Ich habe mir dieses Duell schon in der vergangenen Saison in den Playoffs gewünscht. Die New Orleans Saints wussten dies im Januar in der Wild Card Round zu verhindern. Damals waren die Philadelphia Eagles vielleicht noch stärker als momentan – aber auch die Seattle Seahawks waren vor knapp einem Jahr auf einem anderen Niveau.
Nach einer Schwächephase in dieser Saison haben sich beide Teams inzwischen wieder gefangen und spielen pünktlich zum Aufeinandertreffen wieder, wie es ihre Records vermuten lassen. Am Sonntag um 22.25 Uhr deutscher Zeit empfangen die Eagles im Lincoln Financial Field den aktuellen Super Bowl Champion zu Endspiel Nummer drei im Kampf um einen Playoff-Platz.
Es geht in das vierte Viertel der Saison. Ein kurzer Blick zurück. Die Viertel eins und zwei waren geprägt von Problemen – personeller und deshalb auch spieltaktischer Hinsicht. Im dritten Viertel der Saison hatten sich die Seahawks endlich erholt und kamen ins Rollen. Auch die Verletzungsmisere steuerte langsam dem Ende entgegen.
Viertel Nummer vier jetzt also. Das Viertel der Wahrheit. Mit vielen wiedergenesenen Leistungsträgern und dem Erfolg aus zwei Division-Spielen im Rücken kann Seattle das anfängliche Straucheln in der Saison 2014 im Dezember vergessen machen. Beim Blick auf unsere Leistungen in den letzten vier, fünf Spielen muss uns auch vor den Philadelphia Eagles nicht mehr Bange sein. Viel größer sollte die Vorfreude sein, auf ein großartiges Duell zweier charakterstarker Teams.
Die Eagles (9-3) ließen schon vergangene Saison erahnen, dass mit ihnen 2014 zu rechnen sein würde. Ein bisschen erinnert mich das an die Seahawks von 2012. Inzwischen hat in Philadelphia Mark Sanchez die Quarterback-Position übernommen, da Nick Foles sich am Schlüsselbein verletzte. Head Coach Chip Kelly ist in seiner zweiten NFL-Saison schon nicht mehr wegzudenken aus dem großen Zirkus. LeSean McCoy reizt zwar nicht so sehr die Statistiken aus wie in der vergangenen Spielzeit, doch in den wichtigen Momenten ist er da. Und falls er mal nicht zur Stelle ist, geht der Ball garantiert an Allzweckwaffe Darren Sproles. Auch die Philly-Defense ist auf einem neuen Level angekommen. Im Bezug auf Fantasy-Punkte hat sie die Seahawks überholt, rein statistisch gesehen ist sie auch nicht mehr allzu weit entfernt von Seattles Prunkstück.
Es ist angerichtet. Zwei starke Defenses, zwei sehr erfolgreiche ehemalige College-Trainer und zwei Superstar-Running Backs. Auf folgende – diesmal etwas anderen – Matchups dürfen wir uns am Sonntagabend freuen:
1) Pete Carroll vs. Mark Sanchez
Wer behauptet, Pete Carroll kennt Eagles-Quarterback Mark Sanchez besser als sein derzeitiger Coach Chip Kelly, der hat möglicherweise Recht. Carroll war von 2001 bis 2009 Cheftrainer an der University of Southern California und daher in den Jahren 2005 bis 2009 Coach des späteren First-Round Picks Mark Sanchez.
Fünf Jahre mit einem Spieler, den Chip Kelly erst seit März in seinen Reihen hat. Carroll kennt vielleicht nicht die Spielzüge der Eagles, doch er müsste sich ausrechnen können, was in Sanchez‘ Kopf vorgeht, wenn dieser auf dem Spielfeld steht. Möglicherweise gibt das Carroll einen entscheidenden Vorsprung bei der Analyse des Gegners, den andere Mannschaften gegen die Eagles nicht hatten.
2) Chip Kelly vs. Seahawks-Ausdauer
Chip Kelly hat das, was er an der University of Oregon gemacht hat, schlicht und einfach auf die Philadelphia Eagles übertragen. Hochgeschwindigkeit in der Offensive, keine Verschnaufpausen für die gegnerische Verteidigung und viele Punkte. Die Statistiken zeigen, dass die Transformation der Philly-Offense gelungen ist.
The Eagles are running a play every 22.8 seconds, fastest in the NFL. Seahawks run one every 30.8 seconds, slowest in the NFL.
— Pete Damilatis (@PFF_Pete) 3. Dezember 2014
Die Eagles haben in den zwölf bisherigen Spielen insgesamt 875 Plays gespielt. Das sind 129 mehr als die Seahawks. Auf dieses Tempo, diese Explosivität müssen die Seahawks gefasst sein. Für Head Coach Pete Carroll kein Problem. Aus seiner USC-Zeit weiß er, wie Kelly mit den Ducks spielte. Außerdem sei Seattle schon in den vergangenen Jahren bestens vorbereitet gewesen auf die No Huddle-Offense – ganz einfach weil man es sein müsse in der NFL. Ein spannendes Matchup für die wiedererstarkte Seahawks-Defense, die in den schwächeren Spielen zu Beginn der Saison wenig Druck auf die gegnerische Offense ausüben konnte, weil Michael Bennett, Cliff Avril und Co. aufgrund der angespannten Personalsituation kaum Pausen erhielten.
2010 besuchte Chip Kelly (damals noch Head Coach bei den Ducks) Pete Carroll im Seahawks-Trainingszentrum in Renton, um von einem NFL-Trainer zu lernen. Er war beeindruckt von der Organisation des Trainings und Carrolls Liebe für Details.
3) Mark Sanchez vs. LOB
Seit vier Spielen hat Mark Sanchez bei den Eagles die Fäden in der Hand und hat Nick Foles ohne Qualitätsverlust ersetzt. Das Team ist in dieser Zeit 3-1 – mit ihm, der bei den Jets in den vergangenen Jahren das Pech an den Fingern kleben hatte, der immer gut war für ein, zwei Picks. In Philadelphia hat Sanchez das Vertrauen seiner Trainer – und er hat wieder Selbstvertrauen. Seit seinem ersten Einsatz als Starter wurde Sanchez zum vierten Quarterback in der Geschichte der Eagles, der drei Spiele in Serie über mehr als 300 Yards warf. Die Siege gegen die Carolina Panthers, Tennessee Titans und Dallas Cowboys sprechen für ihn, doch am Sonntag wartet eine deutlich bessere Verteidigung.
Die Seahawks-Defense hat endlich wieder zu alter Stärke gefunden. Nach fünf Interceptions und elf Sacks in den ersten acht Spielen fing Seattle in den folgenden vier Partien vier Bälle ab und brachte den gegnerischen QB neunmal zu Boden.
Over the last four weeks: Richard Sherman’s passer rating allowed: 12.5. Byron Maxwell’s: 45.8. 0 TDs, 3 INTs. — SI_DougFarrar (@SI_DougFarrar) 5. Dezember 2014
Mark Sanchez und seine Offense-Waffen LeSean McCoy (1.018 Yards Rushing), Jeremy Maclin (1.088 Yards Receiving, 9TDs), Jordan Mathews (54 Receptions, 686 Yards, 7 TDs), Riley Cooper (43 Receptions, 457 Yards) und Darren Sproles (608 Yards Rushing/Receiving, 7 TDs) stehen für geballte Offensivpower. Doch ihnen gegenüber steht die LOB für krachende Tackles und nur sechs gegnerische Punkte aus den vergangenen zwei Partien.
4) Russell Wilson vs. Eagles-Defense
Im Fantasy Football ist die Eagles-Verteidigung das Maß aller Dinge. Sie sorgte mit insgesamt 42 Sacks, zehn Interceptions, zwölf Fumble Recoveries und durchschnittlich 23.8 erlaubten Punkten für Freude bei ihren Besitzern. Die Seahawks-Defense kann zwar Fantasy-technisch nicht mithalten, da sie bei den Special Teams nicht so oft punktete wie Philadelphia, doch rein statistisch gesehen liegt Seattle mit 20 Sacks, neun Interceptions und 14 Fumble Recoveries sowie durchschnittlich 18.4 erlaubten Punkten und den dazugehörigen Yards-Werten pro Spiel noch vor den Eagles. Yards bringen im Fantasy Football nichts, können auf dem Feld aber Spiele entscheiden.
Seattles Quarterback Russell Wilson sollte gewarnt sein. Der Spielmacher kämpfte sich in den vergangenen drei Partien aus seinem kleinen Loch, das für eine Flaute im Passspiel der Seahawks gesorgt hatte. Nach den zwei Interceptions in Week 10 gegen die New York Giants warf Wilson in den darauffolgenden drei Wochen insgesamt vier Touchdown-Pässe bei null Picks. Das sollte möglichst auch am Sonntag wieder so laufen. Um in Philadelphia zu gewinnen, muss man zunächst weniger Turnovers als der Gegner produzieren.
5) Marshawn Lynch vs. LeSean McCoy
Zwei Spieler mit extrem hohem Fantasy Football-Wert und noch größerem Wert für ihre Teams. Marshawn Lynchs Stats lesen sich gut wie eh und je im Seahawks-Trikot. Mein seinen zwölf Touchdowns ist er auf dem Weg, seine Seattle-Bestmarke von 14 aus der vergangenen Saison zu brechen.
LeSean McCoy hat nach einem schwachen Start mit 54.6 Rushing Yards im Durchschnitt aus den ersten fünf Spielen Fahrt aufgenommen. In den letzten sieben Partien lag sein Durchschnitt bei über 100 Rushing Yards (106.4), er sieht wieder mehr nach der 2013er-Version aus, die er mit 2.146 Total Yards und davon 1.607 Rushing Yards beendete.
Zahlen hin oder her, am Sonntag werden zwei großartige Running Backs auf dem Feld stehen, die es mit zwei starken Lauf-Verteidigungen (Eagles – 86.3 Rushing Yards per Game, Seahawks – 107.7 Rushing Yards per Game) zu tun bekommen. Wer am Ende das bessere Spiel macht, ist nicht vorherzusagen. Die Prognose, dass beide jedoch in den dreistelligen Bereich laufen werden, ist da schon weniger riskant.
Injury Report:
#SEAvsPHI Status Out: Unger Doubtful: Helfet Questionable: Lane Probable: Maxwell, Lynch, Bennett
— Seattle Seahawks (@Seahawks) 5. Dezember 2014
Max Unger setzte unter der Woche noch mit dem Training aus und wird voraussichtlich erst in Week 15 wieder einsatzbereit sein. Cooper Helfet kämpft noch immer mit der Knöchelverletzung aus dem Spiel gegen Arizona. Cornerback Jeremy Lane sollte gegen Philadelphia wieder seine Position als Nickelback einnehmen können.
Notizen zum Spiel:
+++ Die Eagles haben vor heimischem Publikum einen makellosen 6-0-Record. +++ Insgesamt zehn Spieler sind für die 42 Sacks der Eagles verantwortlich. +++ Philadelphia hat bereits zehn Return-Touchdowns erzielt in dieser Saison, zwei nach Interceptions, zwei nach Punts, zwei nach Kickoffs, zwei nach Fumble Recoveries und zwei nach geblockten Punts. +++ Allerdings gaben die Eagles auch schon 28 Bälle her, was ihre Turnover-Differenz bei Minus Sechs liegen lässt. +++ Philly ist ein Team des 1. und 3. Viertels – nach Kickoff und Halbzeit punkteten sie 102:69 und 100:46. +++ Chris Maragos, der ehemalige Seahawks-Safety und Special Teamer gehört bei den Eagles zu den effektivsten Spielern, gerade in den Special Teams. +++ Die Eagles führen in den Duellen mit den Seahawks mit 7:6, doch Seattle gewann drei der letzten vier Begegnungen. +++