Rivalität in der NFL kann etwas großartiges sein. Sie gibt Spielen einen besonderen Reiz, macht aus auf dem Papier klaren Angelegenheiten enge Abwehrschlachten, macht aus belanglosen Begegnungen hitzige Aufeinandertreffen. In der NFC West haben wir Spiele dieser Art in den vergangenen Jahren vielfach erleben dürfen. Wir, das sind deutsche Fangruppierungen der Arizona Cardinals, Los Angeles Rams, San Francisco 49ers und Seattle Seahawks. Für eine gemeinsame Saisonvorschau haben wir die Rivalität beiseite gelassen und gemeinsam die wichtigsten Fragen zu unseren Lieblingsteams beantwortet. Das Ergebnis lest Ihr aufgeteilt in drei Blöcke auf unseren Plattformen. Und keine Sorge, zu den NFC-West-Duellen haben wir dann sicher wieder den ein oder anderen Spruch auf Lager. Fair in der Sache und frech in der Formulierung. In diesem Sinne: Möge das beste Team gewinnen!
Block 1 zu Offseason-Headlines und Spielern
Block 2:
3) Wie schätzt ihr die NFC West und ihre vier Teams ein – im Vergleich untereinander und mit den anderen Divisions?
Die Seahawks werden zurecht als Favorit auf den Gewinn der Division angesehen. Sie haben bis auf ein paar Ausnahmen ein echt starkes Team und besonders die Defense, wo Schlüsselspieler schon über mehrere Jahre zusammenspielen konnten, ist beeindruckend. Dass nun auch noch DE Sheldon Richardson bei den Seahawks landet, hätte aus meiner Sicht echt nicht sein müssen. Offensiv hat man seit dem Glücksgriff in Runde 3 mit Russell Wilson einen Franchise QB, der auch mal ein Spiel alleine entscheiden kann. Dafür muss er aber fit bleiben, was mit der schlechten O-Line alles andere als sicher ist. Als chancenlos würde ich die Cardinals trotz der Stärke der Seahawks allerdings nicht bezeichnen. Ein Team mit einem guten Mix aus jungen Talenten und erfahrenen Veteranen, das an einem guten Tag jeden Gegner schlagen kann. Damit es allerdings zum Gewinn der Division reicht, muss bei den Cardinals vieles richtig laufen. Die O-Line muss QB Palmer besser schützen als noch 2016 – dazu muss auch das Playcalling besser werden. Defensiv muss man diverse Abgänge kompensieren und wichtige Spieler wie Tyrann Mathieu, John Brown oder Jared Veldheer müssen die Saison gesund überstehen. Schafft man es an 2015 anzuknüpfen, kann man den Seahawks ernsthafte Konkurrenz machen. Zwischen den Seahawks, gefolgt von den Cardinals, und den anderen beiden Teams, besteht momentan eine grössere Lücke. Die San Francisco und die Los Angeles Rams sind auch in einer ähnlichen Situation. Beide haben schlechte Saisons durchleben müssen, sind im sogenannten «Rebuild Mode», haben neue Coaches angestellt und sind auf der Suche nach einem Franchise Quarterback. Wobei die Rams mit Jared Goff schon einen gedraftet haben, dieser konnte den Erwartungen bis anhin aber noch nicht gerecht werden. Trotzdem schätze ich die Rams, wo doch auch talentierte Spieler zu finden sind, etwas stärker ein als die 49ers, denn bei denen mangelt es an allen Ecken und Enden. Aber auch dort besteht Grund zur Hoffnung, der neue GM Lynch konnte bisher überzeugen und scheint zu wissen was er tut. Wie rasch sich die Rams und 49ers verbessern, ist schwer zu sagen und hängt natürlich sehr davon ab, ob Goff zum Franchise QB wird oder wie schnell ein anderer solcher von den jeweiligen Teams gefunden wird. Mindestens für dieses Jahr sehe ich aber beide wieder auf den hinteren Rängen der NFC West. Im Vergleich mit anderen Divisions hat die NFC West in den vergangenen Jahren klar abgegeben, besonders letzte Saison. Der «Niedergang» der 49ers, die Rams, die nicht einmal mehr jedes Jahr 8-8 gehen, die Cardinals mit alternden Schlüsselspielern und einer schlechten 2016 Saison und selbst die Seahawks waren schon mal besser…
Die Seahawks werden wie in den vergangenen Jahren oben in der Tabelle stehen. Wilson und die Defense sind einfach so stark, dass mich alles unter 10-6 als Rekord schon sehr wundern würde. Auf Platz zwei sehe ich, leider, noch die Cardinals vor uns. Noch ist die Defense stark und Palmer ok, aber die Cardinals werden, verglichen mit vor 2-3 Jahren, immer schwächer. Wenn sie nicht bald Ersatz für Fitzgerald und Palmer finden, geht es ganz schnell nach unten. Auf Platz drei sehen ich die Rams mit 7-9 bis 9-7, irgendwo werden sie stehen. Die Rams sind ein ziemlich junges Team und müssen sich auch unter dem neuen Staff erst einmal finden. In den nächsten Jahren sollte es aber nach oben gehen. Auf dem letzten Platz wäre es ein Wunder, wenn dort nicht die 49ers stehen. Diese sind komplett im Umbruch und haben aktuell nicht viel zu bieten. Bei denen dauert es wohl noch mindestens drei Jahre bis die Fans wieder etwas zu feiern haben. Als Division sind sie im oberen Mittelfeld einzuordnen. Stärker würde ich nur die AFC West, NFC East und NFC South einschätzen, da deren schwächstes Team nur bei ca. 6-10 steht. Bei uns waren die 49ers und Rams grottig, was diese Divisions nicht haben. Trotzdem sind die Cardinals und vor allem die Seahawks auf einem starken Niveau, weshalb sie fast konstant in den letzten Jahren die Playoffs erreichten. Eben das, zwei Teams in den Playoffs und das für mehrere Jahre, kann sonst keine Divison, außer die oben genannten, vorweisen. In der Vergangenheit waren wir die stärkste Division und das können wir in den kommenden Jahren auch wieder werden, wenn die Rams und 49ers mal eine Schippe drauflegen. ;)
Die NFC West ist sicherlich nicht mehr die Division, die es vor ein paar Jahren noch gewesen ist. Dazu hat auch der steile Abstieg der 49ers beigetragen, der dazu führte, dass die Seahawks und die Cardinals den Division-Titel in den letzten drei Jahren unter sich ausmachten. Die Rams haben seit Jahren einen ordentlichen Kader, finden aber keinen Weg, den aktuell besten Teams der Divison, Seattle und Arizona, gefährlich zu werden. Auch Arizona scheint von Saison zu Saison ungefährlicher zu werden, sodass die Seahawks das einzige Team sind, welches echte Super Bowl-Ambitionen verfolgt. In dieser Saison wird es wohl nicht anders aussehen, abhängend davon, wie sich die Cardinals schlagen. Wenn Fitzgerald, Palmer & Co. noch eine Saison im Köcher haben, könnten sie noch einmal angreifen. Wenn nicht – dann könnte es für Seattle zumindest in der eigenen Division ziemlich „leicht“ werden. Für die Rams und die 49ers wird es wohl nur um den undankbaren 3. Platz gehen, natürlich sind aber auch beide Teams, die einen Headcoach haben, nicht zu unterschätzen und sicherlich für die ein oder andere Überraschung gut. Geprägt ist die Divison von den starken Defensive-Lines, weshalb es die QBs der Teams nicht einfach haben werden – auch bei einem Blick auf die jeweiligen Offensive-Lines. Eine große Spannung verspricht die NFC West in diesem Jahr wohl nicht – aber man wird sehen, ob vielleicht in der Zukunft die gute, alte NFC West zu alter Stärke zurückfindet.
Die NFC West ist nicht mehr das Powerhouse, das sie Jahr 2012 oder 2013 noch war. In der NFC ist vor allem die East das Maß der Dinge. Dennoch wird es gegen die Mannschaften aus dem Westen für kein Team einfache Siege geben. Die St. Louis Rams haben vergangenes Jahr gezeigt, dass sie Seattle und Arizona schlagen können. Dem neuen Head Coach Sean McVay ist zuzutrauen, dass er seinen QB-Schützling Jared Goff weiterentwickelt und bereits in dieser Saison Erfolge zu sehen sein werden. Dafür haben die Rams mit Watkins, Goodwin sowie den Rookies Kupp (WR) und Everett (TE) neue Anspielstationen verpflichtet. Die Defense wird durch den neuen Defensive Coordinator Wade Phillips nicht schlechter. Auch die San Francisco 49ers sind mit ihrer neuen Führung auf einen guten Weg zurück in bessere Zeiten. Mit Thomas und Foster haben sie zwei recht fertige Spieler für die Defense geholt, die sofort Einfluss haben können. Die Offense hingegen könnte zur Wundertüte werden. Trotz Fortschritten sowohl bei den Rams als auch bei den 49ers – Platz eins in der Division werden die Arizona Cardinals und die Seattle Seahawks ausspielen. Bei der aktuellen Generation der Cardinals könnte es der letzte Run auf den Super Bowl sein. Carson Palmer und Larry Fitzgerald haben ihren Zenit überschritten und auch um Head Coach Bruce Arians gibt es immer wieder Gerüchte, dass er in seine letzte Saison geht. Knackpunkt bei Arizona ist 2017 die Verteidigung. In der Free Agency verloren die Cardinals 4.974 gespielte Defense-Snaps. Vor allem die Abgänge von Campbell, Jefferson, Hinter und Swearinger fallen ins Gewicht. Ob die jungen Spieler wie Nkemdiche, Reddick und Baker sofort die Lücke schließen können?
4) An welche drei Spieler habt ihr besondere Erwartungen im Hinblick auf die kommende Saison?
«Super Bowl or bust» ist das beliebte Motto für Teams, die sich berechtigte Hoffnungen auf die Lombardi Trophy machen dürfen. Das gilt auch für die aktuelle Version der Arizona Cardinals. Dass es zum Super Bowl reicht, ist logischerweise eher unwahrscheinlich und 31 Teams werden als Verlierer nach Hause gehen. Deshalb sollte man dieses Motto nicht allzu ernst nehmen, klar ist der Super Bowl das Ziel, aber auch wenn man ihn nicht gewinnt, kann es eine erfolgreiche Saison gewesen sein. Dies wäre für die Cardinals mit einer überzeugenden Qualifikation für die Playoffs, via Divisionsieg oder Wild Card, der Fall. Dort gilt es dann, das letzte Playoff Spiel vergessen zu machen und wie weit man dann Richtung Super Bowl vorstossen kann, wird man dann sehen.
Ich denke, dass es schwer ist, diese Frage klar zu beantworten, da sehr viele Faktoren die Saison beeinflussen und sich der Standpunkt bezüglich erfolgreich oder nicht erfolgreich im Laufe der Saison verändern kann. Sollten zum Beispiel alle Spieler die Saison verletzungsfrei überstehen, dann wäre für mich alles ab 8-8 erfolgreich. Verletzen sich aber mehrere Stammspieler und junge Backups bekommen deswegen mehr Einsatzzeit und schlagen sich ganz gut/schaffen den Durchbruch, dann ist ein 6-10 ein Erfolg, da man umso besser für die kommende Saison gewappnet ist. Sollten die Rams mit 7-0 starten (ich weiß, ist SEHR unwahrscheinlich) aber mit 7-9 oder 8-8 die Saison beenden, wäre ich extrem unzufrieden. Wie ihr schon merkt, tue ich mich hier sehr schwer, aber ich sage jetzt einfach mal, dass für mich diese Saison ein Erfolg ist, wenn Goff sich kontinuierlich verbessert und gute Leistungen abruft. Sollte der Rekord dann auch mindestens 7-9 sein, ist alles gut.
Die San Francisco 49ers beendeten die letzte Saison mit einem Record von 2-14 – ein viel schlechteres Ergebnis ist kaum möglich, weshalb es nicht viel benötigt, um die nächste Saison zumindest erfolgreicher als die letzte abzuschließen. Und auch sonst scheint es, als brauche es nicht viel, um die Fans der 49ers zufriedenzustellen. Es ist nahezu allen bewusst, dass das Projekt Shanahan/Lynch auf mehrere Jahre ausgelegt ist, und die Rückkehr an die Spitze der NFL, die sicherlich das Ziel aller Franchises ist, nicht auf Anhieb gelingen kann. Trotzdem wäre es sicherlich von Vorteil, wenn man einen Fortschritt zur Vorsaison erkennen kann – und dazu gehört u.a. die Run-Defense, die im Durchschnitt über 160y rush yards pro Spiel zuließ. Die vielen neuen und vor allem jungen Spieler der 49ers müssen sich erst mal zurecht finden, und das System von HC Kyle Shanahan verstehen und adaptieren. Wie viele Siege es benötigt, um von einer erfolgreichen Saison zu sprechen, ist nicht eindeutig zu definieren. Es wäre schon ein Fortschritt, wenn man den Großteil der Spiele zumindest so gestalten kann, dass man bis zum Ende eine Siegchance besitzt – das war in den letzten Jahren selten der Fall. Um von einer „erfolgreichen“ Saison zu sprechen, braucht es wohl vor allem vielversprechende Leistungen der jungen Stars, Solomon Thomas, Reuben Foster und DeForest Buckner, die die Zukunft der 49ers verkörpern. Zeigen diese Spieler ansprechende Leistungen und lässt sich durch Shanahan und Lynch eine Verbesserung der Gesamtsituation wahrnehmen, kann man an der Westküste wohl von einer erfolgreichen Saison sprechen.
Natürlich ist auch 2017 wieder der Super Bowl das große Ziel der Seattle Seahawks – und mit dem vorhandenen Kader ist eine Teilnahme am Endspiel in Minneapolis Anfang Februar durchaus im Bereich des Möglichen. Trotzdem wäre es falsch, eine Saison nur dann als erfolgreich zu bezeichnen, wenn das Team den Super Bowl erreicht oder gar gewinnt. Dieses Erfolgsdenken bringt vor allem eines: Enttäuschung. Das primäre Ziel der Seahawks muss sein, die NFC West zu gewinnen und dadurch mindestens ein Heimspiel in den Playoffs zu haben. Ob es mit elf Siegen, die beim Blick auf den Spielplan durchaus realistisch sind, für eine Bye Week oder sogar die Home-Field Advantage für die gesamten Playoffs reicht, wird sich zeigen. Kurz gesagt: Das Ziel und der Anspruch in Seattle ist der Gewinn der NFC West. Mit Heimspielen in den Playoffs ist anschließend alles drin. Untergeordnete Ziele, die Teil des großen Ganzen sind, sind schnell formuliert: Die O-Line der Seahawks sollte schneller ihren Rhythmus finden als in den vergangenen drei Jahren. Tight End Jimmy Graham sollte vor allem in der Redzone besser ins Passspiel der Seahawks eingebunden sein. Das Laufspiel der Seahawks muss zurück zu alter Stärke finden, was wiederum abhängig ist von der Leistung der O-Line und der Gesundheit Russell Wilsons. Funktionieren all diese Dinge von Woche 1 an und bleibt Seattle von Verletzungen bei Schlüsselspielern verschont (2016: Russell Wilson, Earl Thomas, Richard Sherman, Kam Chancellor, Tyler Lockett), kommt der Erfolg fast automatisch. Dann ist mit den Seahawks zu rechnen.