Oklahoma Drill: Wild Wild Wilson

Oklahoma Drill Russell Wilson

Russell Wilson, der Social-Media-Mogul, Online-Erotiker und Twitter-Titan unter den NFL-Profis, bezieht Stellung nach einer Welle der Kritik in den vergangenen Tagen. Exklusiv bei den German Sea Hawkers äußert sich der Quarterback der Seattle Seahawks zum Vorwurf, er lenke mit seiner O-Line-Nörgelei von eigenen Fehlern ab. Nach mehreren öffentlichen Auftritten rund um den Super Bowl gibt’s jetzt Klartext!

In der WhatsApp-Gruppe der GSH-Redaktion waren die Wilson-Äußerungen tagelang Gesprächsthema Nummer eins. Ein fast gar zu homogenes Meinungsspektrum gab den Anstoß für eine neue Ausgabe des redaktionellen Streitgesprächs – in der Wilson selbst Kontra gibt. Der „Oklahoma Drill“ ist mit seiner dritten Ausgabe zurück. Diesmal haben die GSH-Redakteure und Russell Wilson über die öffentliche Darstellung des Seahawks-Quarterbacks diskutiert. Irgendwie ist die Sache dann aber mehr in ein Frage-Antwort-Spiel ausgeartet.

Max L.: Herr Wilson, Sie lenkten in den vergangenen Wochen primär durch Wortmeldungen die Aufmerksamkeit auf sich. Sollte ein Quarterback nicht eher Taten sprechen lassen?

Wilson:

Max L.: Ich verstehe, Sie reden gerne. Und Sie haben recht, in der Offseason ist das Spielen ja auch eher schwierig realisierbar. Reden ist toll. Communication is key. Kommunikation ist der Schlüssel zum Erfolg. Das sage ich als jemand aus einem Kommunikationsberuf. Als jemand, der die zähe Kommunikation in so manch einer Redaktion kennengelernt hat. Dialog ist wichtig, viel reden hilft. Zu viel reden aber dann auch wieder nicht. Nun könnte man eben sagen, dass Sie mit ihrem Gejammer in Podcasts und Presserunden – entschuldigen Sie die Wortwahl – eine ziemliche Show abziehen im Moment, oder etwa nicht?

Wilson:

Max L.: Kommt da noch was? Mehr sagen Sie dazu nicht? Auf einmal ganz wortkarg? Na gut, nähern wir uns dem Thema doch mal anders, um Sie wieder zum Reden zu bringen. Ihre Auftritte legen nahe, dass Sie sich auch in gewisser Weise als Entertainer sehen. Ist das eines ihrer vielen Talente?

Wilson: 

Max L.: Ich habe Ihr zweites Ich tatsächlich auch bemerkt. Sie sind vom ständig „Go Hawks“ sagenden Roboter-Russell zum unlimitierten Wunder-Wilson geworden. Aber wir sind ja heute nicht hier, um über Ihre Stärken zu sprechen, sondern über Schwächen. Steht diesem „Unlimited“-Image nicht im Wege, dass Sie zuletzt vermehrt ziemlich limitiert spielten? Sie werden wohl kaum widersprechen in Bezug auf die zweite Saisonhälfte 2020 und beispielsweise Ihre wilde Interception-Serie. Was war da denn los?

Wilson: 

Max L.: Uff, okay. Cringe… So extrem wollte ich es nicht ausdrücken, aber wenn Sie selbst zur Fäkalsprache greifen und diesen Vergleich ziehen, dann lassen wir das gerne so stehen. Danke für die ehrliche Antwort, diese Offenheit erlebe ich in Interviews nicht oft. Und ja, das stimmt, ein paar Ihrer Würfe schossen wirklich durch die Gegend wie Diarrhö. Das klappte in der Vergangenheit – zuletzt in der ersten Saisonhälfte 2020 – schon deutlich besser.

Wilson:

Max L.: Ja, an diese Zeiten erinnert man sich gerne. Aber die Fans leben nicht in der Vergangenheit – auf keinen Fall, niemals, never. Was muss denn passieren, damit wir diesen Russell Wilson in Zukunft über 17 Regular-Season-Spiele (2021 wird wohl aufgestockt) und mindestens drei Postseason-Partien sehen?

Wilson:

Max L.: Aaah, Sie wollen kochen. Habe ich irgendwie in der Offseason 2020 schon einmal gehört. Oder einige Male. Oder ganz, ganz, ganz oft. Reden wir Tacheles: Sie durften 2020 kochen. Nicht nur als es gut lief zu Beginn, sondern auch später, als es nicht mehr gut lief. Tun wir mal bitte nicht so, als hätte Ihr Cheftrainer Pete Carroll Ihnen nach ein paar heftigen Böcken den Ball aus der Hand gerissen. Wie wollen Sie vermeiden, dass es 2021 wieder zu solch einem krassen Einbruch kommt?

Wilson:

Max L.: Mit Verlaub, Herr Wilson, das ist mir eine zu allgemeine Antwort, Sie weichen aus. Wir sind doch nicht beim Fußball. Woran hat’s denn nun wirklich jelegen? Ist Ihr Team einfach zu schlecht? Kann man mit diesem Kader einfach keinen Super Bowl gewinnen?

Wilson:

Max L.: Es ist schön, dass Sie sich vor Ihre Mannschaft stellen. So geht Leadership. Die Fehlersuche muss dennoch weitergehen. Ich konkretisiere meine Frage: Liegt’s an Ihrer Offensive Line? Zugegeben, Left Tackle Duane Brown ist ganz schön in die Jahre gekommen.

Wilson:

Max L.: Es ehrt Sie, dass Sie alle Kritik an Ihren Beschützern abblocken. Germain Ifedi muss stolz auf Sie sein. Wirklich weiter bringt uns das dennoch nicht. Was war denn dann das Problem? Wer denn dann? Warum dann das ganze Theater? Ich verstehe nicht. Wollten Sie einfach für Aufruhr sorgen? Waren Sie einfach nur mies drauf, weil Sie beim Super Bowl nur zuschauen durften und Ihnen NFL-Boss Roger Goodell und Ihre Frau Ciara von beiden Seiten die Ohren vollgequasselt haben?

Wilson: 

Max L.: Aha, an Ihrer Queen Ciara scheint es also nicht zu liegen. Da ist wohl Friede, Freude, Eierkuchen. Darf ich aus dieser Antwort deuten, dass Sie sich also einfach gerne ins Haifischbecken begeben – aus reiner Langeweile und um von eigenen Verfehlungen abzulenken? Mutig!

Wilson: 

Max L.: Und was heißt das nun für die kommende Saison? Für Ihre Beziehung zu Pete Carroll und Ihren Mitspielern? Für die Trade-Gerüchte? Alles in Butter? Sie wollten auch ein Stück vom Aufmerksamkeitskuchen – in den Tagen, in denen die ganze Football-Welt auf Patrick Mahomes und Tom Brady blickte? Wie fühlte sich das an? Alle Aufregung war umsonst? Also bleiben Sie bei den Seahawks? Wirklich? Echt jetzt? Kein Witz? Ich habe so viele Fragen!

Wilson:

Max L.: Diese Antwort wird für Erleichterung bei unserer Leserschaft sorgen, glauben Sie mir. Ich gehe davon aus, dass nicht nur mir bei diesem Anblick ganz warm ums Herz wird, Herr Wilson. Sie sehen in Marineblau immer noch verdammt gut aus. Wenn ich das mal so unverblümt sagen darf. Dann werden Sie also nun in der Offseason direkt mit der Arbeit an Ihren Schwächen – Sack-Sammelei und Körpergröße – arbeiten, damit Sie Ihre Pocket Awareness in der kommenden Saison wie im Schlaf beherrschen?

Wilson:

Max L.: Nee, so war das nicht gemeint. Was ist aus „No Time To Sleep“ geworden, Herr Wilson?

Wilson:

Max L.: Ach sooo, na dann! Ein neues Motto. Das scheint mir ein guter Schlusspunkt zu sein. Sie schicken mich ins Reich der Träume – und hoffentlich 2021 dann wieder die Gegner auf dem Spielfeld mit präzisen Schlägen zu Boden.

Dieser Beitrag könnte Spuren von (schlechtem) Humor enthalten.