goal von Jason Myers zum 10:3. Danach lässt K.J. Wright die zweite Interception liegen, Seattle stoppt aber dennoch den Drive der Dolphins. Resultat: ein Field Goal zum 10:6. Wenig später lohnt sich das Ausspielen eines vierten Versuchs und der aggressive Ansatz der neuen Seahawks nicht. Die Dolphins-Defense schlägt bei Russell Wilson ein und löscht den drohenden Küchenbrand. Ryan Fitzpatrick bewegt in der Folge den Ball wie jeder Quarterback, der gegen die Seahawks ran muss, schafft es aber nicht in die Endzone. Mit einem weiteren Field Goal kurz vor der Halbzeit verkürzen Miami auf 10:9. Doch 24 Sekunden auf der Uhr reichen den Seahawks – die 2019 wohl in dieser Situation noch abgekniet hätten – für einen weitern Touchdown. Drei Plays, drei Passversuche, drei Completions und etwa 75 Yards später findet Wilson mit dem letzten Wurf der Halbzeit Travis Homer in der Endzone. Der PAT klappt, Seattle geht mit einer 17:9-Führung in die Pause.
- 3. Quarter: Zu Beginn der zweiten Hälfte machen die Seahawks bis kurz vor die Endzone alles richtig, doch die Interception von Russell Wilson (seine erst zweite in dieser Saison) verhindert einen deutlicheren Vorsprung. Im weiteren Verlauf des dritten Viertels lässt sich Seattles Defensive weiter munter verbiegen, zerbricht aber nicht. Den Dolphins bleibt zum vierten Mal nur das Field Goal. Im Anschluss: Sack, 3rd & 25 und ein Lauf bei ebendiesem Versuch. Dann betritt Punter Michael Dickson das erste Mal an diesem Sonntag das Feld und drischt das Ei in die Hälfte der Dolphins. 17:12 steht es vor dem Schlussviertel.
- 4. Quarter: Dann ein spektakulärer Defense-Drive der Seahawks: K.J. Wright verhindert (wie immer) den Screen, Shaquem Griffin verteidigt Pässe und Rookie Alton Robinson tackelt für Raumverlust. Es folgt das fünfte Field Goal des Heimteams zum 17:15. David Moore und Russell Wilson verschaffen anschließend den Seahawks wieder mehr Luft, in dem sie für einen wunderschönen Zirkus-Touchdown in die hintere, rechte Ecke der Endzone kollaborieren. 24:15. Wenig später fängt Shaquill Griffin eine Interception und das Spiel scheint besiegelt. Aus dem Turnover schlagen die Seahawks erneut Kapital. Ein kurzer Lauf von Carson zu seinem zweiten Touchdown im Spiel (plus PAT) bringt das 31:15. Kult-Spielmacher Ryan Fitzpatrick verkürzt den Abstand für die Dolphins durch einen erlaufenen Touchdown zwar nochmals und legt eine gelungene Two-Point-Conversion von Preston Williams auf (31:23). Doch den anschließenden Onside Kick fängt Jacob Hollister sicher. Drei Spielzüge und eine Raumgewinn-Vermessung später läuft die Uhr auf 00:00 herunter. Die Seahawks stellen ihren Record auf 4-0.
Die Hauptdarsteller:
LB K.J. Wright: Dies soll die erste Spiel-Zusammenfassung sein, in der als Hauptdarsteller nicht der MVP-Kandidat Russell Wilson die Rubrik eröffnet. Veteran Wright zeigte eine herausragende Leistung in der Passverteidigung, war immer wieder umsichtig und setzte im Spiel einige Ausrufezeichen. Unter anderem gelang es ihm wie schon so oft zuvor, die Screen-Pässe der Dolphins frühzeitig zu erkennen und sie eindrucksvoll im Keim zu ersticken. Meckern auf hohem Niveau: Bei etwas besseren Händen wäre es nicht mal eine gewagte Prognose, dass Wright in diesem Spiel mindestens zwei Interceptions fängt und seine Leistung krönt. Nichtsdestotrotz hatte er maßgeblichen Anteil an dem weiter makellosen Record der Seahawks.
CB Shaquill Griffin: Oft und zurecht kritisiert, erlebte Griffin so etwas wie ein Comeback. Drei abgewehrte Pässe – zwei davon brutal wichtig in der Endzone –, eine Interception und ein sehr viel besseres Spiel im Vergleich zur Vorwoche. Kritik zu Herzen genommen, hart gearbeitet, Leistung gezeigt. Spielt Griffin so weiter, rückt auch die ersehnte Vertragsverlängerung näher.
QB Russell Wilson: Trotz einer Interception, die durchaus vermeidbar war, besetzt auch Russell Wilson in dieser Woche wieder einen der begehrten Hauptdarsteller-Posten. 34 Passversuche, 24 Completions, 360 Yards durch die Luft und zwei Touchdown-Pässe hören sich in den Sphären, in denen Wilson seit Saisonbeginn verkehrt, unterwältigend an. Sind es aber nicht. Eine wieder mal gute Vorstellung des MVP-Frontrunners. Das Resultat: die Ernennung zum Hauptdarsteller im nicht minder prestigeträchtigen Recap der German Sea Hawkers. Und: Er hält jetzt gemeinsam mit Peyton Manning den Rekord für die meisten Touchdowns in den ersten vier Spielen einer Saison.
Die Nebendarsteller:
Ehrenvolle Erwähnung: WR DK Metcalf und WR David Moore toppten oder kratzten an der magischen 100-Yard-Marke und konnten auch ein eher ruhiges Spiel von Kollege Tyler Lockett auffangen. Das spricht für die Entwicklung der Receiver-Gruppe. Und noch immer warten die Seahawks auf die Begnadigung von Josh Gordon, der der Unit weitere Tiefe verleihen könnte. Das Gegenteil von „Viele Köche verderben den Brei“. S Ryan Neal für seine zweite Interception im zweiten Spiel. Eine eindrucksvolle Geschichte, die über die Practice Squad bis hin zum Starter (als Ersatz für den verletzten Jamal Adams) führt. Er zeigte nach der spielentscheidenden Interception vergangene Woche auch heute wieder eine solide Leistung. Die Offensive Line für eine erneut ordentliche Leistung gegen eine sehr aggressive Dolphins-Front, die oft über Blitz-Pakete agierte. C Ethan Pocic und Kollegen ließen trotzdem nur zwei Sacks an Wilson zu. Diese Positionsgruppe macht nach vier Wochen Hoffnung. RB Chris Carson fürs Durchbeißen. Angeschlagen (Knie), dann angeknockt (Kopf), dann im Flug (Hürdensprung über einen Gegenspieler). Nebenbei bei 16 Läufen 80 Yards und zwei Touchdowns.
Stets bemüht: Die Defensive Line, die immer wieder nah den Quarterback kam, aber auch den mittlerweile in die Jahre gekommenen Ryan Fitzpatrick nur schwer zu Boden bringen konnte. Trotzdem sorgten die Pass Rusher zahlreich für Pressures und waren maßgeblich an den zwei Interceptions im Spiel zugunsten der Seahawks beteiligt.
Meh: CB Tre Flowers, der erneut für den verletzten Quinton Dunbar in die Startformation der Seahawks rutschte und in der Deckung keinen guten Job machte. Bezeichnend sein Verteidigungsverhalten bei der erfolgreichen Two-Point Conversion von Miamis Preston Williams. Flowers ließ sich viel zu einfach schlagen und attackierte selbst in der Endzone nie den Ball selbst, sondern nur die Beine seines Gegenspielers. Drops (nicht die leckeren zum Lutschen) kosteten die Seahawks wohl zwei Interceptions und zwei Drives. Tyler Lockett und DK Metcalf ließen fangbare Bälle fallen, K.J. Wright belohnte sein gutes Stellungsspiel zweimal nicht mit Picks.
Die Highlights:
Der als Nebendarsteller deklarierte David Moore knüpft an seine guten Leistungen aus den Vorwochen an. Ein Wurf von Russell Wilson, wie er schöner nicht sein konnte, perfekt platziert in die hintere rechte Ecke der Endzone. Anschließend die wieder einmal zirkusartige Fußarbeit von Moore. Vergangene Saison noch hatte er den Ruf des Spieler inne, der die spektakulärsten Beinahe-Touchdowns fängt. Mittlerweile konvertiert er genau diese Fänge aber in tatsächliche Punkte. Moore ist inzwischen eine veritable dritte Receiver-Anspielstation für Wilson.
Euer wöchentlicher Zirkus-Catch von WR David Moore.pic.twitter.com/f0B4G8LuhF
— German Sea Hawkers (😷) (@SeaHawkersGER) October 4, 2020
Beflügelt durch die Rückkehr seines Zwillingsbruders in den 53er-Kader oder einfach nur ehrgeizig genug, es jetzt doch allen zu zeigen? Die Gründe dürften den meisten Seahawks-Anhängern egal sein. Cornerback Shaquill Griffin krönte seine gute Leistung mit einer wichtigen Interception – seiner zweiten in der laufenden Saison.
.@ShaquillG gets the late-4th quarter INT!
📺: #SEAvsMIA on FOX
📱: NFL app // Yahoo Sports app: https://t.co/T1i6s2rIdv pic.twitter.com/12z5usuCA8— NFL (@NFL) October 4, 2020
Die Randnotizen:
- LB Cody Barton rotierte für den verletzten Rookie-LB Jordyn Brooks als erster Sub-Linebacker in die Defense und trug früh im Spiel durch einen abgewehrten Pass zur Interception von Ryan Neal bei. An seiner Tackling-Technik – oder an seinem Handschuh-Material – muss er aber noch ein wenig feilen. Nicht nur einmal entglitt ihm ein eigentlich schon gestellter Gegenspieler wieder.
- Es ist jetzt wirklich unheimlich. Die Seahawks gewannen schon wieder ein Spiel im frühen Zeitfenster, also nach ihrer Zeit an der Pazifikküste um 10 Uhr morgens. Das zehnte in Serie.
- TE Greg Olsen hat wenig Highlight-Plays, konnte aber seine Flüchtigkeitsfehler die sich zu Beginn der Saison eingeschlichen haben abstellen und zeigt aktuell eindrucksvoll das, wofür er geholt wurde: Als sichere Anspielstation in kurzer Distanz, als Posession-Receiver und zuverlässige Hilfe im Blocking der Seahawks.
- Die böse Technik spielte den Seahawks im vierten Quarter mal wieder einen Streich. Vor dem ersten Spielzug im Drive, der zum Touchdown von David Moore führte, fiel das Headset von Russell Wilson aus. Geschadet hat’s allerdings nicht.
- WR DK Metcalf liebt die Drei – seinen Quarterback, Schwimmlehrer und „Bruder“ Russell Wilson. Aber diese Woche ging er mit der Vier fremd. In der vierten Woche in Serie exakt vier Catches. Er steht nun bei 403 Yards – nur gefühlt einer fehlte zum vierten Touchdown im vierten Spiel. Wobei er den ja auch vergangene Woche schon hätte haben können.
- Und jetzt festhalten: In der Team-Statistik findet sich bei den Seahawks keine einzige Strafe. Wait, what?! Ja, ist so. Weil die wenigen Flaggen gegen Seattle durch Flaggen für den Gegner aufgewogen wurden und die Dolphins Strafen ablehnten, haben die Carroll-Mannen diesmal eine weiße Weste. Wann es das zum letzten Mal gab? Fragt uns was Leichteres.
Die Verletzten:
Diese Rubrik lässt sich glücklicherweise kurz halten. Die Seahawks gingen erwartungsgemäß ohne ihre Angeschlagenen, Strong Safety Jamal Adams, Running Back Carlos Hyde und Cornerback Quinton Dunbar, ins Spiel. Running Back Chris Carson, der zwischenzeitlich auf eine Gehirnerschütterung untersucht wurde, konnte schon während des Spiels wieder zurückkehren.
Abgerundet wird der Abend durch die Neuigkeit von Head Coach Pete Carroll bei der Pressekonferenz nach dem Spiel:
Pete Carroll said they got out of the game without any new injuries. Very significant given the last two games. #Seahawks
— John Boyle (@johnpboyle) October 4, 2020
Das Zitat:
„Russ for MVP 2020, by the way.“ -Wide Receiver DK Metcalf über seinen Quarterback – zusammenhangslos und mitten in einer Antwort bei der Pressekonferenz nach dem Spiel
Der Tweet:
Auch zu Hause immer voll im Einsatz. Strong Safety Jamal Adams fehlte den Seahawks am Sonntag wegen einer Leistenverletzung. Doch er lieferte bei Twitter eine mindestens genauso engagierte Leistung ab wie sonst auf dem Spielfeld.
No matter what, I'm always locked in!!! #Prez pic.twitter.com/CSHD6OM1R2
— Jamal Adams (@Prez) October 4, 2020
Das Fazit:
Noch einmal: Pflicht erfüllt. Die Offensive der Seattle Seahawks legte 31 Punkte auf, wirkte aber das erste Mal in dieser Saison wieder normalsterblich. Alleine das ist für kommende Gegner beängstigend, denn selbst mit strauchelnder Angriffsabteilung rollte das Team von Head Coach Pete Carroll noch. Russell Wilson ist weiterhin hervorragend in Form und seine wechselnden Nebendarsteller erfüllen zuverlässig ihre Aufgaben.
Die Defensive zeigte sich indes leicht verbessert, ohne groß zu überzeugen. Nie war „Bend, don’t break“ passender als an diesem Sonntag. Sechsmal schafften es die Miami Dolphins in die gegnerische Hälfte. Fünfmal fanden sie aber nicht den Weg in die Endzone und gingen auf Field Goals.
Am Ende war es ein wenig glanzvoller Sieg für die Seahawks. Das Offensiv-Verwöhnprogramm der ersten drei Wochen war diesmal nicht verfügbar. Unter dem Strich steht aber ein perfekter 4-0-Saisonstart. Wann es das zuletzt gab? Dreimal dürft Ihr raten…
Ausblick: In Week 5 empfangen die Seahawks am kommenden Montag um 2.20 Uhr zu Sunday Night Football die Minnesota Vikings (1-3), die gegen an diesem Spieltag gegen die Houston Texans ihren ersten Saisonsieg feierten.