In der Nacht von Sonntag auf Montag stand das Spitzenspiel der NFC auf dem Programm. In einer packenden Partie konnte Seattle die Mannen aus Atlanta mit 26:24 niederringen. In unserer Analyse blicken wir auf positive, negative und neutrale Aspekte des Spiels zurück und gehen auch auf die viel diskutierte Schiedsrichterentscheidung am Ende der Partie ein.
SCORING
Positiv:
- Russell Wilson: Der Quarterback mit einer soliden Leistung. Er brachte 25 von 37 Pässen an den Mann und konnte einen Raumgewinn von 270 Yards verbuchen. Zudem erlief er sieben Yards. Insgesamt wirkte er trotz der Erholungspause durch die Bye Week nicht wirklich fit – man weiß nicht, ob ihn die Knieverletzung (er spielte erneut mit einer Schiene am Knie) nicht doch mehr behindert, als er zugibt. Ganz im Vorbeigehen stellte Wilson allerdings noch einen NFL-Rekord auf: Er ist der Quarterback der Geschichte, der am schnellsten 50 Siege in seinen ersten fünf Spielzeiten sammeln konnte. Glückwunsch!
- Offensive Line: Deutlicher, weiterer Fortschritt zu bemerken. Seit Germain Efedi dabei ist, ist die O-Line deutlich disziplinierter, deutlich stärker geworden, was sich unter anderem in der Sack-Statistik niederschlägt. Nur einmal schaffte es Atlanta Wilson zu Boden zu bringen.
- Jimmy Graham: 6 Catches für 89 Yards waren erneut eine gute Leistung. Wieder war Graham wichtigster Receiver von Russell Wilson.
- Cliff Avril: Unser Passrusher mit der Nummer 56 setzte vor allem in der 1. Halbzeit Falcons-QB Ryan immer wieder unter Druck. Avril konnte zwei Sacks erzielen, bei einem konnte er ein Forced Fumble verbuchen. Klasse Leistung!
- Earl Thomas III: Der Pro Bowler mit seiner besten Leistung seit langem. Er war überall zu finden, versuchte vor allem in Hälfte zwei immer wieder Löcher zu stopfen – toller Leader! Sahnehäubchen war seine ganz wichtige Interception als das Spiel endgültig in Richtung Falcons zu kippen drohte
- Bobby Wagner: Drei Tackles und elf Assists – das sagt eigentlich schon alles aus. Bobby mit einer überragenden Partie.
- DeShawn Shead: Wer sich gefragt hat warum der Cornerback zu Saisonbeginn das „C“ auf die Brust bekam – seit gestern weiß man es. Sieben Tackles, ein Assist. Bärenstark.
- Publikum: Mal wieder DER Faktor, der es bei Heimspielen sein kann und muss. Klasse.
Neutral:
- Leistungsunterschiede: Man kam aus dem Staunen eigentlich kaum raus – in der 1. Halbzeit über die Art und Weise, wie man die Falcons dominiert hat – in der 2. Halbzeit, wie die Falcons Seattle dominiert haben. Hier sollte man möglichst für weniger Schwankungen Sorgen – so ein glückliches Ende gibt es nicht immer.
- Steve Hauschka und Kicking-Unit: Mit Licht und Schatten – zunächst der verschossene PAT, dann das geblockte Field Goal, schlußendlich dann der Gamewinner – der Abend von „Mr. Zuverlässig“ stand gestern sprichwörtlich für diese rasante Partie.
Negativ:
- Unstimmigkeiten: Natürlich kann man einen Matt Ryan und seine Receiver (allen voran Julio Jones mit 139 gefangenen Yards) nicht immer komplett zudecken. Fehler passieren auf diesem Niveau irgendwann zwangsläufig. Aber dass man dann seine Zwistigkeiten vor aller Augen austrägt, war doch neu. Sherman war auch im Interview nach Spielende nach dem Duschen immer noch ziemlich angesäuert. Sowas hatte man bisher im Team öffentlich noch nicht gesehen, und ich hoffe dabei bleibt es auch. Der Grund für Shermans Ausrasten am Spielfeldrand war seiner eigenen Aussage nach die Tatsache, dass die Defense in der Vorbereitung auf die Partie exakt die Fehler angesprochen hatte, die sie dann gegen Atlanta doch wieder machte. Kein Mitspieler schaffte es, Sherman zu beruhigen.
- Kein Ersatz für Chancellor: Konnte in Halbzeit eins durch die gute Leistung der Secondary das Fehlen von Kam (Leistenprobleme) noch kaschiert werden, trat dann in Halbzeit zwei deutlich zu Tage, dass Kelcie McCray kaum ein gleichwertiger Ersatz war. Auch hinter den verletzten Bennett und Clark würde es schnell mau aussehen. Hoffen wir, dass alle schnell wieder fit werden und vor allem bleiben. Frank Clark laboriert an einer Oberschenkelverletzung, bei Michael Bennett sprach Coach Caroll von Knieproblemen.
- Schiedsrichter: Es ist immer unschön, wenn im entscheidenden Moment eines Spiels Wichtiges übersehen wird. Auch wenn sich das meist über die lange Distanz ausgleicht, ist das für die Falcons und Coach Quinn natürlich bitter. Wie FOX-Experte Mike Pereira richtig sagte:
No question that was PI. They're all tough, but you have to make that call. #ATLvsSEA
— Mike Pereira (@MikePereira) October 16, 2016
Ohne Zweifel, die Fehlentscheidung am Ende, als eine Pass Interference von Sherman an Jones hätte geahndet werden müssen, begünstigte die Situation der Seahawks, die nach dem Turnover on downs nur noch abkniffen mussten und am Ende etwas glücklich mit 26:24 gewannen. Gejammer à la „Wir wurden des Sieges beraubt“ von Anhängern der Atlanta Falcons ist jedoch aus zwei Gründen unangebracht:
- Was passierte vor der Pass Interference? Julio Jones brachte Richard Sherman mit einem regelwidrigen Handschlag auf die Facemask ins Straucheln, weshalb er plötzlich für einen Moment offen war, wie es sonst gegen einen Cornerback dieser Klasse selten vorkommt. Zur PI hätte es daher überhaupt nicht kommen dürfen. Außerdem gab es einige Plays zuvor eine ähnlich umstrittene Schiedsrichterentscheidung, als bei einem tiefen Pass von Russell Wilson auf Jermaine Kearse ebenfalls gegen PI entschieden wurde. Das „They let us play [Die Schiedsrichter ließen uns spielen]“ von Richard Sherman ist in dieser Hinsicht eine nicht ganz falsch Auffassung. Benachteiligung ist immer eine Frage der Perspektive.
- Die Falcons haben das Spiel definitiv nicht bei diesem fragwürdigen Play verloren. Ein Field Goal muss man auch erst verwandeln. Wenn man sicher gehen will, ein Spiel zu gewinnen, sollte man vier Viertel lang gute Leistung abrufen. In der 1. Halbzeit schien Atlanta nicht anwesend zu sein. Natürlich hatte Seattle auch eine Schwächephase im 3. Viertel, fing sich jedoch im 4. Viertel wieder recht schnell und kann aufgrund des insgesamt solideren Auftritts als verdienter Sieger bezeichnet werden.
Nehmen wir die Schiedsrichterentscheidung als gutes Omen: 2012 gegen die Green Bay Packers entschieden die Refs mit dem Schlusspfiff für Golden Tate und die Seahawks auf Touchdown, ein Play, das als „Fail Mary“ in die Geschichte einging – am Ende der Saison zogen die Seahawks in die Playoffs ein und scheiterten erst an den Atlanta Falcons. Ein Jahr später holte Seattle den Super Bowl-Titel. Eine Erfolgsgeschichte begann. Wer weiß, wie wie die Geschichte diese Saison weiter geht…
Geht es wie 2012, verlieren die Seahawks diese Saison in der Divisional Round, holen 2017/18 den Super Bowl-Titel und verlieren ein weiteres Jahr später im großen Finale, weil sie ein Passspielzug statt Laufspielzug callen. Hm.