Recap: Regular Season 2019 (Week 2) – Seahawks @ Steelers

In Week 1 mit einem Punkt Vorsprung gewonnen, in Week 2 mit zwei Punkten Vorsprung. Die Seattle Seahawks haben auch auswärts ihr Auftaktspiel gemeistert. Sie besiegten die Steelers im Heinz Field mit 28:26 – und gewannen damit erstmals seit 1999 wieder in Pittsburgh. Ohne die zwei Fumbles wäre es eine dominante Vorstellung des Teams aus dem Pacific Northwest gewesen. So aber wurde die Partie kurz vor Schluss nochmals spannend. Im Rückblick dreht sich alles um den Dissly-Dissly-Hype, eine Aufforderung zum Tanz und eine Geburtstagsdusche.

Positiv:

TE Will Dissly: Der Tight End hat in seiner Karriere als Profi bislang 14 Bälle gefangen – vier davon waren Touchdowns. Will Dissly knüpfte nahtlos dort an, wo er vor seiner schweren Knieverletzung in Week 4 der Regular Season 2018 aufgehört hatte. Alle fünf Pässe in seine Richtung fing er am Sonntag gegen die Steelers und sammelte dabei neben den zwei Besuchen in der Endzone auch noch 50 Yards. Die Seahawks haben ihren Nummer-eins-Tight-End gefunden. Aber vielleicht wussten wir das schon im September des vergangenen Jahres.

QB Russell Wilson: Vergangene Woche sahen wir den Spielmacher als Ruhepol, Ballverteiler und Germain Ifedis persönlichen Babysitter. Diesmal fügte Wilson seinem Lebenslauf noch ein weiteres Sternchen in der Rubrik Vorblocker hinzu. Beim Touchdown-Lauf von Rashaad Penny sprintete der Quarterback vor seinem Running Back her und blockte ihm gleich zwei Gegenspieler aus dem Weg.
Und sonst so? Ach, nur absurde 82,9 Prozent Completions bei 35 Pässen, in der zweiten Halbzeit hervorragende Checks, als Pittsburgh blitzte, 1,89 Sekunden bis zum Wurf, 300 Yards und drei Touchdowns. Einzig diese Quarterback-Slides auf dem Naturrasen im Heinz Field waren nicht so schön anzusehen. Beim ersten blieb Wilson unglücklich im Rasen hängen, verdrehte sich das Bein, verletzte sich aber zum Glück nicht. Schrecksekunde. Die darauffolgenden zwei Läufe Wilsons waren zwar wichtig für die Offense, aber nur schwer mit anzusehen.

WR Malik Turner: Drei Receptions für 54 Yards für den Receiver, den wohl die wenigsten Experten im 53-Mann-Kader vermutet hätten. Turner scheint den Rookies John Ursua (erstmals aktiv in Week 2) und Gary Jennings (wie in Week 1 inaktiv) noch etwas voraus zu haben, sei es in Sachen Playbook oder in Sachen Explosivität auf dem Spielfeld. Tyler Locketts zehn Fänge für 79 Yards gingen dabei fast unter.

HC Pete Carroll: Herzlichen Glückwunsch zum 68. Geburtstag und zum 100. Sieg mit den Seahawks, Trainer. Mit einer Gatorade (okay, es war Wasser)-Dusche im Stadion und einem W im Gepäck auf der Heimreise feiert es sich doch richtig gut, oder?
Bevor gefeiert wird: Carroll nutzte gegen die Steelers gleich zweimal die Möglichkeit, Pass Interference zu challengen. Beim ersten Versuch – nach einer klaren Defensive Pass Interference von Linebacker Mychal Kendricks – muss man sich wirklich fragen, wer Carroll dazu angestiftet hat, die rote Flagge zu werfen. Da gab es wirklich nichts zu challengen. Carroll machte den Fehler wieder gut, als er später erneut die rote Flagge warf, um eine Passbehinderung der Steelers gegen Tyler Lockett überprüfen zu lassen – diesmal mit Erfolg.

RB Rashaad Penny: In Week 2 näherte sich der Läufer langsam seiner angedachten Rolle im Laufspiel der Seahawks an. Penny erhielt zehn Carries (Carson: 15) und machte daraus 62 Yards (6,2 Yards pro Lauf) und einen Touchdown nach einem fiesen Richtungswechsel. Unter der Woche wurde in der Nachgehawkt-Kolumne Pennys Rolle noch diskutiert. Das Spiel zeigte, dass über den Running Back in seinem zweiten Jahr noch lange nicht das letzte Wort gesprochen ist.
Dennoch wünscht man sich von einem Spieler in seinem zweiten Jahr langsam ein wenig mehr Cleverness und Spielverständnis. Ein Beispiel: Beim letzten Kickoff der Steelers vor der Halbzeitpause kullerte der Ball ganz nah an die Seitenauslinie vor der Endzone der Seahawks. Hätte Penny sich mit einem Fuß im Aus positioniert und dann den Ball aufgenommen, wäre der Kick als Strafe gegen Pittsburgh gewertet worden – Seattle hätte den Drive an der eigenen 35-Yard-Linie begonnen. Stattdessen nahm Penny den Ball im Feld auf, lief los und wurde an der eigenen 24 gestoppt. Der anschließende Zwei-Minuten-Drill, bei dem erstmals in dieser Saison C.J. Prosise zum Einsatz (drei Catches und zwei Läufe) kam, wurde von schlechtem Zeitmanagement zerstört.

S Bradley McDougald: Das Schweizer Taschenmesser der Seahawks-Defense wirkte auch mit neuem Partner (Lano Hill) an seiner Seite gewohnt souverän. McDougald glänzte mit der ersten Interception Seattles in dieser Spielzeit, als er einen von Donte Moncrief nicht gefangenen Pass am Spielfeldrand vor der Incompletion rettete.

Neutral:

Front Seven: Die Front Seven der Seahawks hat in dieser Saison ein neues Hobby: Pässe blocken. Zweimal gelang es am Sonntag, Würfe der Steelers-Quarterbacks (zunächst der erfahrene Ben Roethlisberger, nach dessen Ausfall dann ein überraschend souveräner Mason Rudolph) so abzufälschen, dass sie ihr Ziel verfehlten. In Week 1 funktionierte das ähnlich gut. Defensive End Jadeveon Clowney und Linebacker Bobby Wagner waren diesmal verantwortlich für die Blocks. Edge Rusher Branden Jackson ergänzte die halbwegs ordentliche Leistung der Positionsgruppe in seiner Heimatstadt mit dem einzigen Sack der Seahawks an diesem Abend. Ordentlich auch, weil Seattle ohne Poona Ford (kurzfristig verletzt), Ziggy Ansah (debütiert wohl in Week 3) und Jarran Reed (bis einschließlich Week 6 gesperrt) antrat. Spätestens wenn diese drei Verteidiger auf dem Feld stehen und der am Sonntag erstmals aktive L.J. Collier seinen Platz im Team gefunden hat, muss der gegnerische Quarterback mehr Druck zu spüren bekommen.
Ganz viel Liebe übrigens für diesen großartigen Moment, als Linebacker K.J. Wright den Steelers-Receiver JuJu Smith-Schuster zum Tanz auffordern… äääh… tacklen wollte:

WR DK Metcalf: Dreimal versuchte Russell Wilson den (mittel)langen Pass nach links auf Metcalf – dreimal war ein Verteidiger zur Stelle (oder der Rookie verursachte eine Strafe). Beim vierten Versuch dann klappte es im vierten Quarter endlich. Wilson fand Metcalf für einen 28-Yard-Touchdown, den der Receiver beim dritten Nachfassen sicherte. Übrigens war Metcalf auch Anspielstation, als die Seahawks das Spiel in der Offensive mit einem Pass (!) eröffneten.

Play Calling: Eine satte Portion Kurzpassspiel gegen den Blitz und deutlich weniger Laufspiel und Play Action bei den frühen Downs zur Entlastung der O-Line (insgesamt 35 Pässe, 33 Läufe). Pässe auf die Running Backs als Screens hinter die Line of Scrimmage. Attacken auf die Nahtstellen in der Steelers-Secondary mit Pässen zu Tight Ends. Offensive Coordinator Brian Schottenheimer mischte beim Play Calling gut durch und passte die Offensive an, als er Pittsburg Seattles O-Line auseinandernehmen sah. Die Änderungen in der Halbzeitpause fruchteten, Wilson wurde in Hälfte zwei nicht mehr zu Boden gebracht und fand deutlich schneller Anspielstationen. So sind die Seahawks auf dem richtigen Weg.

S Lano Hill: Der Safety begann wie erwartet für den am Oberschenkel verletzten Tedric Thompson und machte keinen größeren Fehler. Marquise Blair ist in Sachen Playbook noch hinterher und wird deshalb nur langsam an die Startformation herangeführt. Beim Flea Flicker (zum zweiten Mal in dieser Saison wurde Seattle per Trickspielzug geschlagen) war Hill zu weit weg von seinem Gegenspieler. Bei einer versuchten Two-Point Conversion der Steelers war er dann aber mit der Interception zur Stelle – und zwei Punkte sollten am Ende den Unterschied machen.

RB Chris Carson: Aus 15 Carries machte der Nummer-eins-Running Back 61 Yards. 4,1 Yards pro Lauf sind in Ordnung. Nicht in Ordnung sind dagegen die nun zwei Fumbles in zwei Spielen. 2018 übersprang Carson Gegenspieler mit dem Ball in der Hand und schlug sogar einen Salto. 2019 lässt er die von ihm bekannte Ballsicherheit bislang vermissen. Das ist nach zwei Spielen noch kein Drama, aber eben etwas, das nicht außer Acht gelassen werden sollte. Und dabei ist definitiv der Ballverlust kurz vor Spielende nicht berücksichtigt, der das Spiel nochmals spannend machte. Die O-Line gab Russell Wilson und seinem Running Back in dieser Situation keine Chance, die Ballübergabe sauber zu gestalten.

Negativ:

O-Line: Die Positionsgruppe wirkte trotz des Debüts von Veteran Mike Iupati auf Guard erneut wacklig (beziehungsweise den Anforderungen des Playbooks nicht gewachsen) und war Hauptgrund für die Anpassungen im Offensivspiel der Seahawks. Wie in Week 1 wurde Russell Wilson bei zwei aufeinanderfolgenden Plays gesacked, als die O-Line im zweiten Drive des Spiels zweimal Steelers-D-Liner Stephon Tuitt vorbeiziehen ließ. Es bleibt zu hoffen, dass sich die Angriffslinie in den kommenden Wochen stabilisiert und auch Seattles Laufspiel wieder zu alter Stärke verhilft.
Trotzdem darf man nicht vergessen, dass neben der O-Line auch Running Backs und Tight Ends aufgaben beim Pass-Blocking (und teils Lauf-Blocking) haben und diesen möglicherweise nicht nachgekommen sind. Das Problem nur auf die Angriffslinie zu schieben, wäre demnach zu einfach.

T Germain Ifedi: Die Copy-und-Paste-Rubrik des wöchentlichen Rückblicks ist natürlich auch diesmal wieder am Start. Right Tackle Germain Ifedi arbeitete gegen Pittsburgh weiter an seinem Ruf als Strafen-König. Eine Statue werden sie ihm in Seattle nicht mehr aufstellen, obwohl er doch mit beeindruckender Konstanz für gelbe Flaggen sorgt. Diesmal war der O-Liner verantwortlich für zwei Holdings und einen False Start. Right Guard D.J. Fluker folgte mit zwei Holding-Strafen diesmal dicht dahinter.

Strafen: Siehe „T Germain Ifedi“.

Defense-Formation: Viel wurde unter der Woche über die Defense-Strategie der Seahawks diskutiert. In Week 1 fußte die zu 90 Prozent auf einer Base-Formation – entgegen des Trends in der NFL, immer mehr Nickel (mit einem dritten Cornerback an Stelle eines Linebackers) zu spielen. Auch gegen die Steelers war zu Beginn wieder viel Defense mit drei Linebackern auf dem Spielfeld zu erkennen, was Pittsburgh mit seinen flinken Receivern um JuJu Smith-Schuster ausnutzte, um Mismatches zu kreieren. Als in der Nickel-Formation Rückkehrer Jamar Taylor sich um den Steelers-Slot kümmerte, limitierte er Targets, Fänge und Yards nach dem Catch der Steelers. Ja, die Seahawks haben ein fantastisches Linebacker-Trio. Aber nein, Mychal Kendricks und K.J. Wright sind eben keine geborenen Manndecker.

Verletzungen:

DE Ziggy Ansah (Schulter, Leiste) wurde auch diesmal geschont, aber sein Einsatz am dritten Spieltag bereits in Aussicht gestellt. Dann sollte er nach langer Verletzungspause endlich genug Trainingseinheiten absolviert haben, um nicht unvorbereitet ins Spiel gehen zu müssen. In Week 2 fehlten G Mike Iupati und G D.J. Fluker jeweils für mehrere Snaps. Iupati litt an Krämpfen, Fluker verletzte sich am Sprunggelenk. DT Poona Ford (Wade) und CB Neiko Thorpe (Oberschenkel) verpassten die Begegnung wie der bereits erwähnte S Tedric Thompson (Oberschenkel).

Fazit:

Die Seattle Seahawks spielten auswärts in schwieriger Umgebung. Sie spielten im frühen Zeitfenster an der Ostküste. Sie spielten gegen die Negativserie an, unter Pete Carroll seit 2010 nur eins von zwölf Auswärtsspielen in den ersten zwei Wochen der Saison gewonnen zu haben. Zusammengefasst: Sie gewannen unter widrigen Umständen. Sie stehen jetzt bei einem Record von 2-0. Das, neben den Lichtblicken beim Play Calling und in der Defensive ist Grund, zuversichtlich in die kommenden Wochen zu gehen. Mit Skill-Spielern wie Russell Wilson, Will Dissly, Tyler Lockett und DK Metcalf können die Seahawks im Passspiel für Furore sorgen – wenn sie es denn wollen, so wie am Sonntagabend gegen die Pittsburgh Steelers.