Mit dem Schwung aus einem beeindruckenden Sieg über die Philadelphia Eagles in Woche 13 treten die Seattle Seahawks am Sonntag ihre längste Auswärtsreise der Saison an. In Florida warten die Jacksonville Jaguars (8-4) auf das Team von Head Coach Pete Carroll, die momentan beste Defensive der NFL. In nahezu allen Statistiken liegt die Verteidigung der Gastgeber auf den Spitzenplätzen der Liga. Am beeindruckendsten: 14,8 Punkten pro Spiel lassen die Jaguars im Schnitt zu.
Nicht ganz so stark ist dagegen die Jacksonville-Offensive. Das Laufspiel um Erstrundenpick Leonard Fournette dürfte für Seattle die größere Herausforderung darstellen, denn im Passspiel sind Spielmacher Blake Bortles und seinen Kollegen noch weit entfernt von der Ligaspitze. Keine einfache Aufgabe, doch den Seahawks kommt die Charakteristik des Gegners gelegen. In den vergangenen Wochen überzeugte Seattle besonders bei der Verteidigung des Laufspiels. Und: Im Dezember spielt das Team aus dem Pacific Northwest angeführt von Russell Wilson seinen besten Football. Die Bilanz von 18-5 im letzten Monat des Jahres spricht für sich.
Das Spiel:
- Kickoff ist am Sonntag, den 10. Dezember 2017 um 22.25 Uhr deutscher Zeit. Ursprünglich war die Begegnung um 19 Uhr angesetzt, wurde dann aber verschoben. Dadurch bleiben die Seahawks 2017 vom frühen Kickoff gänzlich verschont.
- Austragungsort ist das EverBank Field (66.851 Plätze) in Jacksonville, Florida.
- Übertragen wird die Partie auf ProSieben MAXX mit deutschen Kommentatoren. Außerdem ist sie wie gewohnt über den NFL GamePass (kostenpflichtig) zu sehen. Teile des Spiels werden außerdem in der NFL RedZone auf DAZN gezeigt.
- Schnellcheck: Jacksonville Jaguars
Der Injury Report:
#Seahawks list Dion Jordan (neck) as questionable. Carroll made it sound less than likely DE will play Sunday at JAX.
Jags' star CB Jalen Ramsey questionable, but I say there's no way he misses this. pic.twitter.com/ux2vur9kbv
— Gregg Bell (@gbellseattle) December 8, 2017
Die Matchups:
Jaguars-Laufspiel vs. Seahawks-Laufverteidigung: Nachdem Seattle schon in der vergangenen Woche gegen die zweitbeste Lauf-Offense spielte, wartet nun standesgemäß die beste (149,4 Rushing-Yards). Der Schlüssel, um die Offensive der Jaguars zu knacken, ist die Laufverteidigung der Seahawks. Das ist der Mannschaftsteil, der die starken Running Backs der Philadelphia Eagles bei nur 3,4 Yards pro Carry halten konnte.
Die Hauptlast des Laufspiels trägt Rookie Leonard Fournette, der eine gute erste Saison in der NFL spielt. Bereits 207 Laufversuche hat Fournette in den Beinen. Im Vergleich dazu hat die gesamte Mannschaft der Seahawks gerade mal 116 Laufversuche mehr. Dabei konnte Fournette 822 Yards sowie sieben Touchdowns erlaufen. Im Schnitt sammelt der Rookie 4,0 Yards pro Versuch. Zieht man jedoch seinen Touchdown über 90 Yards gegen die Pittsburgh Steelers ab, liegt er bei nur 3,55 Yards pro Lauf. Die Front Seven der Seahawks, aktuell das Prunkstück des Teams, darf keinen solchen langen Lauf zulassen. Besser noch wäre es, das Laufspiel der Jaguars, basierend auf einer verletzungsgeschwächten Offensive Line, schon an der Line of Scrimmage zu ersticken. Defensive Tackle Sheldon Richardson weiß ganz gut, wie das geht.
Seahawks-O-Line vs. Jaguars-D-Line: Vor ein paar Wochen wäre dieses Matchup noch ein wahrer Albtraum für die Seahawks gewesen. Vor dem Trade für Left Tackle Duane Brown wurde Russell Wilson bei 37,2 Prozent seiner Dropbacks unter Druck gesetzt (ligaweit Platz 30). Seit Brown die linke Flanke des Spielmachers beschützt, hat sich Seattle enorm gesteigert. Das gilt übrigens für die gesamte Line. Wilson hat mehr Zeit in der Pocket und wurde seitdem nur noch bei 22,8 Prozent seiner Dropbacks unter Druck gesetzt (Platz 8).
Wenn es nun gegen die Defensive Line der Jaguars geht, wird sich zeigen, wie sattelfest die O-Line der Seahawks tatsächlich ist. In nur zwölf Spielen brachte Jacksonville den gegnerischen Quarterback 45 Mal zu Boden – einsame Ligaspitze. Der Spitzname „Sacksonville“ ist verdient.
Der Star der Verteidigungslinie ist Defensive End Calais Campbell, der in der Free Agency von den Arizona Cardinals nach Jacksonville kam und die wohl beste Saison seiner Karriere spielt. Bislang kommt er auf 12,5 Sacks. Seine Nebenleute Yannick Ngakoue und Dante Fowler kommen auf zehn und sechs Sacks. Erwähnenswert ist auch Defensive Tackle Malik Jackson, der viel Druck aus der Mitte bringt und ebenfalls schon sechs Sacks auf dem Konto hat.
Das wird ein echter Härtetest für die Seahawks-O-Line. Wenn sie nicht vom Pass Rush der Jaguars überrannt werden will, muss sie an das Eagles-Spiel anknüpfen. Entlastung könnte ein funktionierendes Laufspiel mit J.D. McKissic und Mike Davis bringen, zumal die Jaguars-Verteidigung mit durchschnittlich 115,4 zugelassenen Rushing-Yards pro Spiel nur auf Platz 20 der NFL steht. Sollte Seattle das Laufspiel nicht etablieren können wird es für Russell Wilson und seine Mitspieler gegen die hervorragende Passverteidigung kombiniert mit einem auf Sacks hungrigen Pass Rush schwierig, Punkte auf die Anzeigetafel zu bringen.
Seahawks-QB Russell Wilson vs. Jaguars-Passverteidigung: Das sind die Spiele, in denen sich ein Quarterback nachhaltig für den MVP-Titel empfehlen kann. Russell Wilson tat das bereits gegen Philadelphia – und nun ist er gegen Jacksonville gefordert, erneut fehlerfrei zu spielen. Die beste Passverteidigung der Liga – einst war das Seattle – bestraft jeden Fehler. Ihre Statistiken sind beeindruckend: Nur 167,1 zugelassene Yards pro Spiel durch die Luft und 16 (!) Interceptions sind ligaspitze. Es wäre daher smart, keinen Fehler zu machen. Wenn es doch so einfach wäre.
Die Cornerbacks A.J. Bouye und Jalen Ramsey bilden das aktuell beste Tandem auf ihrer Position. Die starke Secondary, bei der jeder der vier Starter schon mindestens zwei Interceptions gesammelt hat, wird vervollständigt von Strong Safety Barry Church und Free Safety Tashaun Gipson. Gegen diese Klasse hilft nur eine MVP-Vorstellung.
Jaguars-QB Blake Bortles vs. Seahawks-Passverteidigung: Bedauernswert für Fans der Jacksonville Jaguars ist, dass ihre wohl größte Schwachstelle die Quarterback-Position ist. Blake Bortles bringt knapp 60 Prozent seiner Pässe an und ist immer wieder für Fehlwürfe gut. In vier Jahren NFL hat der Spielmacher bereits elf Pick Sixes geworfen. Seine 14 Touchdowns in zwölf Saisonspielen hauen niemanden vom Hocker. In Jacksonville hat das Laufspiel Vorrang. Auch deshalb kommt Bortles auf nur 2.553 Passing-Yards in diesem Jahr.
Sollten Bortles und die Jaguars in die Situation kommen, in Rückstand zu geraten, wären sie zum Passspiel gezwungen. Der Quarterback müsste seine Offensive tragen. Das kann Bortles schlicht und einfach nicht. Eine willkommene Gelegenheit für die verletzungsgebeutelte, aber aggressive Secondary der Seahawks, Turnovers zu produzieren.
X-Faktor „It’s how you start AND it’s how you finish!“: Head Coach Pete Carroll hielt es in der Vergangenheit öfter mit einer platten Football-Weisheit: „It’s not how you start. It’s how you finish!“ Es kommt nicht auf den Beginn des Spiels an, sondern darauf, wie man es beendet. Doch gerade gegen die Eagles war zu erkennen, wie wichtig ein guter Start in die Partie sein kann. Die 10:0-Führung nach dem ersten Viertel war ein angenehmes Polster für den restlichen Verlauf der Begegnung. Ein guter Start setzt Jacksonville unter Druck. Der anfällige Blake Bortles würde mit großer Wahrscheinlichkeit Fehler machen. Das zumindest zeigte er in den vergangenen vier Jahren recht zuverlässig.
Das Fazit:
Das Auswärtsspiel bei den Jacksonville Jaguars ist ein klassisches Trap Game, es könnte zur Falle werden. In den vergangenen Jahren wären die Seattle Seahawks stets als Favorit nach Florida gereist. Okay, favorisiert sind sie auch diesmal. Aber gegen ein Team, das stark verbessert aus der Offseason kam und unter dem neuen Cheftrainer Doug Marrone die Playoff-Plätze attackiert, ist der Stärkenunterschied geschrumpft. Die überdurchschnittliche Defensive der Jaguars kann die durchschnittliche Offensive inzwischen durch ein Spiel tragen. Die Seahawks brauchen erneut diesen fehlerfreien Auftritt, mit dem sie die Fans in der Nacht von Sonntag auf Montag verzauberten – und die Philadelphia Eagles entzauberten. Den Rest erledigt dann der Dezember, der Seattle in allen Mannschaftsteilen zum überdurchschnittlichen Team werden lässt.
Prognose: Seattle gewinnt im Stadion der Swimmingpools mit 20:10.