Was passiert, wenn man die Seattle Seahawks und die Dallas Cowboys gemeinsam in ein Stadion steckt und aufeinander loslässt? Es regnet Punkte. Zu dieser Schlussfolgerung kann man getrost kommen, wenn man sich die jüngsten Ergebnisse der beiden Mannschaften ansieht. Am Sonntag kommt es um 22.25 Uhr im CenturyLink Field zum direkten Aufeinandertreffen der zwei Shootout-Teams – und die Wettervorhersage prognostiziert Touchdowns. Viele. Auf beiden Seiten. Im Gleichschritt.
Ein klares Resultat scheint ausgeschlossen. In Seattle können sie es einfach nicht anders. Ziemlich genau zwei Spieltage hat es in der NFL-Saison 2020 gedauert, ehe die 12s weltweit zu den Blutdrucksenkern greifen mussten. Schließlich hatten es die Seahawks gegen die New England Patriots mal wieder so richtig spannend gemacht. Unter Flutlicht stoppten sie Cam Newton – wie soll es auch anders sein – mit Ablauf der Spielzeit an der Ein-Yard-Linie und verhinderten die erste Heimauftakt-Niederlage in der Ära von Head Coach Pete Carroll.
Der zweite Heimsieg soll nun, knapp eine Woche später, direkt folgen. Das Duell mit „America’s Team“ auf heimischen Kunstrasen dürfte dabei vor allem ein Test für Seattles verletzungsgeplagte Defense sein. Schließlich bringen die Männer mit dem Stern auf dem Helm in Person von Quarterback Dak Prescott, Running Back Ezekiel Elliott sowie Wide Receiver Amari Cooper und Kollegen viel Offensiv-Durchschlagskraft mit.
Auf der anderen Seite dürften die Seahawks mit ihrem eigenen, auf MVP-Kurs befindlichen Quarterback und seiner Offensive alles dafür tun, den Ansturm der Cowboys ihrerseits mit Touchdowns abzuwehren. Die Folge: In Sachen Punkten dürfte es für die Fans auch am 3. Spieltag alles andere als langweilig werden.
Das Spiel:
- Kickoff: Sonntag, 22.25 Uhr
- Austragungsort: CenturyLink Field (Freiluft/Stadion)
- Wettervorhersage: 19 Grad Celsius, leicht bewölkt
- Schiedsrichter: Carl Cheffers
- Empfang: NFL GamePass, ProSieben MAXX, ran
- Wettprognose: Seahawks -5
- Schnellcheck: Dallas Cowboys
- Hashtag: #DALvsSEA
Der Injury Report:
Als die Seahawks Mitte der Woche ihren ersten Verletzungsbericht herausgaben, mussten einige Fans noch einmal ganz genau hinschauen. Fast ein Drittel des gesamten Kaders tauchte darin auf. Was auf den ersten Blick schlimm erschien, ist offenbar nur halb so wild. Neben den jetzt Langzeitverletzten Bruce Irvin, Marquise Blair (beide Kreuzbandriss) und Philipp Dorsett (Fuß), der mittlerweile auf die Injured Reserve-Liste (IR) gewandert ist, konnte Head Coach Pete Carroll Entwarnung geben – teilweise. So verkündete er in seiner Abschluss-PK vor dem Dallas-Spiel zunächst, das Defensive End Rasheem Green (Nacken) ebenfalls auf IR gesetzt wurde.
Fragezeichen zwecks ihres Auflaufens am Sonntag stehen auch hinter Defensive End Benson Mayowa (Leiste), Offensive Tackle Cedric Ogbuehi (Brustmuskel) sowie den Cornerbacks Neiko Thorpe (Hüfte) und Quinton Dunbar (Knie). Letzterer hat zwar laut Carroll in den letzten Tagen nicht viel trainiert, ist vom Fitnesszustand aber so weit, dass er wahrscheinlich spielen kann. Und auch Mayowa soll nach dem Trainingseinsatz am Freitag gute Chancen haben.
Beim Gegner aus Dallas ist der Injury Report etwas übersichtlicher. Cornerback Chidobe Awuzie (Oberschenkel) wird auf jeden Fall ausfallen. Ob es Defensive End Demarcus Lawrence (Knie) und Offensive Tackle Tyron Smith (Nacken) am Spieltag in den aktiven Kader der Cowboys schaffen, ist hingegen fraglich.
Der Injury Report für #DALvsSEA: pic.twitter.com/EOMI0RZ6z4
— German Sea Hawkers (😷) (@SeaHawkersGER) September 26, 2020
Die Matchups:
Seahawks-Quarterback Russell Wilson vs. Cowboys-Passverteidigung: Russell kocht – und wie! Zum zweiten Mal in Folge tischte der Seahawks-Quarterback den 12s in ihren Wohnzimmern auf der ganzen Welt gegen die Patriots ein edles Menü auf. Seine persönliche Bilanz nach zwei Spieltagen: Neun Touchdowns stehen nur elf Incompletions gegenüber. Wilsons 610 geworfene Yards reichen aktuell „nur“ für Rang fünf in der NFL. Eine Passgenauigkeit von 82,5 Prozent und ein Passer Rating von exakt 140 sind hingegen absolute Spitze.
Zahlen, die eigentlich beste Voraussetzung dafür sind, dass Russell Wilson auch in Week 3 wieder eine gegnerische Defense sezieren wird. Im Fall von Dallas trifft die Offense der Seahawks dabei auf eine Verteidigung, die in dieser Saison bisher 59 Punkte (25. Rang in der Liga) kassiert hat. Schwächen haben die Cowboys vor allem in der Secondary. Hier verlor Dallas in der Free Agency in Cornerback Byron Jones seinen besten Passverteidiger an die Miami Dolphins. Doch die Probleme in der Passverteidigung der Truppe von Head Coach Mike McCarthy liegen noch tiefer.
So stehen seine zwei besten Linebacker, Sean Lee (Leiste) und Leighton Vander Esch (Schlüsselbein), auf der Injured-Reserve-Liste. An dieser Stelle könnten die Seahawks mit kurzen Pässen auf Tight Ends und Running Backs Nadelstiche setzen. Ebenfalls stark verbesserungswürdig ist der Pass Rush der Texaner. Pro Football Focus (PFF) bewertete die Cowboys in dieser Kategorie in den ersten beiden Partien mit 61,3 und 60,6 (aus 100 möglichen) Punkten. Zum Vergleich: Die Seahawks (56 und 48,3) stehen noch schlechter da, haben aber einen Sack mehr geschafft.
Durch den fehlenden Druck dürften sich für Russell Wilson ausreichend Möglichkeiten ergeben, die geschwächte Secondary der Gäste gerade mit seinen gefürchteten und ultragenauen langen Pässen zu verwunden.
Seahawks-Laufverteidigung vs. Cowboys-Running Back Ezekiel Elliott: Wenn man die Defense der Seahawks nach zwei Spielen in all ihren Einzelteilen bewerten kann, dann gibt es hier im Gegensatz zur Saison 2019 ein echtes Prunkstück: die Laufverteidigung. Vor einem Jahr ließ Seattle noch 4,9 Yards pro Lauf zu, lag damit auf dem 28. Rang in der NFL. 2020 hat sich der Trend komplett gewendet.
Zum Saisonauftakt gegen die Atlanta Falcons ließ die Front Seven lediglich 72 Rushing-Yards zu. Eine Woche später gegen die Patriots waren es sogar nur 67. Überragende Werte, die auch PFF bestätigt. Mit einer Durchschnittsnote von 84,3 stellen die Seahawks in dieser frühen Phase der Saison die beste Laufverteidigung der gesamten NFL. Bei drei Yards pro Lauf (YPC) und 139 zugelassenen Rushing-Yards liegt die Gruppe von Defensive Coordinator Ken Norton Jr. jeweils hauchdünn hinter den Pittsburgh Steelers (2,9 YPC, 133 Rushing-Yards) ligaweit auf dem 2. Rang.
Ändern könnte das am Sonntag allerdings ein Mann namens Ezekiel Elliott. Der Running Back der Cowboys zählt zu den besten seiner Zunft. Nachdem seine Leistungen auf dem Feld in den vergangenen Spielzeiten wegen Problemen außerhalb des Platzes (Sperren und Gerichtsverfahren) etwas nachließen, ist der Nummer-vier-Pick des NFL Draft 2016 aktuell wieder fast der Alte. In zwei Spielen erlief Elliott bisher in 44 Versuchen zwei Touchdowns und insgesamt 185 Yards.
Ein solcher Elite-Runner wird dabei an erster Stelle den schweren Jungs in der ersten Verteidigungslinie der Seahawks wieder jede Menge Konzentration und Disziplin abverlangen. Dass sie aber nicht nur über 60 Minuten, sondern gerade auch in den letzten Sekunden eines Spiels in der Lage sind ordentlich zuzupacken, haben sie anno 2020 bereits gegen Todd Gurley und Cam Newton unter Beweis gestellt.
Seahawks-Pass-Rush vs. Cowboys-Offensive-Line: Es sind mit die schlimmsten Befürchtungen in Sachen Seahawks, die in den vergangenen zwei Wochen wahr geworden sind. In Seattles Pass-Rush-Getriebe hakt es gewaltig. Hauptgrund: Die ohnehin eher dünne Besetzung dieses Mannschaftsteils hat an der Verletzungsfront eine volle Breitseite kassiert. Schon vor dem Kickoff in Atlanta sah es für die beiden Rookie-Defensive-Ends nicht gut aus. Zweitrundenpick Darrell Taylor laboriert immer noch an den Folgen einer Schienbein-OP, Fünftrundenpick Alton Robinson tauchte bisher auf dem Spielberichtsbogen nur als inaktiv auf. Dazu zog sich Defensive End Rasheem Green in Week 1 eine Nackenverletzung zu und für Veteran Bruce Irvin ist die Saison wegen eines Kreuzbandrisses seit wenigen Tagen komplett gelaufen.
Entsprechend schlecht sehen die Statistiken für die Quarterback-Jäger aus dem Pacific Northwest aus. Den Blick auf die Zahlen sollten sich Seahawks-Fans am besten sparen oder die Werte ganz schnell wieder vergessen. PFF bewertet Seattle hier mit 51 Punkten, was ligaweit den 32. und damit allerletzten Platz bedeutet. Auch in Sachen Sacks sieht es mau aus. Traurige dreimal brachte die Defense einen gegnerischen Quarterback bislang zu Boden. Bezeichnend: Strong Safety Jamal Adams führt diese Statistik mit zwei Sacks an. Seattle übt zwar Druck auf Quarterbacks aus und liegt mit 13 Quarterback-Hits ligaweit im Mittelfeld. Allerdings ist das primär das Resultat vieler Blitzes von tiefer stehenden Verteidigern wie Adams oder Bobby Wagner.
Und gerade das könnte gegen die Cowboys zum Problem werden. Dabei ist die Offensive Line aus Dallas schon länger nicht mehr das Prunkstück, dass es einmal war. Nach dem Karriereende von Center Travis Frederick landete Guard La’el Collins (Hüfte) vor Saisonbeginn auf der Injured-Reserve-Liste. Dazu ist mit Tackle Tyron Smith ein weiterer Star verletzungsanfällig, was Guard Zack Martin dazu zwingt, den texanischen O-Line-Laden halbwegs zusammenzuhalten. Mit Rookies und Free-Agent-Verpflichtungen an seiner Seite gelingt das nur mittelmäßig.
Das aber hielt Quarterback Dak Prescott am 2. Spieltag nicht davon ab, gegen eine schwache Secondary der Atlanta Falcons 450 Yards zu erwerfen. Gegen Seattle könnte das auch wieder drin sein. Denn selbst wenn die Passverteidigung am Puget Sound nominell so gut aufgestellt ist wie seit Jahren nicht mehr. Wenn der gegnerische Quarterback durch fehlenden Druck durch den Pass Rush viel Zeit zum Passen bekommt, kann auch die beste Secondary gegnerische Passempfänger kaum effektiv abdecken.
Wenn dann der Cheftrainer die Probleme der Verteidigung eher noch im Hinterfeld ausmacht, schrillen die Alarmglocken. Ja, die Secondary hat in der jetzigen Besetzung (nun ohne Marquise Blair) erst zweimal zusammengespielt. Ja, der Pass Rush trägt nicht gerade dazu bei, dass es die Defensive Backs einfacher haben. Und ja, ohne Quandre Diggs waren die Seahawks in Week 2 über die Mitte angreifbar. Aber langsam muss es auch in der Deckung klicken, falls Wilson nicht in jedem Spiel vier bis fünf Touchdowns wirft.
Der X-Faktor: Turnover Battle
Ein Problem, das Seattle im Vergleich zu 2019 offenbar vorerst abgeschaltet hat, sind Fumbles. In zwei Spielen ließ bisher kein Seahawk das Lederei aus seinen Händen flutschen. Im Angesicht seines Mantras „It’s all about the ball“ („Es geht nur um den Ball“) dürfte Head Coach Pete Carroll damit sehr zufrieden sein. Dass Quarterback Russell Wilson bei 63 Passversuchen nur eine – extrem unglückliche, unverschuldete – Interception warf und die Offense bisher den einzigen versuchten vierten Versuch erfolgreich ausspielte, stimmt ebenfalls positiv. Denn wie wichtig der Sieg im Turnover-Kampf sein kann, zeigt die Tatsache das Seattle 31 seiner bisher insgesamt 73 Punkte nach einem gegnerischen Ballverlust (Interception, Fumble oder Turnover on Downs) erzielte.
Auf Seiten der Cowboys sieht’s dagegen etwas anders aus. Zwar hat Dak Prescott noch keine Interception geworfen, dafür produzierte die Offensive aus Dallas alleine in der ersten Halbzeit gegen die Atlanta Falcons drei Fumbles und sicherte nur einen. Ebenfalls bitter: Vierte Versuche lässt Head Coach Mike McCarthy anders als Carroll eher aggressiv ausspielen. Von fünf Anläufen in zwei Spielen klappte aber nur einer. Viermal mussten die Texaner hier den Ball abgeben. Und in einem vermutlich engen Spiel könnte genau das der X-Factor sein, den gerade die Seahawks in der Saison 2020 bislang erfolgreich ausgenutzt haben.
- Spieler des Spiels: Wide Receiver DK Metcalf, der gegen die Cowboys-Secondary erstmals in der Saison 2020 Pässe für über 100 Yards und zwei Touchdowns fängt.
- Statistik des Spiels: Seitdem die Seattle Seahawks in der Saison 1976 den Spielbetrieb aufgenommen haben, hieß der Gegner bisher genau 20 Mal (Regular Season und Playoffs) Dallas Cowboys. Die Bilanz sieht dabei die Texaner ganz leicht vorne. Elf Spiele gewann Dallas, neun Seattle. Doch gerade an das letzte Duell haben die 12s keine guten Erinnerungen. Nach einer schwachen ersten Halbzeit verloren die Seahawks am 5. Januar 2019 im AT&T-Stadium in Arlington das Divisional-Round-Spiel knapp mit 22:24.
- Anekdote des Spiels: Die Dallas Cowboys sind mit fünf Super-Bowl-Siegen eines der erfolgreichsten NFL-Teams der Geschichte. Entsprechend viele Rekorde haben „America’s Team“ und seine Spieler aufgestellt. Einer davon steht bis heute: der Allzeit-Rushing-Yards-Rekord von Emmitt Smith. In 15 Jahren NFL (13 davon in Dallas) erlief der Running Back schwindelerregende 18.355 Yards. Seinen Vorgänger als Rekordhalter, Chicago-Bears-Legende Walter Payton (16.726 Yards), überholte Smith am 27. Oktober 2002 bei einer Heimniederlage (14:17) in Irving. Gegner der Cowboys damals: die Seattle Seahawks.
Der Hype-Faktor: Cable Thanos – again
Josh Cashman hat es schon wieder getan: In seinem zweiten Hype-Video der Saison 2020 lässt auch er Russ kochen und wir von den German Sea Hawkers genehmigen uns einfach einen Drink dazu.
Russ kocht. Und Josh mixt die Drinks dazu. 🍹 https://t.co/1CGCkLEMne
— German Sea Hawkers (😷) (@SeaHawkersGER) September 25, 2020
Das Fazit:
Seattle Seahawks vs. Dallas Cowboys – es dürfte ein Schützenfest werden. Denn im Pacific Northwest trifft am Sonntag eine der heißesten Offenses der NFL (Seattle) auf ein Team (Dallas), das vom Potential her ähnlich gut abliefern kann. Während Russell Wilson neben DK Metcalf auch Tyler Lockett, Greg Olsen, Will Dissly und Chris Carson von der Kette lässt, kontert Dak Prescott mit seinen Wide Receivern Amari Cooper, CeeDee Lamb und Michael Gallup sowie Running Back Ezekiel Elliott.
Gerade dieses Quartett wird es der hochkarätig besetzten, aber auch verletzungsgeplagten Defense der Seahawks schwer machen. Das größte Problem wird dabei der Pass Rush und der dadurch fehlende Druck auf den Quarterback sein. So wird Prescott viel Zeit haben, seine Anspielstationen abzuscannen und sie entsprechend in Szene zu setzen. Dies wird gegen die Cowboys-Defense zwar auch Russell Wilson gelingen. Doch irgendwann muss es so kommen. Diesmal kann Wilson sein Team selbst mit einer wahrscheinlich wieder außergewöhnlichen Leistung nicht erfolgreich über die Ziellinie bringen.
Prognose: Die Seattle Seahawks verlieren mit 31:34.