Abschluss der Preseason. In Week 4 dürfen die Seattle Seahawks nochmals zu Hause im CenturyLink Field ran, ehe es ernst wird. In der Nacht von Donnerstag auf Freitag sind die Oakland Raiders zu Gast und liefern einen kleinen Vorgeschmack auf das Duell ab, das europäische Fans im Oktober im Londoner Wembley Stadium erleben werden. Zum Einsatz kommen werden im vierten Test der Vorbereitung nur noch Reservisten, Rookies und Spieler, die um ihren Platz im Kader kämpfen. Die Etablierteren pausieren in der Regel. Nach dem Spiel müssen Head Coach Pete Carroll und General Manager John Schneider dann den Kader von 90 auf 53 Mann verkleinern.
Auf welche Spieler sollte ich achten:
SS Tedric Thompson: Earl Thomas wird sich wohl noch ein paar Gehaltsschecks entgehen lassen. Daher werden die Seahawks voraussichtlich mit Bradley McDougald und Tedric Thompson auf Safety beginnen. Während McDougald in dieser Konstellation als Strong Safety von Beginn der Vorbereitung an gesetzt war, erkämpfte sich Thompson in seinem zweiten NFL-Jahr den Startplatz im Duell mit Delano Hill. Er wird wohl diese Woche nicht mehr spielen und seinen Stinger bis zum Beginn der Regular Season auskurieren. Das wiederum bedeutet, dass Hill eine neue Chance bekommt, sich als Starter zu empfehlen.
LB Shaquem Griffin: Nach einem spektakulären Auftakt mit insgesamt neun Tackles wurde es etwas ruhiger um den Rookie. Nicht, weil er schlecht spielte, sondern eher, weil er konstant seine Leistung mit der zweiten Garde brachte. Jetzt, wo K.J. Wright sich einer kleineren Operation am Knie unterziehen musste und deshalb ein Fragezeichen hinter seinem Einsatz in Week 1 stehen hat, wird es ernst für Griffin. Den Kaderplatz dürfte er sicher haben. Mit einem weiteren starken Auftritt aber könnte er sich nachhaltig für höhere Aufgaben empfehlen, sollte sein Lehrmeister tatsächlich ausfallen.
CBs Byron Maxwell, Dontae Johnson und Tre Flowers: Dieses Duell scheint noch nicht entschieden zu sein. Wer wird zweiter Cornerback neben Griffin-Bruder Shaquill? Der Veteran Byron Maxwell, der in der Vorbereitung oft verletzt fehlte und auch in Week 4 definitiv nicht spielen wird? Der ehemalige 49ers-Starter Dontae Johnson? Oder aber der zum Cornerback umfunktionierte Ex-Safety Tre Flowers? Die letzteren beiden Verteidiger dürften nochmals Einsatzzeiten bekommen, um Werbung für sich zu machen.
O-Line: Gegen die Minnesota Vikings mit ihrer beeindruckenden D-Line sahen Brown, Britt und Kollegen erstaunlich gut aus. Quarterback Russell Wilson hatte nach eigener Aussage „all day“, um seine Würfe anzubringen und Running Back Chris Carson lief dank hervorragender Blockarbeit einmal sogar unberührt in die Endzone. Dementsprechend wurde in den darauffolgenden Tagen viel Lob ausgesprochen für die Angriffslinie. In den Himmel sollte sie dennoch nicht gelobt werden, zumindest nicht in der Vorbereitung und nach einem guten Auftritt. Die Regular Season ist dafür berüchtigt, in der Preseason unerkannte Schwächen knallhart aufzudecken. Ein zweiter solider Auftritt aber würde wohl jedem Fan ein besseres Gefühl für den Saisonstart geben. Dieser Satz gilt übrigens losgelöst vom Rest der O-Line eins zu eins auch für Right Tackle Germain Ifedi. Erstmals zum Einsatz kommen soll im vierten Vorbereitungsspiel Rückkehrer J.R. Sweezy, der den angeschlagenen D.J. Fluker vertreten wird.
RB Rashaad Penny: Der Rookie, der sich im Training nach Week 1 den Zeigefinger bracht, könnte gegen die Raiders zum Einsatz kommen. Anzeichen dafür sind Aussagen von Pete Carroll sowie die Tatsache, dass Penny wieder in Pads trainierte. Definitiv fit sein wird der Running Back für Week 1, dann aber mit großer Wahrscheinlichkeit als zweiter Läufer hinter Chris Carson. Abhängig von Spielpraxis und Leistung könnte sich Pennys Einsatzzeit im Laufe der Saison steigern, sodass Seattle mit zwei gleichwertigen Running Backs agiert.
TE Nick Vannett: Vom in der Offseason neu verpflichteten vermeintlichen Starter Ed Dickson war in der Preseason aufgrund einer Leistenverletzung überhaupt nichts zu sehen. In der letzten Pressekonferenz vor dem Spiel hörte sich Pete Carroll auch nicht so an, als ändere sich daran kurzfristig etwas. Bislang mussten Nick Vannett und Rookie Will Dissly als Starter herhalten – sie werden wohl auch in Week 4 der Preseason nochmals Spielzeit bekommen. Die Stärken beider Spieler liegen im Blocking, unklar ist dagegen noch, wie häufig sie im Passspiel eingesetzt werden. Vielleicht lässt das vierte Testspiel neue Erkenntnisse zu.
DE Frank Clark: Viel war vom talentiertesten D-Liner der Seahawks in der Preseason nicht zu sehen – und dann überstreckte er sich in Week 3 auch noch den Ellenbogen und musste zuletzt pausieren. Das muss noch nicht beunruhigend sein, doch die Verteidigungslinie steht und fällt in dieser Saison mit Frank Clark. Vielleicht war es die Preseason-Unlust eines im 53er-Kader fest eingeplanten Spielers oder eine Verletzung, die vergeblich auf Erfolgserlebnisse warten ließen, vielleicht aber ist Clark der Rolle als Führungsspieler einfach (noch) nicht gewachsen. Falls der Defensive End diesmal überhaupt aufläuft, wäre es schön, ein paar gelungene Aktionen von ihm zu sehen, die die Befürchtung einer schwachen D-Line ein wenig in den Hintergrund drängen.
WR Amara Darboh: Vom Passemfänger war in der Vorbereitung auf sein zweites NFL-Jahr wenig zu sehen. Entweder war er verletzt oder nur geringfügig ins Passspiel eingebunden. Die Seahawks-Verantwortlichen haben sich womöglich mehr erwartet von einem Drittrundenpick, der bei den Michigan Wolverines unter Jim Harbaugh bereits in einer Pro-Style-Offensive gespielt hat. Wieder genesen, hat er in der Nacht von Donnerstag auf Freitag nochmals die Chance, sich für einen Kaderplatz zu bewerben. Aber es wird eng für Darboh, denn neben Doug Baldwin scheinen Tyler Lockett, Brandon Marshall und Jaron Brown schon gesetzt zu sein und der vielseitigere David Moore hat einen hervorragenden Eindruck hinterlassen.
Wo kann man das Spiel verfolgen?
Alle Preseason-Spiele der Seattle Seahawks sind empfangbar per NFL GamePass, entweder live, auf Abruf oder in der Kurzzusammenfassung in knapp unter 40 Minuten. Andere Möglichkeiten, die Partie in der Nacht von Donnerstag auf Freitag um 4 Uhr deutscher Zeit live zu verfolgen, gibt es diesmal nicht. Der Streamingdienst DAZN bietet über das NFL Network auch die Möglichkeit, Preseason-Spiele anzusehen. Live gibt’s die Seahawks dort nicht, aber in der Wiederholung am Freitagmorgen um 7 Uhr deutscher Zeit.
Hat die Begegnung Aussagekraft?
Dreimal gingen die Seattle Seahawks in der Preseason 2018 bislang als Verlierer vom Spielfeld. Das ist jedoch völlig egal. 2017 gewannen die Cleveland Browns in der Vorbereitung übrigens viermal – und kassierten anschließend 16 Niederlagen, als die Punkte wirklich zählten. Daher ist auch diesmal das Ergebnis zweitrangig. Außerdem werden sich beide Teams vor dem wichtigeren Aufeinandertreffen in London diesmal nicht in die Karten schauen lassen wollen. Der Fokus liegt daher eher auf den einzelnen Plays und Akteuren im Duell mit ihren Gegenspielern als auf dem großen Ganzen. Die Stars werden diesmal voraussichtlich überhaupt nicht zu sehen sein, die Spieler aus der zweiten und dritten Reihe sowie die Rookies definitiv, denn für sie geht es noch um die Kaderplätze. Bei der Bewertung von Spielern anhand eines Testspiels ist es ratsam, sich immer auch anzuschauen, welche Qualität der jeweilige Gegenspieler hat. Dass Chris Carson einen Linebacker austanzt, der nur geringe Chancen auf einen Kaderplatz hat, ist wenig überraschend. Dass Duane Brown seinem Quarterback einen Defensive End vom Leib hält, der in der Depth Chart nur an fünfter Stelle steht, ist auch noch nicht weltbewegend. Wenn aber Delano Hill Derek Carr und seine Receiver gleich mehrfach narrt, könnte das schon etwas Positives aussagen über das Leistungsniveau des jungen Safetys.