Er erfand Black Santa, weil er eine Alternative zum weißen Weihnachtsmann suchte. Er ist die Säule der Verteidigung, obwohl seine Schulterpads kaum den Namen verdient haben. Er feiert seine Sacks mit einer verruchten Hüftbewegung. Er ist ein Spieler, der gerne seine Meinung kundtut und damit aneckt. Michael Bennett sorgt dafür, dass es im Pacific Northwest nie langweilig wird. Wir stellen den Verteidiger der Seattle Seahawks in einer dreiteiligen Serie vor – als Aktivisten und Profi-Sportler. Heute: Der Athlet.
High School
Wie bei einem Großteil der heutigen Sportstars zeichnete sich auch bei Michael Bennett früh ab, dass er eine Sportskanone ist. Neben American Football spielte er Baseball für die Alief Taylor High School in Houston, Texas und war Leichtathlet (Laufen und Diskus werfen). In seinem letzten Schuljahr wurde er nach 110 Tackles und vier Sacks ins First-Team All-District berufen. Er hatte seine Position in der Defensive Line gefunden.
College
Bennett besuchte anschließend von 2005 bis 2008 die Texas A&M University. Dort spielte er mit seinem Bruder Martellus Bennett (Green Bay Packers) und gegen Ende seiner College-Zeit auch mit Von Miller (Denver Broncos) zusammen. Alle drei haben mittlerweile den Super Bowl gewonnen, Michael Bennett mit den Seattle Seahawks, sein Bruder mit den New England Patriots und Von Miller mit den Denver Broncos.
In seinem ersten Jahr am College spielte Bennett in allen elf Spielen, in vier davon als Starter, und brachte es auf 23 Tackles und 3,5 Sacks. In seinem zweiten Jahr konnte er die gute Leistungen mit 27 Tackles und zwei Sacks bestätigen. In der dritten Saison für die Aggies legte er 43 Tackles und einen Sack nach und wurde dafür unter die besten Defensive Ends der Big 12-Conference gewählt. In seiner letzten College-Saison erreichte Bennett die Werte aus den Vorjahren nicht, was seinen Draft-Chancen zusetzte.
NFL
Der NFL Draft 2009 sollte Bennetts Tor zur NFL werden, allerdings wurde er – wahrscheinlich wegen schwankender Leistungen vor allem in der Senior-Saison – von keinem Team ausgewählt. Ein Umweg musste sein. Als Undrafted Free Agent landete er im erweiterten Kader der Seattle Seahawks. Für Bennett war das zusätzliche Motivation, er startete im Training Camp durch und brachte es in der Preseason 2009 auf neun Tackles, zwei Sacks, einen eroberten Fumble und einen abgewehrten Pass. Das wurde belohnt: Bennett schaffte am Ende der Vorbereitung den Sprung in den 53er-Kader.
Im Oktober 2009 jedoch folgte der Rückschlag. Die Seahawks benötigten einen Kaderplatz, um Offensive Tackle Kyle Williams aus der Trainingsmannschaft in den aktiven Kader zu holen. Bennett musste weichen. Nur zwei Tage später aber verpflichteten ihn die Tampa Bay Buccaneers als Ersatz für den verletzten Defensive Tackle Gerald McCoy. Bennett schaffe den Druchbruch. Nach der Saison 2012, der erfolgreichsten in der Karriere des Defensive Ends (41 Tackles, 9 Sacks, 3 erzwungene Fumbles) lief Bennetts Vertrag aus.
In der Free Agency 2013 verpflichteten die Seahawks Bennett erneut, zunächst aber nur für ein Jahr mit einem Gehalt von 4,5 Millionen Dollar. In der Saison, die mit dem Triumph der Seahawks in Super Bowl XLVIII in New Jersey endete, war Bennett einer der Schlüsselspieler in der Defensive. Die Seahawks-Verantwortlichen zögerten anschließend nicht lange und verlängerten den Vertrag mit Bennett einen Tag vor Beginn der Free Agency 2014 um vier Jahre. Das üppige Gehalt: 28,5 Millionen Dollar, davon 16 Millionen garantiert.
Bennett hatte es geschafft vom im Draft nicht ausgewählten zum topbezahlten Super Bowl-Champion.
Ein Jahr später stand Bennett mit den Seahawks erneut im Super Bowl, der zweite Titel blieb ihm und seinen Teamkollegen aber verwehrt. In der Saison 2015 spielte Bennett erneut stark. Er stellte mit 52 Tackles, zehn Sacks und zwei erzwungenen Fumbles neue Karriere-Bestwerte auf und wurde erstmals zum Pro Bowl nach Hawaii eingeladen. In Honolulu wurde er zum MVP der Defense gewählt, Teamkollege Russell Wilson zum besten Spieler der Offense.
Während der Saison 2016, die für Bennett erneut mit dem Pro Bowl endete, verlängerte der Star-Verteidiger seinen Vertrag bei den Seahawks erneut um drei Jahre bis 2020 und steigerte sein Gehalt auf 31,5 Millionen Dollar, davon 17,5 Millionen garantiert.
Michael Bennett ist ein etablierter Defensive End in der NFL, er gehört zu den Stars der Liga, wird von Gegenspielern und Mitspielern geschätzt. Er ist am Ziel angekommen und sieht sich in der Position, positiv auf die Leben anderer Menschen einzuwirken, nachdem er über viele Jahre hinweg seinen Weg gegangen ist. Er tut das als Aktivist, wie im ersten Teil dieser Serie beschrieben. Er ist aber nicht der erste Athlet, der in der Geschichte des Sports gegen Rassismus protestiert hat. Augenblicke, in denen sportliche Konkurrenten gemeinsam für eine Sache einstehen, gab ist in der Vergangenheit schon häufiger.
Proteste bei den Olympischen Spielen
Bei den Olympischen Sommerspielen 1968 in Mexiko-Stadt kam es erstmals zu medienwirksamen Protesten gegen Rassismus im Sport. Der afroamerikanische Sprinter Tommie Smith gewann mit einem neuen Weltrekord von 19,83 Sekunden Gold über die 200 Meter der Männer. Sein Konkurrent und afroamerikanischer Landsmann John Carlos lief auf Platz drei. Bei der Siegerehrung senkten beide ihre Köpfe und streckten jeweils eine schwarz behandschuhte Faust in die Luft. Der Grund, warum beide unterschiedliche Hände nutzten: Carlos hatte seine Handschuhe vergessen und teilte sich ein Paar mit Smith. Der zweitplatzierte Australier Peter Norman protestierte zwar nicht, galt aber dennoch als Gegner der rassistischen „White Australia Policy“ in seinem Land. Er trug, wie Smith und Carlos, einen Anstecker des „Olympischen Projekts für Menschenrechte“. Smith sagte im Anschluss über den Protest: „Wenn ich siege, bin ich Amerikaner, kein schwarzer Amerikaner. Aber wenn ich etwas schlechtes mache, sagen sie, ich sei ein Neger. Wir sind schwarz und wir sind stolz darauf. Das schwarze Amerika versteht, was wir heute gemacht haben.“
In der Folge ihres Protestes wurden Smith und Carlos vom Publikum ausgebuht und auf Druck des Internationalen Olympischen Komitees (IOC) von der US-amerikanischen Leichtathletikmannschaft ausgeschlossen. Das IOC bezeichnete ihr Verhalten als „willentlichen und gewaltsamen Bruch der fundamentalen Prinzipien der olympischen Idee“. Der damalige IOC-Präsident Avery Brundage stufte ihr Verhalten als eine inländische politische Demonstration ein, ungeeignet für die internationale und apolitische Idee der Olympischen Spiele.
In seiner Autobiographie schrieb Smith, die „Black Power“-Geste sei eine Botschaft für die allgemeinen Menschenrechte gewesen. Das IOC sagt zu dem Protest heute: „Tommie Smith und John Carlos protestierten still [..] gegen die Behandlung der schwarzen Amerikaner.“
Nach ihrer Rückkehr in die USA erhielten Smith und Carlos sowie ihre Familien immer wieder Morddrohungen und waren Ziel von Anfeindungen. Trotz allen Gegenwinds drehten Smith und Carlos dem Sport und der Öffentlichkeit nicht den Rücken zu: Smith spielte anschließend für die Cincinnati Bengals in der NFL und ist heute Mitglied der Leichtathletik-Hall of Fame. Carlos fand ebenfalls den Weg in die NFL, er landete bei den Philadelphia Eagles. 1984 war Carlos als Teil des Organisationskomitees für die Olympischen Spiele in Los Angeles dafür verantwortlich, eine Akzeptanz für die schwarze Bevölkerung bei den Spielen zu schaffen.
Proteste in der NBA
Im Juli 2016, noch bevor Colin Kaepernick den Protest in die NFL brachte, waren es die NBA-Spieler LeBron James (Cleveland Cavaliers), Carmelo Anthony (damals New York Knicks), Dwyane Wade (damals Chicago Bulls) und Chris Paul (damals L.A. Clippers), die bei den ESPY Awards (ESPN-Auszeichnung für herausragende sportliche und sportbezogene Leistungen) vor großem Publikum sagten, dass die Gesellschaft in Amerika gebrochen sei. Auslöser hierfür waren die durch Polizeigewalt verursachten Todesfälle von Alton Sterling und Philando Castile, auf die sich auch Michael Bennett immer wieder bezieht.
Als es zum Saisonstart der NFL-Spielzeit 2016 zu Protesten von Kaepernick kam, schrillten bei den NBA-Verantwortlichen die Alarmglocken: NBA-Commissioner Adam Silver und NBPA-Geschäftsführerin Michele Roberts (NBPA: Spielergewerkschaft der NBA-Profis) schrieben einen Brief an alle Spieler und erinnerten sie daran, nur „sinnvolle Aktionen“ durchzuführen. Die NBA-Regularien verbieten im Gegensatz zur denen der NFL das Knien oder Sitzen während der Nationalhymne.
Vor dem Saisonstart hatte Steve Kerr, der Coach der Golden State Warriors, noch mit Protesten in der NBA gerechnet: „Die Jungs haben eine Stimme. Ich bin dafür, dass Menschen gegen Ungerechtigkeit öffentlich Stellung beziehen, solange es friedlich bleibt. Ich denke, dass Colin [Kaepernick] seine Botschaft in den vergangenen Wochen mehr als klar gemacht hat. Hier geht es um friedlichen Protest. Ich denke, dass so etwas auch in der NBA passieren wird.“ Doch bis heute blieben Proteste ähnlich derer in der NFL aus.
Proteste in der NFL
Die National Football League kämpft auch in dieser Saison mit sinkenden Zuschauerquoten. 2016 hing dies laut Experten mit dem US-Präsidentschaftswahlkampf zusammen. 2017 sind diese wohl zum Teil auch auf die Proteste zurückzuführen. Viele Fans kommen in die Arenen, um sich vom Alltag abzulenken und berieseln zu lassen. Das ist ihr gutes Recht. Doch genauso ist es das Recht der Spieler, sich auf großer Bühne öffentlichkeitswirksam politisch zu positionieren.
In einem Brief an die Spieler schrieb NFL-Commissioner Rodger Goodell im Oktober 2017, dass er erwäge, ebenfalls eine Regel einzuführen, die besagt, dass die Spieler während der Hymne stehen müssen. Nach einem Treffen der 32 Klubbesitzer mit Ligavertretern und einigen Spielern, darunter auch Michael Bennett, zwischen Woche 6 und 7 der aktuellen Saison sagte ein Sprecher der NFL, dass diese Regel vorerst nicht beschlossen wurde. Die Liga entschied sich also gegen eine klare Definition ihrer Regel und bleibt bei einer schwammigen Empfehlung, wie Spieler sich während der Hymne verhalten sollten. Donald Trump äußerte sich umgehend via Twitter zu dieser Entscheidung und bezeichnete sie als „Respektlosigkeit gegenüber unserem großartigen Land“.
Im Regelwerk der NFL heißt es übrigens auch, dass ein Verhalten entgegen der Empfehlung zu Strafen führen könne. Bislang wurde jedoch kein protestierender Spieler von der Liga belangt, auch Michael Bennett nicht. Die NFL wird weiterhin die Bühne von Michael Bennett sein, als Spieler wie als Aktivist. Durch seine konstant guten Leistungen und das Überwinden von Rückschlägen in seiner Karriere hat er sich eine Position erarbeitet, aus der heraus seinen Worten Gehör geschenkt und Gewicht verliehen wird.
Das führt zum abschließenden Teil der Serie über Michael Bennett. Thema des nächsten Beitrags werden die Vorfälle um Michael Bennett im August 2017 in Las Vegas, die von ihm erhobenen Anschuldigungen sowie die Vorwürfe gegen ihn sein.