Vor 23.211 Zuschauern im StubHub Center unterlagen die Seattle Seahawks am frühen Sonntagmorgen den Los Angeles Chargers mit 14:24. Wichtigste Nachricht in der Preseason ist stets: Kein Spieler hat sich ernsthaft verletzt. Spielerisch ist jedoch noch viel Luft nach oben. Auch in Week 2 der Vorbereitung ist das Ergebnis zweitrangig, die Erkenntnisse aus der Partie hingegen sind vielseitig und hilfreich. Neben guten Momenten, die Hoffnung machen, gab es auch Situationen, die gnadenlos die Schwächen der Seahawks offenbarten.
Die Gewinner:
WR David Moore: Wie schon in der vergangenen Woche hinterließ Moore mit den besten Eindruck in der Positionsgruppe der Wide Receiver. Beide seiner Targets fing er für insgesamt 71 Yards. Russell Wilson scheint in der Vorbereitung eine gute Verbindung zu ihm aufgebaut zu haben und ihm auch bei riskanten Würfen zu vertrauen. Das zeigte sich bei Moores Catch für 52 Yards, als er sich bei einem dritten Versuch in beeindruckender Art und Weise gegen zwei Passverteidiger durchsetzte. Moore scheint sich vom Rest der Receiver, die um die Plätze vier bis sechs in der Depth Chart kämpfen, abgesetzt zu haben. Ein Platz im finalen Kader für Moore wird immer wahrscheinlicher.
DAVID MOORE 😱😱😱pic.twitter.com/Q3GET6oPAk
— Seattle Times Sports (@SeaTimesSports) August 19, 2018
P Michael Dickson: Im Kampf um den Platz als Punter im Team wird immer deutlicher, dass Rookie Michael Dickson klar die Nase vorn hat. Man könnte sich inzwischen sogar aus dem Fenster lehnen und sagen, dass das Duell bereits entschieden ist. Im Schnitt kam er auf etwa neun Yards mehr pro Punt, wobei neben Länge und Platzierung der Bälle ein anderer Wert noch viel relevanter ist: Die Hangtime von Dicksons Punts, also die Zeit, die der Ball in der Luft ist, war eine Sekunde länger als die von Jon Ryans Kicks. Eine Sekunde mehr oder weniger Zeit macht für die Coverage bei Punts einen immensen Unterschied. Mit besserer Hangtime wäre der Return-Touchdown der Chargers nach einem Punt von Ryan wahrscheinlich nicht passiert.
QB Alex McGough: Weil Konkurrent Austin Davis furchtbar aussah (1/3, 6 Yards, 1 Sack) und kein einziges First Down erzielte, dürfte das Duell um den Platz als Backup-Quarterback wieder offener sein. Rookie McGough fühlte sich in seinem zweiten Einsatz schon merklich wohler (9/12, 97 Yards, 1 Touchdown ) und erzielte seinen ersten Touchdown-Pass. Ziel war dabei im vierten Quarter Malik Turner.
RB C.J. Prosise: Er wäre hier schon aufgelistet worden, wenn er nur gesund durchs Spiel gekommen wäre. Doch Prosise zeigte auch Leistung. 47 Yards bei neun Ballberührungen (6 Receptions, 3 Carries) sind in Ordnung, lassen aber noch Raum für Verbesserungen. Doch allein die Tatsache, dass Prosise sich nicht erneut verletzte, macht ihn diesmal zu einem Gewinner.
Starting-Offense: Die Starter der Offensive spielten mit Quarterback Russell Wilson überraschenderweise die gesamte erste Hälfte durch und sahen in den ersten zwei Drives verhältnismäßig gut aus. Wilson bewegte sich gut in der Pocket und fand seine Receiver. Vor allem Neuzugang Jaron Brown (2 Receptions, 74 Yards) ist positiv hervorzuheben. Die Seahawks waren bei den zwei ersten Drives in der Lage, den Ball zu bewegen, Wilson warf in der ersten Hälfte für 193 (!) Yards. Manko aber: Punkte-Ausbeute. Aus drei Besuchen in der Redzone machte Seattle nur sechs Punkte. Auch bei dritten Versuchen geriet die Offensive in der ersten Halbzeit oft ins Stocken.
Die Verlierer:
Pass Rush: Der Pass Rush der Seahawks bleibt weiter das Sorgenkind der Defensive. Gegen die Starter der Chargers-O-Line blieb die D-Line blass. Vor allem in der ersten Hälfte baute Seattle gegen die starke O-Line aus LA keinen Druck auf. So brachte Quarterback Philip Rivers im ersten Drive alle vier seiner Pässe an. Die Jäger um Frank Clark müssen sich unbedingt steigern, da die Defensive sonst große Probleme bekommen wird. Erneut 1,5 Sacks von Rookie Rasheem Green sind zwar erfreulich und machen Hoffnung, dass er direkt im ersten Jahr ein wichtiges Element der Verteidigungslinie wird, diese gelangen jedoch gegen die zweite Garde der Chargers.
P Jon Ryan: Es kann einem richtig leid tun für den armen Kerl. Auch diesmal hatte Ryan das Nachsehen gegen seinen jüngeren Konkurrenten. Versöhnlicher Vorschlag: Die Buffalo Bills suchen einen neuen Punter, vermutlich aber keinen, der einen voluminösen Vertrag hat wie Ryan. Die Seahawks entlassen den Punter, die Bills holen einigen sich mit ihm (Spieler mit mehr als vier Jahren Erfahrung werden nicht zu Waivern, sondern direkt Free Agents) – und der sympathische Kanadier darf mit einem neu verhandelten Vertrag wieder die Bälle bei den Kicks seines Freundes Stephen Hauschka halten. Deal?
RT Germain Ifedi: Ja, Seattle hat leider aufgrund der Verletzungen von Isaiah Battle und Jamarco Jones (der nun laut General Manager John Schneider in Green Bay am Sprunggelenk operiert wurde) aktuell keine andere Option auf Right Tackle. Aber es steht mehr und mehr zur Debatte, ob Ifedi tatsächlich nochmal eine Saison als Starter in der O-Line beginnen sollte. Er wurde von Chargers-Pass Rusher Melvin Ingram mehrfach in seine Einzelteile zerlegt. Alleine in der ersten Halbzeit ließ er gegen Engram zwei Pressures und einen Sack zu. All das wird auch Germain Ifedi bewusst sein – seit längerer Zeit schon. Die Tatsache, dass er daran nichts ändern kann, lässt an seinen Fähigkeiten zweifeln. Ist es schon Zeit für den gerade erst von einer langwierigen Knieverletzung zurückgekehrten George Fant, von links nach rechts zu wechseln?
O-Line: Die Positionsgruppe wird hier nochmals gesondert erwähnt. Leider knüpften die Starter nur teilweise an den relativ okay’en Auftritt im ersten Preseason-Spiel an. Während die linke Seite der Angriffslinie von C Justin Britt bis LT Duane Brown auf den ersten Blick solide aussah, wackelte rechts alles. Auch Jordan Roos, der auf Right Guard für Neuzugang D.J. Fluker ins Spiel kam (kugelte sich einen Finger aus), hatte große Probleme. Wenig deutet bislang darauf hin, dass sich die Positionsgruppe in der Vorbereitung deutlich stabilisiert hat. Pete Carroll sieht das anders.
Guessing #Seahawks coach Pete Carroll's postgame assessment of RT Germain Ifedi's pass protection tonight isn't the same as yours: pic.twitter.com/VLS2ZviXqp
— Gregg Bell (@gbellseattle) August 19, 2018
RB Chris Carson: Der Running Back überzeugte durch kraftvolle Läufe, Zielstrebigkeit und gute Laufwege. Er sammelte in neun Carries 34 Yards und beeindruckte mehrfach durch gebrochene Tackles. Doch jetzt kommt das Aber: Carson hätte sich für diese gute Leistung belohnen und damit seine Position als erster Back der Seahawks zementieren müssen. Stattdessen wurde ihm ein Touchdown aberkannt (wohlgemerkt, weil Rookie-Tight End Will Dissly eine Strafe verursachte) und er verlor einen Ball direkt vor der Goal Line.
Seahawks RB Chris Carson with the impressive TD pic.twitter.com/s2n3TtsruT
— Steve Palazzolo (@PFF_Steve) August 19, 2018
SS Delano Hill: In der zweiten Woche hintereinander hat Hill es nicht geschafft, einen wichtigen Stop bei Third Down zu erzielen. In der Situation gegen Detrez Newsome verwechselte er zunächst Pass und Run und schaffte es dann nicht mehr, den Lauf für 31 Yards zu stoppen. Außerdem hatte er zumindest Teilschuld am Return-Touchdown nach Jon Ryans Punt und wackelte in der Passverteidigung mehrmals. Eine verpasste Chance für Hill, die ihn am Ende vielleicht sogar den Kaderplatz kosten könnte.
Und nun?
Weitermachen! Ein Preseason-Record hat noch kein Team zum Champion gemacht. In Week 3 wartet der nächste Härtetest für die Offensive der Seahawks. Dann geht es gegen die Minnesota Vikings, die aber nicht nur eine starke Defensive haben, sondern inzwischen auch von Quarterback Kirk Cousins angeführt werden. Die Leistung von Seattles Defensive lässt sich bislang schwierig bewerten, da sie nur zwei Drives gegen Philip Rivers auf dem Feld stand und dabei je einmal gut und einmal schlecht aussah. Im dritten Vorbereitungsspiel gibt’s traditionell etwas mehr Spielzeit für die Starter, die dann hoffentlich neue Erkenntnisse liefert.