Am Donnerstagabend kam aus Seattle die Nachricht, dass die Seahawks Kicker Blair Walsh unter Vertrag genommen haben. Richtig – den Blair Walsh, der dem Team aus dem Pacific Northwest im Januar 2016 zum Weiterkommen in den Playoffs verholfen hatte, indem er den vermeintlichen Game Winner für Minnesota links neben die Stangen setzte. In der darauffolgenden Saison, die vor wenigen Tagen zu Ende ging, wurde Walsh von den Vikings nach Week 12 entlassen. Nun findet er sich im Kader der Franchise wieder, deren Weiterkommen er ein Jahr zuvor mit seinem Fehlschuss maßgeblich beeinflusst hatte. Mit Walsh kommt die Frage auf, wie es nun mit Stephen Hauschka weitergeht, der ebenfalls keine einfache Saison hatte.
Im ersten Augenblick hört sich die Geschichte nach einem klassischen Move von Pete Carroll und John Schneider an. Der Head Coach und der General Manager holen den vom Gegner verstoßenen Spieler zu sich, um ihm eine neue Chance zu geben. Betrachtet man aber die Situation in Seattle genauer, lassen sich auch mehrere vernünftige Gründe aufzählen, die die Verpflichtung von Blair Walsh als sinnvoll erscheinen lassen.
- Stephen Hauschka wird Free Agent
Stephen „Steven“ Theodore Hauschka, auch bekannt unter dem Spitznamen HauschMoney, steht seit 2011 bei den Seahawks unter Vertrag. Nach dem Sieg in Super Bowl XLVIII erhielt der Kicker einen mit $9,15 Millionen dotierten Dreijahresvertrag, mit dem er 2016 auf dem 11. Platz seiner Positionsgruppe lag – und damit unter Wert. Denn mit einer Trefferquote (nur Field Goals) von 89,2% war er 2016 trotz vermeintlichen Formtiefs (z.B. Extra Points) immer noch der viertbeste Kicker der NFL (mit mehr als 15 Attempts). Das macht eine Einschätzung der Verhandlungen schwer.
Hauschka könnte seinen Marktwert höher einschätzen als sein aktuelles Gehalt, beispielsweise im Bereich eines Mason Crosby, der $4 Millionen pro Jahr verdient. Hinzu kommt, dass außer dem mittlerweile 42-jährigen Phil Dawson (zuletzt San Francisco 49ers), der schlechtere Werte als Hauschka hatte, kein übermäßig zuverlässiger Kicker Free Agent wird.
Auf der anderen Seite ist unklar, ob Seattle bereit war/ist, Hauschkas auslaufenden Vertrag zu dessen gewünschten Konditionen zu verlängern. Aus Sicht des Teams wäre wohl eine Verringerung des Gehalts das einzige Szenario, das die Zeit des Kickers in Seattle verlängern würde.
- Konkurrenz belebt das Geschäft
„Always Compete“ heißt das Mantra bei den Seahawks seit Jahren. Durch die Verpflichtung von Blair Walsh stehen aktuell zwei Kicker im Seattle-Kader. Noch sind keine genauen Zahlen aus dem Vertrag bekannt, doch es ist nur schwer vorstellbar, dass Carroll und Schneider den Neuzugang nicht einfach ohne Kosten loswerden könnten. Das wiederum würde darauf hindeuten, dass Walsh den Stammplatz als Kicker noch lange nicht sicher hat. Sollte Hauschka bleiben, wäre der Zweikampf vorprogrammiert, sollte Hauschka gehen, könnten die Seahawks in Free Agency oder Draft immer noch aktiv werden. Ein Duell im Camp um den Platz im Team würde die Kandidaten schon vor der Regular Season unter Druck setzen und auf die Probe stellen.
- Blair Walsh kann ein solider Kicker sein
Blickt man ein paar Jahre zurück, dann findet man wenige bis keine Argumente, die gegen die Verpflichtung von Blair Walsh sprechen außer, dass die Vikings ihn wohl nicht einfach so hergegeben hätten. Dann kam der Einbruch im bekannten Wild-Card Game der Saison 2015, von dem sich der Kicker in der abgelaufenen Saison mit vier verfehlten PATs und vier verfehlten Field Goals in neun Spielen nicht mehr erholte. Hier könnte ein Tapetenwechsel den gewünschten Effekt erzielen. Denn Fakt ist, dass Walsh einer der besseren Spieler seiner Zunft ist und die Probleme wohl – wie so oft – im mentalen Bereich liegen. In neuer Umgebung hat er nun die Chance auf einen Neustart. Sollte dieser gelingen, sind Stats wie die aus der Saison 2012 möglich, als Walsh als Liga-Neuling in den Pro Bowl sowie ins First-Team All-Pro gewählt wurde und auf folgende Werte kam:
Auf die Rookie-Saison folgten ein solides Jahr 2013, ein durchwachsenes 2014 und ein wiederum starkes Jahr 2015, das mit dem Miss in der Wild-Card Round endete. Wie es weiterging, ist bekannt. Übrigens hatte Stephen Hauschka in der Vergangenheit auch schon ein schwaches Jahr: 2014 verwandelte er nur 83,8% seiner Field Goals.
Am 9. März um 22 Uhr deutscher Zeit beginnt das neue Liga-Jahr – Free Agency. Erst dann werden wir erfahren, wie es mit Stephen Hauschka und den Seattle Seahawks weitergeht. Ins Aus hat er sich zwar nicht gekickt, doch bei den Seahawks ist eine Gehaltserhöhung unrealistisch. Sollte der Kicker den ungeschriebenen Gesetzen des Geschäfts folgen, wird er diese andernorts suchen. Ein Freifahrtschein für Blair Walsh in Seattle darf das dann aber nicht sein.