Nach der zweithöchsten Niederlage in der Pete Carroll-Ära haben die Seahawks mehr als nur eine Wunde zu lecken. Die Baltimore Ravens führten das Team aus Seattle nach allen Regeln der Kunst vor und ließen weder der ohnehin gebeutelten Offensive noch der zuletzt hochgelobten Defensive eine Chance.
Im heimischen Lumen Field empfangen die Seahawks nun ein Team aus Washington, das auf dem Papier vermutlich den schlagbarsten Gegner für die kommenden Wochen darstellt. Anschließend folgen die immer wieder unangenehmen Los Angeles Rams sowie ein absoluter Horror-Schedule in Form von 49ers, Eagles, erneut 49ers und Cowboys. Wollen die Seahawks im Kampf um die Playoffs weiterhin ein Wörtchen mitreden, müssen die Siege vor allem jetzt gesammelt werden. Doch das könnte schwieriger werden, als auf den ersten Blick vermutet.
Die Washington Commanders sind ein Team, das voller Überraschungen steckt. Auf deutliche Niederlagen gegen Schlusslichter wie die Chicago Bears folgen extrem knappe Spiele gegen das NFC-Powerhouse der Philadelphia Eagles oder wie zuletzt ein Sieg gegen die von Bill Belichick trainierten New England Patriots. Bei 2nd year-Quarterback Sam Howell liegen Genie und Wahnsinn mitunter eng beisammen, traumhafter Touchdown und haarsträubende Interception nur einen Drive voneinander entfernt.
Auch Washington macht sich noch Hoffnungen auf die Playoffs, auch wenn ihnen einer der schwersten Rest-Spielpläne der ganzen Liga bevorsteht. Die letzten Wochen haben jedoch gezeigt: In der NFL kann eigentlich alles passieren.
Die Seahawks müssen auf beiden Seiten des Balles deutlich verbessert auftreten um diesem unberechenbaren Team aus Washington die Grenzen aufzuzeigen und mit einem weiteren Sieg den Playoffs ein Stückchen näherzukommen.
Das Spiel:
- Kickoff: Sonntag, 12. November 2023, 22.25 MEZ
- Austragungsort: Lumen Field, WA (Kunstrasen, Freiluft)
- Wettervorhersage: 18 Grad Celsius, Regen
- Schiedsrichter: Alex Kemp
- Empfang: DAZN, NFL GamePass
- Wettprognose: Seahawks -6 (Favorit)
- Hashtag: #SEAvsWAS
Der Injury Report:
Die Hoffnung besteht, dass Guard Anthony Bradford am kommenden Sonntag als einziger Seahawk ausfallen wird. RB Deejay Dallas scheint nicht so schlimm angeschlagen, wie befürchtet; Kenny McIntosh könnte sein Debut geben. LB Jordyn Brooks schlägt sich mit seinem Oberschenkel herum, wird aber wahrscheinlich spielen.
#Seahawks injury report for their Week 10 game vs. Washington. We'll get more details from Pete Carroll after practice: pic.twitter.com/7bw5ffG9ij
— John Boyle (@johnpboyle) November 10, 2023
Die Matchups:
Seahawks-Pass Rush vs. Commanders-QB Sam Howell: Der Pass Rush machte die Saison über einen erstaunlich guten Eindruck. Insbesondere OLB Boye Mafe wurde den Lobpreisungen aus dem Training Camp gerecht und brach im vergangenen Spiel gegen Baltimore einen Franchise-Rekord, indem wer in sechs aufeinanderfolgenden Spielen einen Sack verzeichnen konnte. Zusätzlich gelang es dem jungen Mann aus Minnesota zudem, Lamar Jackson den Ball aus der Hand zu schlagen und so für ein Turnover zu sorgen.
Abgesehen von dieser Aktion blieb der Pass Rush allerdings enttäuschend zahnlos. Der Wegfall von Uchenna Nwosu schmerzt, die Reunion mit DE Frank Clark konnte diese bislang nicht kompensieren. Neuzugang Leonard Williams, den die Seahawks teuer von den New York Giants ertradeten, machte einen guten ersten Eindruck in der Rotation, konnte jedoch ebenfalls noch nicht für Druck auf den Quarterback sorgen. Am Ende standen neun Pressures und besagter Sack von Boye Mafe.
Sam Howell, Quarterback der Washington Commanders ist nun beileibe kein Lamar Jackson, insbesondere was seine Mobilität betrifft. Dennoch bewegt er sich gut in der Pocket, wird den Ball schneller los und lässt sich nicht mehr so oft sacken wie noch zu Beginn der Saison.
Die Patriots konnten ihn vergangene Woche dreimal zu Boden bringen, die Eagles in der Woche zuvor lediglich einmal. Findet Howell durch mangelnden Druck in seinen Rhythmus, kann er gegnerische Defensiven sezieren; mit 2.471 Passing Yards steht er momentan auf Platz 2 der NFL. Die Advanced stats EPA und CPOE sehen ihn im Ligadurchschnitt knapp vor Seahawks-QB Geno Smith.
Die Seahawks sollten alles daran setzen, den jungen Quarterback und seine maximal durchschnittliche Offensive Line unter Druck zu setzen, andernfalls ist es gut möglich, dass Howell mit zu viel Zeit ein weiteres starkes Spiel abliefert. Her sollten die Seahawks auch vor kreativen Lösungen wie Blitzes oder Stunts zurückschrecken
Seahawks-Pass Defense vs. Commanders-Receiving-Corp: Vergangenes Spiel stand vor allem im Zeichen einer kollabierenden Laufverteidigung, die Gus Edwards, Justice Hill und Co. am Boden kaum etwas entgegenzusetzen hatte. Die Commanders haben ihre Stärke eher im Passspiel, auch wenn RB Brian Robinson das ein oder andere Highlight setzen konnte, sollte ihn die Defense gut unter Kontrolle halten können.
Auf Riq Woolen, Devon Witherspoon und Tre Brown kommt eine größere Herausforderung zu. Mit Terry McLaurin haben die Commanders einen der besten Receiver der Liga in ihren Reihen, der insbesondere im Kampf um den Ball seien Stärken hat. Für die Seahawks kommt zudem das Erwachen von Sophomore Jahan Dotson zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Der Receiver von Penn State hatte zu Beginn der Saison immer wieder Probleme mit Drops, zeigt jedoch seit zwei Wochen sein Potential.
Hinzu kommen Slot-Receiver Curtis Samuel, der wieder fit sein sollte und Howell immer wieder als sichere Anspielstation insbesondere in der Redzone diente, sowie der verlässliche Tight End Logan Thomas, der vor allem gegen die Linebacker der Seahawks ein Missmatch darstellen kann.
Besonders auf die Secondary wird es also ankommen, Washingtons vielfältige Gefahren durch die Luft auszuschalten; eine schöne Gelegenheit für Riq Woolen die Vorschusslorbeeren aus seinem Rookie-Jahr mit einer verbesserten Leistung zu untermauern.
Seahawks-QB Geno Smith vs. Commanders-Defense: Geno steht hier stellvertretend für die gesamte offensive Leistung der Seahawks, die bereits seit einigen Wochen eher zu wünschen übrig lässt. Smith selbst spielt beileibe nicht seinen besten Football, übersieht offene Receiver, bewegt sich nicht ideal in der Pocket und hält den Ball zu lange. Dazu gesellen sich teils haarsträubende Interceptions, die wir so aus der letzten Saison nicht gewohnt waren.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass das Playcalling nicht dabei hilft, Geno leichtere Entscheidungen und Würfe zu geben. Das Spiel mit den Tight Ends wurde beinahe eingestellt, obwohl es in den ersten Wochen hervorragend funktionierte. Dazu zählen sowohl kreative Routenkonzepte als auch 12- und 13-personell mit zwei bzw. drei Tight Ends auf dem Feld.
Insbesondere unter Druck sollten die Routen sich nicht so lange entwickeln müssen, sondern für kurze und sichere Completions sorgen. Denn ganz ohne Druck wird Geno gegen Washington nicht davonkommen, auch wenn die beiden Star Pass Rusher Chase Young und Montez Sweat kurz vor der Trade-Deadline das Team verlassen haben. Die Defensive Front führen Jonathan Allen und Daron Payne an, die statistisch etwas unter den Erwartungen zurückblieben, aber dennoch immer eine Gefahr darstellen.
Im Duell der Receiver gegen Washingtons Cornerbacks sollten DK Metcalf, Tyler Lockett und JSN eigentlich die Nase vorn haben. Benjamin St. Juste und Kendall Fuller sind solide Corner, wurden jedoch beide diese Saison schon häufiger geschlagen. Hinzu kommt 1st round-pick Emmanuel Forbes, der einen unglücklichen Start hatte, sich jedoch gegen die Patriots mit einem starken Spiel zurückmeldete. Dennoch sollten sich hier ausreichende Möglichkeiten für die Seahawks-Offensive ergeben.
Der X-Faktor: Genos Rehabilitation
Wie funktioniert die Offense unter QB Geno Smith und OC Shane Waldron? Klickt es wieder oder setzt sich die Talfahrt fort? Werden gar die Rufe nach Drew Lock lauter? Geno hat es in der Hand, alle verstummen zu lassen und seinen Wert mit einer dominanten Leistung zu untermauern.
- Spieler des Spiels: Tyler Lockett lässt Cornerback Emmanuel Forbes alt aussehen. Der 31-jährige Veteran erteilt dem Rookie eine Lehrstunde und sorgt nach einigen ruhigeren Spieler endlich wieder für begeisterte Jubelstürme im Lumen Field. Am Ende werden es 85 Yards und zwei Touchdowns sein.
- Statistik des Spiels: Auch wenn die Commanders in den letzten Jahren weniger erfolgreich waren, gegen die Seahawks sieht ihre Bilanz nach wie vor gut aus. Washington gewann zwei der letzten drei Aufeinandertreffen und führt im ewigen Wettstreit mit 13-9.
- Anekdote des Spiels: Commanders Quarterback Sam Howell musste nach neun Wochen bereits 44 Sacks einstecken. Sollte es in diesem Tempo weitergehen, ist er auf dem besten Wege den All-time-season-record von David Carr aus dem Jahr 2002 einzustellen. Carr wurde ganze 76-mal zu Boden gebracht.
Der Hype-Faktor: Rookie Runningback Kenny McIntosh könnte sein Debut geben!
Seems like we finally might get to see Kenny McIntosh play this weekend.
Seahawks can use all the help they can get after last week. pic.twitter.com/kBmiPyPtsV
— Sami ON Tap (@SamiOnTap) November 8, 2023
Das Fazit:
Nach der enttäuschend deutlichen Niederlage gegen die Baltimore Ravens müssen die Seahawks jetzt zurückschlagen. Das kann nur gelingen wenn alle Mannschaftsteile zu alter Stärke zurückkehren. Insbesondere die Offensive wird nach mehreren enttäuschenden Auftritten einen Schritt in die richtige Richtung machen. Dennoch darf man Washington nicht unterschätzen. Eines der besseren Receiving-Corps der Liga wird es insbesondere der Secondary um NFC-Rookie of the Month Devon Witherspoon nicht leicht machen wollen.
Prognose: Die Seattle Seahawks gewinnen in Week 10 ein enges Spiel mit 20:17 und behalten die Playoffs im Auge.