Das war’s mit Preseason-Football im Jahr 2019 – zum Glück. Es ist fraglich, wie lange die NFL noch an vier Testspielen festhalten will, aber das ist auch nicht Thema dieses kurzen Spielberichts. Die Seattle Seahawks besiegten im CenturyLink Field bei Regenwetter die Oakland Raiders mit 17:15 – und machten den Konkurrenzkampf auf einigen Positionen nochmals spannend.
Welche Antworten können wir nach Week 4 der Preseason 2019 geben?
- Kann ein Backup-Quarterback sich im letzten Testspiel noch einen entscheidenden Vorsprung verschaffen?
Geno Smith durfte starten und wirkte bis zu seiner verletzungsbedingten Auswechslung Mitte des zweiten Quarters souverän (4/7, 104 Yards, 2 Touchdowns). Den Rest des Abends war er mit einem dicken Pack Eis auf dem Knie am Spielfeldrand zu sehen. Interessante Randnotiz: Russell Wilson durfte in der ersten Hälfte zeitweise die Spielzüge ansagen und schreckte nicht davor zurück, durch die Luft den Erfolg zu suchen. Einen Drive lang klappte das wunderbar (Touchdown Jacob Hollister), im zweiten Drive war die Offense nach einem Negativ-Play schnell wieder vom Feld.
Paxton Lynch, der hauptsächlich in der zweiten Halbzeit zum Einsatz kam, erzwang einige Würfe. Er hatte mehrfach Glück, dass seine Pässe nicht abgefangen wurden und ein missglückter Snap nicht beim Gegner landete. Geht man davon aus, dass die zwei Backup-Quarterback-Anwärter vor Week 4 gleichauf waren, dürfte Smith nun die Nase vorne haben. Sollte seine Knieverletzung nicht dramatisch sein, wird er Russell Wilsons Ersatzmann – und das ist nach Lynchs schwachem Auftritt mit nur einem vollständigen Pass für vier Yards bei sieben Versuchen noch mehr zu hoffen als so schon. - Wer schnappt sich den Nickel-Starter-Spot im Kader?
Jamar Taylor war Starter auf dieser Position, während Akeem King auf der Außenbahn von Beginn an auflief. Möglicherweise ist das ein Indiz, dass Taylor den Positionskampf gewonnen hat, falls keine Verletzung dazwischen kommt (er wurde im vierten Quarter von medizinischen Betreuern vom Feld begleitet). Amadi muss an dieser Stelle nicht gesondert erwähnt werden, da er durch seine Vielseitigkeit den Kaderplatz sicher haben dürfte. Er lief als Safety und Returner auf. - Kann Defensive Back DeShawn Shead seine Rolle in der Secondary untermauern, sodass er uncutbar ist?
Wie in der Vorschau erwähnt, ist es für Shead möglicherweise einfacher, in der schwächer besetzten Cornerback-Positionsgruppe seine Rolle zu finden, so wie schon in alten Zeiten bei den Seahawks. Gegen die Raiders begann der Veteran als rechter Cornerback und fiel nicht negativ auf. Am Ende könnte es eine Entscheidung zwischen King und Shead werden, die nach der schwachen Preseason des Erstgenannten (bis auf den forcierten Fumble im vierten Quarter gegen die Raiders) der Veteran gewinnen müsste. - Rettet sich Linebacker Shaquem Griffin mit einem soliden Auftritt vor der Entlassung?
Griffin war vor allem in den Special Teams zu sehen – und das wie auch in Week 1 der Preseason mit guten Aktionen. Jedoch hatte einer seiner Hauptkonkurrenten um den Kaderplatz, Ben Burr-Kirven, eine solch gute Nacht, dass auch ein solider Auftritt von Griffin zu wenig sein könnte, um im Team zu bleiben. BBK war in der ersten Halbzeit überall, als Special Teamer, Pass Rusher, Lauf-Stopper und Ball-Abfälscher. Gerade deshalb verwundert es umso mehr, dass Griffin nach zwei verpassten Testspielen nicht auch in der Defense ein paar Snaps bekam. Der Publikumsliebling wackelt gewaltig. Ob die Tatsache, dass Griffin am Ende mit einem in Eis verpackten Knie (Verletzung laut Pete Carroll wieder aufgebrochen) an der Seitenlinie stand, daran etwas ändert…? - Welcher Backup-D-Liner bewirbt sich nochmals mit guter Leistung um einen Platz in der Rotation?
Jamie Meder war einige Male als Lauf-Verteidiger zur Stelle, Branden Jackson ebenfalls. Die Sacks (unser Dank dafür geht natürlich auch raus an Tom Cable) kamen von Linebacker Burr-Kirven, Defensive Back King und Edge Rusher Cassius Marsh. Jackson bewahrte die Seahawks mit seinem Tackle vor der unnötigen Overtime, als die Raiders kurz vor Schluss die Two-Point Conversion zum Ausgleich verwandeln wollten. - Macht Safety Marquise Blair mit einem erneut starken Auftritt seinen Platz in der Startformation neben Bradley McDougald klar?
Blair begann die Partie (neben Lano Hill) auf dem Feld, kehrte aber im zweiten Quarter nicht mehr zurück, weil seine Verletzung (Rücken/Hüfte) sich wieder verschlimmert hatte. Die Wahrscheinlichkeit, dass er in Week 1 der Regular Season von Beginn an aufläuft, ist geringer geworden. Somit werden gegen die Cincinnati Bengals wohl zunächst Bradley McDougald und Tedric Thompson/Lano Hill in der Startformation stehen. - Sehen wir die Running Backs J.D. McKissic, C.J. Prosise und Travis Homer nochmals, bevor eventuell einer von ihnen entlassen werden muss?
McKissic bekam den Return bei Kickoff, konnte daraus aber nichts Weltbewegendes machen. Danach verschwand er wieder von der Bildfläche, so wie es in der gesamten Preseason der Fall war. Sein Kaderplatz ist mittlerweile ernsthaft in Gefahr, weil neben Tyler Lockett auch Rashaad Penny und Ugochukwu Amadi als Returner eingesetzt werden und auf Running Back andere Kandidaten mehr überzeugen. Prosise sicherte seinen Kaderplatz endgültig mit einem Lauf über 30 Yards im ersten Quarter. Danach wurde er geschont. Sollte nicht eine Verletzung ihn erneut zurückwerfen (wir klopfen dreimal auf Holz), gehört er zu den glorreichen 53, die die Saison im aktiven Kader beginnen. Homer kam in Halbzeit zwei ins Spiel, sah aber zunächst nicht viel Freiraum, um heißzulaufen. Anfang des vierten Quarters brach er einmal für 27 Yards Raumgewinn durch. - Kann sich Pass Rusher Barkevious Mingo mit einer guten Performance vor dem für Seattle finanziell attraktiven Roster Cut retten?
Mingo war als Pass Rusher nicht sonderlich bemerkbar. Pete Carroll lobte ihn unter der Woche als grandiosen Special Teamer, doch ist das genug, um die Entlassung aus finanziellen Gründen zu verhindern? Gerade Burr-Kirven übte in Week 4 der Preseason gewaltig Druck aus, sodass der Kampf um die Linebacker-Kaderplätze eventuell nochmals aufgemischt wurde. - Darf Guard Ethan Pocic nochmals aufs Spielfeld, bevor er in Week 1 der Regular Season wohl den noch verletzten Mike Iupati ersetzen muss?
Nein, Pocic war nicht zu sehen, was auch gut ist. Weil für Iupati die Rückkehr bis zum Saisonstart eine enge Sache wird, muss Pocic wie ein Starter behandelt, sprich geschont werden. - Wer schnappt sich den vermeintlich letzten verbleibenden Kaderplatz für Wide Receiver?
Keenan Reynolds, Terry Wright und Jazz Ferguson wurden in der ersten Halbzeit spektakulär angespielt. Reynolds direkt im ersten Drive zweifach, Wright im selben Drive für den langen Touchdown-Pass über die rechte Seite (39 Yards) und Jazz Ferguson kurz vor dem zweiten Touchdown im zweiten Quarter (41 Yards). Von John Ursua und Gary Jennings (von Pete Carroll unter der Woche als zwei Rookies beschrieben, die im Gegensatz zu DK Metcalf noch Probleme mit dem Playbook haben) war bis dahin in der Offensive nichts zu sehen. Das sollte bei Ursua nicht problematisch sein, für Jennings bedeutet es aber nichts Gutes. Letzterer fiel am Ende nur einmal auf, als er bei einem Punt den gegnerischen Returner zu früh attackierte und dafür eine Flag kassierte. Das macht dann einen Catch und zwei Strafen für den Rookie in der Preseason 2019 – nicht gut. Auch wenn die Seahawks am Ende sieben Receiver im Kader behalte, dürfte es für Jennings eng werden. - Sehen wir Edge Rusher Ezekiel Ansah für ein paar Snaps oder wird er bis zum Beginn der Regular Season geschont?
Ansah wurde wie alle Stammspieler geschont, was Pete Carroll schon angedeutet hatte. Der Neuzugang wird in Week 1 der Regular Season als Starter auf dem Feld stehen, wenn er fit bleibt. - Bringt Läufer Rashaad Penny endlich ein paar längere Runs auf den Kunstrasen, um den Erwartungsdruck etwas zu dämpfen?
Penny war über die gesamte Spielzeit hinweg nicht zu sehen. Es ist unklar, was genau das bedeutet. Aus dem 53-Mann-Kader wird der Erstrundenpick 2018 jedoch nicht fliegen.
Nun zur Antwort auf die Bonusfrage:
- Kommt Wide Receiver Antonio Brown mit nach Seattle oder bleibt er zu Hause, um seine Füße zu pflegen und weiter nach einem neuen alten Helm (inklusive Sponsorenvertrag) zu suchen?
Offenbar brachte Raiders-Cheftrainer Jon Gruden nur etwas mehr als die Hälfte seines Kaders mit nach Seattle. Antonio Brown war nicht unter den Aktiven, der den Seahawks bestens bekannte Tight End Luke Willson hingegen schon. Er sitzt aktuell auf Platz drei in der Depth Chart der Raiders, dürfte den Cut also überstehen (falls die Raiders wie in Hard Knocks angedeutet vier Tight Ends behalten).
Wer hat gespielt? Wer nicht?
Starter – Fehlanzeige, erwartungsgemäß (bis auf Cassius Marsh, wenn man den dazu zählen will). Folgende Startformationen liefen auf, ehe munter durchgemischt wurde:
Seahawks' defensive starters:
CB DeShawn Shead
CB Akeem King
NB Jamar Taylor
FS Marquise Blair
SS Lano Hill
DE Barkevious Mingo
DE Logan Tago
DT Earl Mitchell
DT Jamie Meder
LB Cody Barton
LB Austin Calitro— Brady Henderson (@BradyHenderson) August 30, 2019
Seahawks' offensive starters were:
QB Geno Smith
RB C.J. Prosise
WR Keenan Reynolds
WR Malik Turner
TE Jackson Harris
TE Jacob Hollister
RT Elijah Nkansah
RG Jordan Roos
C Marcus Martin
LG Landon Turner
LT Jamarco Jones— Brady Henderson (@BradyHenderson) August 30, 2019
Wie geht’s weiter?
Den Verantwortlichen der Seattle Seahawks bleiben nun rund eineinhalb Tage, um das letzte Spiel der Preseason 2019 zu analysieren. Bis 22 Uhr deutscher Zeit am Samstag müssen die finalen 53 bei der NFL gemeldet sein. Die Spieler, die Freitag und Samstag frei haben, können diese Tage meist nur wenig genießen, wenn sie Wackelkandidaten sind. Wer keinen Anruf bekommt, freut sich, denn er hat die Roster Cuts überstanden. Leuchtet aber an einem der zwei Tage die Telefonnummer aus dem VMAC auf dem Smartphone auf, bedeutet das in der Regel die Entlassung.
Richtig ernst wird es dann am 8. September, wenn die Seahawks die Regular Season um 22.05 Uhr deutscher Zeit mit einem Heimspiel gegen die Cincinnati Bengals eröffnen.