Buffalo Bills – so heißt der Gegner der Seattle Seahawks in Week 9 der NFL-Saison 2020. Dabei geht es für das Team aus dem Pacific Northwest zwischen zwei Divisionsduellen wieder einmal quer durch die USA. Frei nach dem Motto: Wenn Pete, Russ und Bobby eine Reise machen, dann lassen sie es an der Ostküste krachen. Denn wenn sie auswärts am anderen Ende des Landes ran müssen, dann stehen die Seahawks seit Beginn der Wilson-Ära im Jahr 2012 in 21 Spielen bei einer unglaublichen Bilanz von 18 Siegen und nur drei Niederlagen.
Ob dies auch ein gutes Omen für den Trip nach Orchard Park, New York, ist, bleibt abzuwarten. Denn mit den Bills wartet ein Team, das heiß darauf ist, endlich die Herrschaft der New England Patriots in der AFC East zu beenden. Die Chancen darauf stehen nicht schlecht. Durch eine gute Defense und mit Quarterback Josh Allen am Ruder ist die Mannschaft von Head Coach Sean McDermott mittlerweile mehr als solide aufgestellt. Entsprechend hochklassig verspricht das Duell Contender vs. Contender mit Seattle zu werden.
Beste Voraussetzungen für ein Football-Fest, das allerdings mit einem Wermutstropfen leben muss: Keine Fans im Stadion. Weil der US-Bundesstaat New York – ähnlich wie der Staat Washington – einer der ersten Corona-Hotspots in den USA war, sind die Regeln pandemiebedingt entsprechend streng. Heißt: Wie in Seattle wird auch in Buffalo vor leeren Rängen gespielt. Und damit entgeht den Zuschauern auch ein Aufeinandertreffen von zwei der besten Fanbases der NFL. Dass die 12s und die positiv verrückte Bills Mafia ihre Teams dabei stattdessen weltweit am TV anfeuern werden, dürfte trotzdem mehr als klar sein.
Das Spiel:
- Kickoff: Sonntag, 19 Uhr
- Austragungsort: Bills Stadium (Freiluft, Kunstrasen)
- Wettervorhersage: 20 Grad Celsius, Sonne
- Schiedsrichter: Shawn Smith
- Empfang: NFL GamePass, ProSieben MAXX, ran
- Wettprognose: Seahawks -3
- Schnellcheck: Buffalo Bills
- Hashtag: #SEAvsBUF
Der Injury Report:
Spielen wir gegen die Bills oder ist das die Verletztenliste von vor dem Heimspiel gegen die San Francisco 49ers? Diese Frage dürften sich die Seahawks stellen, wenn sie auf den finalen Injury Report vor dem Duell mit Buffalo schauen. Verändert hat sich dort in einer Wochen nämlich wenig. Einzig Strong Safety Jamal Adams (Leiste) ist endlich wieder fit.
Wie gegen San Francisco fallen auf Seattles Seite somit beinahe die sechs gleichen Spieler aus: die Running Backs Chris Carson (Fuß) und Carlos Hyde (Oberschenkel), Guard Mike Iupati (Rücken), Defensive End Benson Mayowa (Sprunggelenk), Cornerback Shaquill Griffin (Gehirnerschütterung/Oberschenkel) sowie Nickel-Cornerback Ugo Amadi (Oberschenkel).
Der Gegner aus dem US-Bundesstaat New York muss verletzungsbedingt auf fünf Spieler verzichten. Die sind: die Running Backs Taiwan Jones (Oberschenkel) und T.J. Yeldon (Rücken), Linebacker Matt Milano (Brustmuskel), Center Mitch Morse (Gehirnerschütterung) sowie Cornerback Josh Norman (Oberschenkel). Dazu ist der Einsatz von Defensive Tackle Vernon Butler (Leiste), Guard Cody Ford und Defensive End Darryl Johnson (beide Knie) sowie Tight End Dawson Knox (Wade) fraglich.
Der Injury Report für #SEAvsBUF: pic.twitter.com/PmLfppMY0U
— German Sea Hawkers (😷) (@SeaHawkersGER) November 7, 2020
Die Matchups:
Seahawks-Laufspiel vs. Bills-Laufverteidigung: Beim souveränen Heimsieg gegen die San Francisco 49ers mussten sich die Seahawks aufgrund von Verletzungen auf der Running Back-Position hauptsächlich auf DeeJay Dallas verlassen. Der Rookie machte seine Sache dabei souverän, wann auch nicht überragend. Gegen die Bills muss er aber genau diese Aufgabe nach den Ausfällen von Chris Carson und Carlos Hyde wieder übernehmen. Dass Dallas als Starter dabei gegen Buffalo mehr Yards als gegen San Francisco machen könnte, ist aktuell ziemlich wahrscheinlich.
Hier hat man in den vergangenen Jahren im Draft massiv in die Mitte der Defense investiert. So holte das Front Office zwischen 2018 und 2020 mit drei der vier ersten Picks Middle Linebacker Tremaine Edmunds, Defensive Tackle Ed Oliver und Defensive End A.J. Epenesa nach Buffalo. Das Ergebnis ist heute ein Starter-Trio, allerdings mit einem Manko. Zusammen mit dem erfahrenen Linebacker Matt Milano können sie laut Pro Football Focus (PFF) mit einem Durchschnittswert von 70 (aus 100 Punkten) guten Druck auf gegnerische Quarterbacks ausüben. Doch dabei vergessen sie offenbar meistens die Running Backs. Bis auf zwei Spiele erreichte die Verteidigung der Bills hier 2020 bei PFF nie eine Note von 50 oder höher. Alleine in den vergangenen vier Partien ließ die Defense im Schnitt 168 Rushing-Yards zu.
Genau dort könnten die Seahawks mit dem guten Blocking der Offensive Line und einem dynamischen Rookie eine Kombination schaffen, die den Bills das Leben vor allem am Boden schwer macht. Ein weiterer Vorteil für Seattle: Play Action. Die Würfe nach angetäuschten Läufen sind Russell Wilson wie auf den Leib geschneidert und damit auch eine von Seattles Spezialitäten. Findet der Quarterback früh ins Tiefpassspiel, öffnen sich automatisch Räume für Dallas und das Laufspiel.
Seahawks-Passverteidigung vs. Bills-Passspiel: Josh Allen hat mit einen, wenn nicht sogar den stärksten Arm aller Quarterbacks in der NFL. Dabei sind sich viele Experten einig. Und nicht nur die. Auch die Statistiken zeigen das. Während der Quarterback der Bills bei Würfen von über 20 Yards in die Mitte des Spielfeldes eher Mittelmaß ist, sieht es bei denen Richtung Seitenlinien ganz anders aus. Hier bewertet PFF Allen in der Saison 2020 mit 86,6 (links) und 90,0 (rechts) aus 100 Punkten. Bisher erzielte Buffalo in diesen Bereichen so 336 Yards und drei Touchdowns.
Gerade an den Spieltagen 1 bis 4 funktionierte Buffalos Passing Game bestens. Hier sammelte der Bills-Spielmacher zwölf Touchdowns bei nur einer Interception. Josh Allens Anspielstationen waren und sind hier vor allem die Wide Receiver Cole Beasley, John Brown sowie Stefon Diggs. Der wurde in der Offseason von den Minnesota Vikings getradet und dann in New York sofort zum Nummer-Eins-Receiver. Auch weil diese Kombination so gut funktioniert, stand Buffalo vor Week 5 bei einer Bilanz von 4-0. Seitdem hat aber auch die Offense abgebaut. So fiel Allens Completion Percentage seitdem im Schnitt von 71 auf 63 Prozent.
Für die Passverteidigung der Seahawks dürfte das ein gutes Zeichen sein. Zwar ist Seattles Secondary immer noch nicht da, wo man eigentlich sein will. Mit im Schnitt 358,7 zugelassenen Passing Yards pro Spiel liegt man weiter auf dem 32. und damit letzten Platz in der gesamten Liga. Doch gerade die ersten drei Quarter gegen die 49ers, in denen die ganze Defense nur 117 Yards zuließ, macht da Mut. Und das im Angesicht der Tatsache, dass sowohl Cornerback Shaquill Griffin und Nickel Ugo Amadi verletzt passen mussten. Stattdessen sprang zum Beispiel D.J. Reed (eine Interception) in die Bresche und auch Quiton Dunbar macht sein Ding als Starter immer besser.
Dazu kam dann auch noch Tre Flowers. Der ist zwar nach seinem schwachen Saisonstart viel gescholten. Doch statistisch gesehen macht er seinen Job gerade in den zwei letzten Wochen richtig gut. Hier stuft in PFF als den sechstbesten Cornerback der ganzen Liga ein! Nichtsdestotrotz dürfte der Auftritt bei den Bills für die gesamte Gruppe wieder ein Härtetest werden, gerade falls Griffin weiter ausfällt. Allerdings: Verstärkung für die Secondary ist in Form eines fitten Jamal Adams im Anmarsch.
Seahawks-Wide-Receiver DK Metcalf und Tyler Lockett vs. Bills-Secondary: Erst das Play der Saison gegen Cardinals-Safety Budda Baker und dann ein „Career Game“ gegen San Francisco. Besser hätten die letzten Wochen für DK Metcalf kaum laufen können. Aktuell wird sein Name bei der Berichterstattung über die Seahawks fast so oft erwähnt wie der von Russell Wilson. Angesichts der Leistungen des Wide Receivers ist das aber auch kein Wunder. Sieben Touchdowns (genau so viele wie Tyler Lockett) hat er nach sieben Spielen gefangen und führt damit die Liga in dieser Kategorie an.
Aufgrund seiner Physis und seiner Schnelligkeit versucht Wilson dabei vor allem Metcalfs Stärken auszuspielen: Go Routes. Bei diesen tiefen Passrouten ist der Mann mit dem Schnuller-Mundschutz dabei kaum aufzuhalten. Sieben von 18 Pässen hat er hier bisher für 266 Yards gefangen. Alles drei ist in der NFL-Saison 2020 Ligaspitze. Das gleiche gilt für Tyler Lockett. In seinem Fall allerdings auf den kürzeren Crossing Routes, die über die Mitte des Spielfeldes gelaufen werden. Hier fing er 21 von 25 Pässen für 229 Yards.
Und genau das könnte für die Secondary der Bills, die mit Spielern wie Safety Micah Hyde und einem der besten Cornerbacks der Liga, Tre’Davious White, eigentlich gut aufgestellt ist, in Schwierigkeiten bringen. Denn ausgerechnet auf den Lieblingsrouten von Metcalf und Lockett ist Buffalos Passverteidigung anfällig. Auf Go Routes und Crossing Routes ließ man in dieser Saison 62,8 Prozent aller Pässe ankommen. Das Ergebnis: Fünf zugelassene Touchdowns bei nur einer Interception und ein Passer Rating von 118,5.
Doch das ist nicht das einzige Manko. Beim knappen Sieg gegen die New England Patriots letzte Woche lieferten die Bills in Coverage laut PFF mit 42,2 (aus 100 Punkten) ihre bisher schwächste Saisonleistung ab. Fakten, die beim zweiköpfigen Wide Receiver-Monster der Seahawks gut ankommen dürften. Dazu kommt, dass vor allem Metcalf in seiner erst zweiten NFL-Saison nicht vor Duellen mit Lockdown-Cornerbacks wie White zurückschreckt. Das hat er mit Ausnahme von Patrick Peterson (Cardinals) gerade gegen Stephon Gilmore (Patriots) und Xavien Howard (Dolphins) schon bewiesen.
Der X-Faktor: Das Quarterback-Duell
Die beiden besten Spieler aufseiten der Seahawks und Bills stehen in dieser Saison mal wieder direkt hinter dem Center. Wenn Russell Wilson und Josh Allen Normalform erreichen, dann können sie Partien für ihr Team fast im Alleingang entscheiden. Während der MVP-Zug in Seattle mit Lokführer Russ an Bord nach einem kleinen Tief seit einer Woche wieder voll Fahrt aufgenommen hat, ist es um Allen in den letzten Spielen etwas ruhiger geworden. Nach den ersten vier Spieltagen wurde Buffalos Nr. 17 zusammen mit Wilson und Aaron Rodgers als einer der Geheimfavoriten auf den MVP-Titel gehandelt.
In den letzten Spielen konnte Josh Allen dieses Level nicht halten. Gegen die Jets und die Patriots warf er erstmals in dieser Saison keinen Touchdown. Trotzdem: Das Potenzial des Erstrundenpicks der Bills aus 2018 ist da. Gut für die Seahawks, dass sie ihm hier allerdings einen 2020er-Wilson gegenüber stellen können.
- Spieler des Spiels: Jamal Adams ist zurück. Und als jahrelanges Mitglied der New Yorks Jets kennt er deren Division-Rivalen aus Buffalo bestens. Dieses Wissen wendet er auch im Trikot der Seahawks an und sammelt in diesem Spiel gegen die Bills zwei Sacks, forciert einen Fumble und pflückt eine Interception herunter.
- Statistik des Spiels: Duelle mit den Teams aus der AFC East stehen für Seattle aufgrund des NFL-Schedules nur alle vier Jahre an. Auch deshalb spielte Seahawks Quarterback Russell Wilson seit seinem Rookie-Jahr 2012 bisher nur zweimal gegen die Bills und hat hier eine absolut reine Weste. Bei zwei Siegen (50:17 und 31:25) warf Wilson für 487 Yards und drei Touchdowns bei keiner Interception. Dazu erlief er selbst 102 Yards und vier Rush-TD. Seattle selbst spielte seit 1977 insgesamt 13 Mal gegen Buffalo und gewann davon acht Spiele.
- Anekdote des Spiels: Was am 5. Oktober 2010 in Seattle passierte war kein Erdbeben, sondern ein „Beastquake“. An diesem Tag machten die Seahawks den ersten großen Transfer der Carroll-Schneider-Ära in Form eines Trades mit den Buffalo Bills klar. Im Gegenzug für zwei Draft-Picks kam dabei ein gewisser Marshawn Lynch nach Seattle. Und der Rest ist, wie man so schön sagt: Geschichte. Genau wie die Tatsache, dass die NFL-Trainerkarriere von Seahawks-Cheftrainer Pete Carroll in Buffalo begann. 1984 bekam er dort bei den Bills seinen ersten Job in der Liga – als Coach für die Defensive Backs.
Seahawks HC Pete Carroll began his #NFL coaching career with the @BuffaloBills in 1984 as the team’s defensive backs coach. pic.twitter.com/91QOwCJ4Kp
— Buffalo Bills PR (@BuffaloBillsPR) November 3, 2020
Der X-Faktor: Let Bobby Blitz!
Zum zweiten Mal in seiner Karriere wurde Middle Linebacker Bobby Wagner nach seinem bombastischen Auftritt gegen San Francisco – den wir auch im Ballhawks-Podcast besprochen haben – zum NFC Defensive Player of the Week gekürt. Die Folge war jetzt eine neue Kampagne: Let Bobby Blitz!
Absolutely dominant. 😤
After an outstanding performance on Sunday, @Bwagz has been named the NFC Defensive Player of the Week!
Read More: https://t.co/tqFvyc01J8 pic.twitter.com/MVx0NQhcCY
— Seattle Seahawks (@Seahawks) November 5, 2020
Das Fazit:
Hätten die Seattle Seahawks vor vier Wochen bei den Buffalo Bills antreten müssen, dann wären wir uns an dieser Stelle nicht so sicher, ob Seattle mit einem Sieg im Gepäck zurück in den Pacific Northwest fliegen würde. Hier zählte Buffalo dank eines überragenden Josh Allen und einer sicheren Defense zu einem der Topteams der NFL. An den letzten Spieltagen wurde dem relativ jungen Team von Sean McDermott allerdings die Grenzen aufgezeigt, gerade defensiv.
Mit dem richtigen Gameplan werden Russell Wilson und Offensive Coordinator Brian Schottenheimer genau diese kleinen Schwächen ausnutzen und das Gaspedal des auf Hochtouren laufenden Offensivmotors weiter feste durchtreten. Dazu bekommt Seattles, auf dem aufsteigenden Ast befindliche Defense am Sonntag dringend benötigte, personelle Verstärkung. In dieser Kombination ist man in New York bestens aufgestellt. Unterschätzen dürfen und werden Pete Carroll und Co. die Bills aber auf keinen Fall.
Prognose: Die Seahawks besiegen die Bills mit 27:20.