Foto: Stacy Revere/Getty Images
Seahawks-Draft Check 2023 – Die Interior Offensive Line-Klasse unter der Lupe
Ja, ich weiß. Die Offensive Line ist keine Highlight-Position. Besonders nicht, wenn es dann auch noch um die Interior-Line, also Guard und Center geht. Nichtsdestotrotz ist die O-Line als Kollektiv von enormer Bedeutung für die Offense eines Teams. Gerade die Seahawks wissen, dass selbst ein Star-Quarterback sowie Elite-Receiver eine wackelige Pass Protection nur bedingt kompensieren können. Nachdem Pete Carroll und John Schneider letztes Jahr unser (hoffentlich) Franchise-Tackle-Duo drafteten, besteht für diesen Darft noch Bedarf im Innenbereich der Line. Also perfekter Anlass, um gemeinsam auf meine Top 5 der besten Interior-Offensive-Linemen zu schauen!
Für den 2023 NFL Draft haben wir bei dieser Positionsgruppe keine historisch herausragende, aber durchschnittlich gute Klasse mit geeigneter Qualität für nahezu jede Runde. Wie immer gilt, dies ist kein offizielles, sondern mein subjektives Ranking nach diversen Tape-Stunden.
G O’Cyrus Torrence (23), Florida
Für mich ist O’Cyrus Torrence unter den Prospects für die Interior Offensive Line (iOL) dieses Jahr mit Abstand die Nummer 1 und das ohne jegliche Konkurrenz. Der 1,96 m große und fast 160 kg schwere Guard von den Florida-Gators ist eines der besten iOL-Talente, die ich bislang gescoutet habe.
Stärken
Torrence überragt mit seiner physischen Stärke. Sowohl Kraft als auch Masse stechen bei ihm in besonderem Maße heraus. Der Einsatz und die Power seiner Hände im Blocking sind exzellent und er wirkt hier einfach unfassbar weit. Als Run-Blocker ist der 23-Jährige elitär, ja nahezu fehlerfrei. Seine Pass Protection ist hervorragend, jedoch nicht ganz auf dem hohen Level des Lauf-Blockens. Mir gefällt es sehr, wie er in der Offensive Line ein Gefühl für Druck entwickelt, Räume im Pass Rush liest und Lücken schließt. Sogar gegen Jalen Carter, den vielleicht besten Spieler im Draft, schlug sich O’Cyrus Torrence beachtlich. Ich nenne euch nun eine Statistik, mit der wohl alles gesagt sein sollte: Er startete vier Jahre im College, spielte dabei über 3.000 Snaps und ließ KEINEN (!) einzigen Sack zu. Da ist dann eigentlich kein Kommentar mehr nötig.
o'cyrus torrence (RG, #54) is one of my favorite players in this years class. tank on the interior, think he's a plug and play guy from day 1. explosiveness/torque through first contact is one of the first things i look for in all trench prospects and he's got it man pic.twitter.com/A4XTXNFGEa
— charles (“you look good” – andy reid) mcdonald (@FourVerts) April 7, 2023
Schwächen
Ihr merkt, ich bin Fan. Ich habe versucht, Schwächen auszumachen, aber letztlich sind es lediglich Kleinigkeiten, die bei Torrence im Spiel der Offensive Line zu kritisieren sind. Seine Fußarbeit ist nicht die schnellste und das könnte auf dem absoluten Profilevel doch schon zu Schwierigkeiten führen. Das ist allerdings ein Makel, der definitiv durch das Training mit NFL-Coaches behoben werden kann.
Fazit zu O`Cyrus Torrence
Der erste Guard seit Langem, dem ich eine First Round-Grade gebe und der sicher auch eine Option für Seattle an #20 und damit beim Umbau der Offensive Line ist. Für mich haben wir hier einen Top-Lineman.
C John Michael Schmitz (24), Minnesota
Der beste Center dieses Jahr kommt für mich mit John Michael Schmitz aus dem tiefen Norden der USA – dem US-Bundesstaat Minnesota. Mit 1,93 m und 145 kg hat der 24-Jährige gute Maße für „Chefposition“ der Offensive Line.
Stärken
Mit JMS haben wir einen weiteren hervorragenden Run-Blocker, der dem Running Back ausgezeichnete Wege freiräumt. Seine Stärke im Zusammenspiel der Offensive Line ist auf Tape deutlich zu sehen, egal ob in den Armen, oder in den Beinen. Er schließt die A-Gaps, also den Raum zwischen Center und Guard, meistens ideal und ist ein zuverlässiger Lineman. Insgesamt wirkt er wie ein klassischer NFL-Center. Das kann ich nicht empirisch anführen, aber das war einfach das Gefühl, das er bei mir auslöste.
Schwächen
In Pass Protection sehe ich ihn im Verbund der Offensive Line als soliden Spieler, jedoch mit ein paar Anfälligkeiten. Nicht selten wurde er vom Defensive Tackle und dessen Geschwindigkeit Quickness geschlagen. Ansonsten ist es fair, anzumerken, dass John Michael Schmitz mit 24 ein doch recht alter Prospect vor seinem Rookie-Jahr in der NFL ist.
Fazit zu John Michael Schmitz
Die Seahawks könnten in jedem Fall für ihre Offensive Line einen sicheren Center wie JMS gebrauchen, ich sehe ihn aber nicht auf dem Niveau wie einen O’Cyrus Torrence. Für mich ist er daher ein Zweitrundenpick.
C Joe Tippmann (22), Wisconsin
Charakterlich hört man nur Gutes von dem fast Zwei-Meter-Mann Joe Tippmann. Interessant außerdem: Er wurde in einer Highschool-Saison MVP seiner Liga. Als zentraler Anker der Offensive Line ist das mehr als beeindruckend.
Stärken
1,98 m misst der Riese in der Mitte der Offensive Line aus Wisconsin und das ist eine Ansage. Seine körperlichen Maße sind angsteinflößend, denn er ist groß und schwer. Seine größte Stärke sehe ich tatsächlich im Pass Blocking, da er über einen sehr festen und robusten Stand verfügt, der Pass Rusher stoppt. Die Kraft in den Armen ist ebenso erkennbar und beeindruckend.
Joe Tippmann…🤯
What is a CENTER doing moving like THIS? pic.twitter.com/EmVGiV7bII
— Robert Schmitz (@robertkschmitz) March 24, 2023
Schwächen
Seine Physis ist Fluch und Segen zugleich, denn durch seine Größe gerät er in der Offensive Line leichter mal aus dem Gleichgewicht, was selbstverständlich ein Desaster für das laufende Play ist. Diese Balance-Probleme versucht Tippmann dann öfter durch ein Holding, also das unerlaubte Festhalten seines Gegenspielers, zu kompensieren, was ihm jedoch einige Flaggen einbrockt. Eine Schwäche, die nicht leicht wegzucoachen ist.
Fazit zu Joe Tippmann
Tippmann war kein überragender, aber solider bis guter College-Spieler für seine Position. An Tag zwei des Drafts, also in der 2. oder 3. Runde, würde ich ihn ziehen.
G/C Steve Avila (23), TCU
Die Center-Klasse ist im Bereich der Interior Offensive Line in der Breite klar besser besetzt, als die der Guards. Meine Liste geht nämlich mit dem O-Line-Chef Steve Avila von TCU weiter, der in der vergangenen Saison auf fast 900 Snaps kam.
Stärken
Avila hat eine enorme Kraft und hält starken Bull Rushes stand. Sowohl im Lauf-, als auch im Pass-Blocking finde ich ihn solide bis gut. Er verfügt über eine beachtliche Agilität und Beweglichkeit im Allgemeinen, was für einen Guard nicht selbstverständlich ist. Der Mann von TCU war dazu auch als Center ein zuverlässiger Teil der Offensive Line und leistete sich selten Aussetzer und war sehr konstant.
Schwächen
Besonders bei Pass Rushern, die über Quickness oder Schnelligkeit gewinnen, hatte Steve Avila Probleme. Seine Füße sind nicht die schnellsten und wenn er geschlagen wurde, dann meist unmittelbar nach dem Snap. Diese Anfälligkeit führte zwar selten zu Sacks, zeigten sich jedoch so regelmäßig, dass ich es als Schwachstelle ausmache.
Fazit zu Steve Avila
Ein unspektakuläres Prospect, das als Teil der Offensive Line von TCU aber bisweilen unter dem Radar fliegt. Ich sehe ihn aktuell als einen Spieler für 2. oder 3. Runde.
C Luke Wypler (21), Ohio State
Diese Ohio State-Offensive Line war brutal stark und hatte maßgeblichen Anteil am Erfolg von Quarterback C.J. Stroud. Nur logisch also, dass Spieler aus dieser Positionsgruppe wie Tackle Paris Johnson oder eben Luke Wypler für den Draft hoch gehandelt werden. Ich persönlich bin aber bei dem 21-jährigen Center doch ein Stück niedriger als der Konsens.
Stärken
Luke Wypler macht viele Dinge gut, aber nicht herausragend. Pass Protection und Run Blocking sind beide auf einem fast identischen Level. Es ist schwierig einzelne Attribute im Spiel der Offensive Line herauszustellen, weil er einen hohen Floor mit wenig Potenzial nach oben besitzt. Der Einsatz der Hände, seine Stärke, die Fußarbeit oder das Gefühl für Druck – alles ist in Ordnung, aber durch die Bank nicht beeindruckt. Das muss aber nicht negativ sein. Müsste ich eine Sache herausarbeiten, dann ist es Wyplers Quickness. In diesem Bereich sehe ich als überdurchschnittlich gut an.
Schwächen
Wie bereits genannt, sticht Wypler nirgends im besonderen Maße heraus. Für mich schwingt in solchen Fällen immer die „Backup-Gefahr“ mit. Denn oft verschwinden diese rundum soliden Spieler auf weniger „wertvollen“ Positionen in Rotationsrollen. Dazu kommen Wyplers relativ kurzen Arme sowie der Fakt, dass er von der Kollektiv-Stärke der gesamten Offensive Line von Ohio State profitierte.
Fazit zu Luke Wypler
Wypler ist wenig beeindruckend, allerdings mehr als erfahren und sicher. Für mich eine gute Nummer 5 dieser Klasse und ein Pick für die 3. Runde.
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