Recap: Regular Season 2017 (Week 14) – Seahawks @ Jaguars

Earl Thomas stand einfach nur da und stemmte die Hände in die Hüften, unten auf dem Spielfeld im EverBank Field. Er sah zu, wie sich seine Kollegen – Mit- und Gegenspieler – ein paar Meter von ihm entfernt an den Kragen gingen, als klar war, dass die Seattle Seahawks den Jacksonville Jaguars mit 24:30 unterliegen würden. Es war das unschöne Ende eines Abends, den der Safety von allen Spielern aus dem Pacific Northwest wohl am realistischsten einschätzte. Sein Team hatte es nicht geschafft, einen durchschnittlichen Quarterback in den Griff zu bekommen. Die Seahawks wurden von einer Mannschaft besiegt, deren große Stärke die Verteidigung ist, mit der einst Seattle über Jahre hinweg glänzte.

An die Leistung aus dem Statement-Sieg gegen die Philadelphia Eagles in der Vorwoche konnten die Seahawks nicht anknüpfen. Sie wurden in Florida deutlicher besiegt, als es das Endergebnis aussagt. Zeit für eine realistische Einschätzung zu einem enttäuschenden Auswärtsspiel mit wenigen Glanzpunkten.

Positiv:

Laufspiel: Endlich mal ist das Laufspiel in dieser Kategorie platziert. Vom Volumen her war Mike Davis der beste Läufer, er erzielte mit 15 Carries 66 Yards. Dazu sammelte Seattle durch Russell Wilson (5/50YDS), J.D. McKissic (3/15YDS) und Tyler Lockett (1/10YDS) weitere 75 Yards. Damit kam das Team auf insgesamt 141 Yards und 5,9 Yards pro Lauf und war sowohl pro Carry als auch von den absoluten Zahlen her deutlich besser als der Saison-Durchschnitt. Besonders Mike Davis hat daran maßgeblichen Anteil. Bevor er mit einer (hoffentlich minder schweren) Rippenverletzung (Running Back-Fluch 2017) vom Feld musste, produzierte er 40 Yards nach Kontakt und ließ vier Gegenspieler aussteigen.

Neutral:

QB Russell Wilson: Es wirkte fast so, als wolle Russell Wilson zeigen, dass er die hochgehandelte Jaguars-Defense mit langen Würfen besiegen kann, um deren Stärke zu entzaubern. Daraus wurde nichts. Der Spielmacher kam auf drei Interceptions und drei Touchdowns. Gerade Wilsons Pässe bei den Interceptions waren erzwungen, in die Doppeldeckung geworfen oder ungenau. In der Vergangenheit waren die tiefen Pässe oft eine vielversprechende Option, gegen Jacksonville gingen sie bis zum rätselhaften Versagen der Jaguars-Defense im vierten Viertel nicht auf. Dazu kommt: Das eigentlich ideale Matchup für Jimmy Graham ignorierten die Seahawks fahrlässig oder setzten es nicht gut um.

Negativ:

Verletzungen: Schon im Training hatte sich Linebacker Bobby Wagner in der vergangenen Woche mit einer Oberschenkelverletzung herumgeplagt. Diese zwang ihn im Spiel dann leider an die Seitenlinie. Als der DPOY-Kandidat nicht mehr auf dem Feld war, hatten die Jaguars – so schien es – freie Bahn in die Seahawks-Endzone. Alle Jacksonville-Touchdowns kamen zustande, nachdem Wagner nicht mehr im Einsatz war. Später erwischte es auch seinen Tandem-Partner K.J. Wright bei einem Tacke-Versuch. Erste Diagnose: Gehirnerschütterung. Da Wright nun im Concussion-Protokoll ist, wird wohl erst gegen Ende der Woche klar sein, ob er am kommenden Sonntag zurückkehrt. Auch zum Grad von Wagners Verletzung gibt es bislang keine Auskunft.

Disziplinlosigkeiten: In den sozialen Medien hat der Fanklub diesen Punkt am Montag bereits thematisiert. Doch auch an dieser Stelle soll er nochmals aufgegriffen werden. Disziplinlosigkeiten sieht man bei den Seahawks sowohl während des Spiels zu häufig als auch nach Ende des Spiels leider immer wieder. Schlägereien, gezielte Inkaufnahme von Verletzungen und unkontrollierte Wutausbrüche werfen nicht nur ein schlechtes Bild auf die Spieler, sondern auch auf die Trainer und die gesamte Franchise. Der einzige Weg, diese Undiszipliniertheit abzustellen, sind interne Gespräche. Head Coach Pete Carroll ist bekannt für seine lange Leine für die Spieler. Vielleicht rächt sich das nun, da eben nicht alle Athleten bei den Seahawks erwachsen genug sind, mit einer ernüchternden Niederlage dieser Art umzugehen. Im schlimmsten Fall werden Michaell Bennett, Sheldon Richardson und Quinton Jefferson oder auch nur ein oder zwei der drei Spieler für das Schlüsselspiel gegen die Los Angeles Rams gesperrt.
Ja, Emotionen gehören zum Sport dazu. Ja, einige Anhänger der Jaguars, Fans sollte man sie nicht nennen, trugen zur aufgeheizten Stimmung im Stadion bei. Und ja, der große Ehrgeiz ist etwas, das die Seahawks in den vergangenen Jahren ausgemacht hat. Doch am Sonntag wurde eine Grenze überschritten. Pete Carroll muss nun dafür sorgen, dass das nicht wieder passiert. Und er muss dabei sein Verhalten hinterfragen, denn auch er stand plötzlich ohne Erlaubnis auf dem Spielfeld vor den Schiedsrichtern und war außer sich.
UPDATE: Wie inzwischen bekannt wurde, werden die Vorfälle aus den Schlussminuten geprüft, doch es wird keine Suspendierungen geben. Glück gehabt, Seahawks. Auch die wären durchaus nachvollziehbar gewesen.

RT Germain Ifedi: Die Offensive Line spielt besser, viel besser als noch vor ein paar Wochen. Der Trade von Duane Brown und die immer besser werdende Chemie der Starter sind der Grund dafür. Ein Spieler aber sticht immer wieder negativ aus dem insgesamt verbesserten Kollektiv heraus: Germain Ifedi. Sei es durch Strafen oder permanenten Druck auf Russell Wilsons rechte Seite, der Right Tackle macht keine gute Figur. Gegen Jacksonville war er gegen den Pass Rush zwar aggressiv, leider aber meist nur nach dem Spielzug. Ifedi legte sich mit den Schiedsrichtern und Gegenspieler Dante Fowler an – er war nicht weit davon entfernt, sich ein Personal Foul abzuholen. Die riesige Schwachstelle der Seahawks in der O-Line ist nicht zu übersehen. Spätestens in der Offseason muss diese Position angegangen werden, sei es, indem Ifedi wieder auf Right Guard verschoben wird oder indem ein neuer Right Tackle verpflichtet wird.

Fazit:

Kollege Henri Wolfarth tippte in der Vorschau auf ein 20:10 für das Team aus dem Pacific Northwest. Er wurde, wie wohl wir alle, von einem nahezu fehlerfreien Blake Bortles überrascht. Die Niederlage gegen die Jacksonville Jaguars ist mehrfach bitter, da fast die gesamte NFC gegen die Seattle Seahawks gespielt hat und zwei weitere Schlüsselspieler auszufallen drohen. Immerhin verloren auch die Los Angeles Rams, sodass das Aufeinandertreffen am kommenden Sonntag weiterhin enorme Bedeutung hat. Seattle hat es weiterhin selbst in der Hand: Mit einem Sieg klettern die Seahawks auf Platz eins in der NFC West, mit einer Niederlage rutschen die Playoffs in weite Ferne. Ob die Linebacker Bobby Wagner (Oberschenkel) und K.J. Wright (Gehirnerschütterung) dann wieder dabei sind, ist noch unklar.

Die kommende Woche wird eine charakterbildende. Die Seahawks müssen zeigen, dass sie aus groben Fehlern lernen, selbstkritisch sein und auf dem Platz für positive Schlagzeilen sorgen können. Sie müssen nach den unschönen Schlussminuten die Gunst einiger Fans zurückgewinnen und sich an Earl Thomas ein Beispiel nehmen und die Energie aus der Unzufriedenheit in harte Arbeit investieren. Wer Thomas kennt, der weiß, dass ihm die Niederlage schlaflose Nächte bereitet haben wird. Hoffentlich nicht nur ihm.