Eine erste Halbzeit zum Vergessen bringt die Seattle Seahawks früh unter Zugzwang. Auffällig bis dahin: Das eigene Laufspiel funktioniert überhaupt nicht und die Pass Coverage ist unterirdisch. Auch in der zweiten Halbzeit schlägt sich das Team aus dem Pacific Northwest in der Defense kaum besser, kassiert die meisten Punkte in Spielen der letzten zehn Jahre und verliert daher verdient mit 34:44 bei den Buffalo Bills.
Offensiv fällt vor allem DK Metcalf auf, auch David Moore und Jacob Hollister haben gute Szenen. In der Defense beeindrucken nur die sieben Sacks, alles andere ist weiterhin stark unterdurchschnittlich und die Offense der Bills nutzt das mit ihrem Game Plan super aus. Die Unit rund um QB Josh Allen liefert ein super Spiel ab und schlägt die Seahwks deutlich. Ein Sieg schien zu keinem Zeitpunkt des Spiels realistisch.
Der Spielverlauf:
- 1. Quarter: Ein dicker Return eröffnet das Spiel für die Bills. Ergebnis: drei Plays, 85 Sekunden, Touchdown. 7:0. Dann: Ein Three & Out für die Seahawks und die Bills liefern einen guten Drive ab. Mehrere busted Coverages, unnötige Strafen (Horse-Collar-Tackle z.B.) und allgemein viel zu wenig Griffigkeit der Seahawks-Defense bringen eine 14:0-Führung für die Bills. Und es sind gerade einmal sieben Minuten gespielt… Auch die Seahawks legen dann aber mal einen guten Drive aufs Parkett, der erst bei 4th & 1 kurz vor der Endzone endet. Den vierten Versuch spielen die Seahawks aus und Wilson wird von Jordan Poyer intercepted. Ein Quarter zum Vergessen.
- 2. Quarter: Josh Allen macht weiterhin was er will, bis die Defense endlich erstmals zupackt: Zuerst ein Sack durch Rückkehrer Jarran Reed, dann einer durch K.J. Wright. So reicht es erstmals nur für ein Field Goal. Die Offense scheint auch so langsam Feuer zu fangen, RW3 wirft einen Traumpass auf DK Metcalf und auch der QB-Sneak bei 4th & 1/Goal gelingt: Endlich auf dem Scoreboard! Nur noch 17:7. Nach einem weiteren sehr schwach verteidigten Drive der Bills steht Allen schon wieder an der Endzone und verteilt seine Bälle weiterhin gut. Touchdown und 24:7-Führung sind das Ergebnis. Die Seahawks verkürzen daraufhin per FG, lassen aber Zeit für einen weiteren Drive, der in einem verkickten FG der Bills endet. Halbzeitstand: 24:10.
- 3. Quarter: Die Hoffnung war wohl, den ersten Drive direkt zu nutzen, um auf ein One-Score-Game zu kommen, das misslingt aber gewaltig: Im dritten Spielzug verliert Russel Wilson den Ball bei einem Sack, die Bills nutzen die Gelegenheit und stellen nach wenigen Plays per FG auf 27:10. Ein langer Drive später steht Seattle kurz vor der Endzone und Rookie-RB DeeJay Dallas läuft den Ball ganz souverän in die Endzone, nur noch 27:17. Endlich wird Josh Allen danach mal mit zwei Sacks gestoppt und die Bills müssen erstmals punten. Die Seahawks verkürzen danach per FG von Jason Myers zum 27:20 und sind wieder in Reichweite der Bills. Auffällig dabei: Russel Wilson spielt mit dem Feuer und schrappt nur knapp an einer weiteren Interception vorbei.
- 4. Quarter: Der folgende Drive der Bills wird mehrfach durch Sacks und Blitzes fast vernichtet. Aber eben nur fast. Bei 3&16 entblößt sich die Seahawks-Secondary komplett und wird durch einen Screen aus dem Spiel genommen. Josh Allen sagt Danke und die Bills kommen zum nächsten TD. Russell Wilson beweist danach, dass er keinen guten Tag erwischt hat und wirft seine zweite Interception. Tre’Davious trägt den Ball bis kurz vor die Endzone, Josh Allen veredelt himself, 41:20 für die Bills. Ganz schnell geht es danach für die Seahawks: Wilson holt die 60-Yards-Bombe raus und WR David Moore steht ganz allein in der Endzone: Touchdown Seahawks. Wilson zerstört die aufkommende Hoffnung durch einen weiteren Fumble, die Bills holen das FG, aber DK Metcalf schlägt schnell wieder zu. 44:34. Die Bills schnappen sich den Onside Kick und knien danach das Spiel ab.
Die Hauptdarsteller:
QB Josh Allen: Was für eine erste Halbzeit. 24 von 28 Pässen angebracht für 282 Yds und drei TDs. Das schaffen viele QBs in einem ganzen Spiel nicht. Mit freundlicher Unterstützung der Seattle-Defense gelang dem jungen Quarterback insgesamt ein sehr gutes Spiel. Absolute Ruhe in der Pocket und viel getrunkenes Zielwasser verhelfen schlussendlich zu 31 von 38 angebrachten Pässen, 415 Yards, drei geworfenen und einem erlaufenen Touchdown. Jeder Fantasy-Manager wird sich über viele Punkte von ihm freuen. Der Gameplan der Bills ist perfekt aufgegangen.
WR DK Metcalf: Seit Wochen in bestechender Form gelingt Metcalf auch heute wieder ein sehr gutes Spiel. Tolle gefangene Bälle und 108 Yards bei sieben Catches und einem TD bringen den jungen Receiver dem Ziel von 1000-Saison-Yards wieder näher.
Die Bills-Defense: So sehr hat uns diese Saison noch niemand vernascht. Die hellwache Bills-Defense nutzt jede kleine Schwäche der Seahawks und fällt durch zwei Interceptions, zwei Forced Fumbles, vier Sacks und viele abgewehrte Bälle auf. Trotz 34 kassierten Punkten ein ganz starkes Spiel gegen eine der besten Offenses der Liga. In allen wichtigen Momenten war die Defense da und stellte somit die Basis, auf der die Bills-Offense das Spiel gewann.
Die Nebendarsteller:
Ehrenvolle Erwähnung: DE Carlos Dunlap für ein starkes erstes Spiel im Seahawks-Jersey. Zwei Sacks und viele gute Szenen sprechen eine gute Sprache. Hoffen wir, dass es so weiter geht. Die Laufverteidigung für insgesamt nur 34 zugelassene Rush Yards. Wenn durch die Luft allerdings alles geht, ist das auch nicht schwer. TE Jacob Hollister, für viele noch Trade-Kandidat in der vergangenen Woche, holt fünf Passfänge für 60 Yards. Ein Hallo-Wach-Zeichen durch den bisher wenig eingesetzten Tight End mit der Nummer 86.
Stets bemüht: Der Pass Rush fällt heute mal nicht extrem negativ auf. Es ist zwar noch kein Druck, wie wir ihn uns eigentlich wünschen würden, aber letztlich stehen dann doch immerhin sieben Sacks für die Seahawks zu Buche. Die Rückkehrer bei den Seahawks feiern (teilweise) gelungene Comebacks. Jarran Reed und Jamal Adams tragen jeweils zwei Sacks bei zum ordentlichen Auftritt des Pass Rushs, kreieren aber insgesamt zu wenig Druck (Reed) und verlieren den Blick für die Deckungsarbeit (Adams).
Meh: QB Russell Wilson feiert das Bounce-Back-Game nach dem Bounce-Back-Game und menschelt erneut. Selbst die sonst so starken langen Bälle misslingen heute zu oft und er trifft zu häufig die falsche Entscheidung. Auch die O-Line hält nicht gut genug und setzt unseren QB dadurch unter zusätzlichen Druck (16! Knockdowns). WR Tyler Lockett taucht heute absolut unter. Schwache Leistung von unserem Nummer-eins-Receiver. Knapp war es bei einer langen Bombe von Wilson, die unsere Nummer 16 verpasste. Dabei wäre es heute so wichtig gewesen… Die Pass Coverage der Seahawks spielt absolut unterirdisch. Da gibt es nichts zu beschönigen. Über 400 kassierte Yards und nicht in einer Sekunde des Spiels die Kontrolle über den Gegner gehabt. Das reicht einfach nicht. CB Quinton Dunbars Knieverletzung war ihm deutlich anzumerken (sehr softe Coverage, oftmals langsam und humpelnd unterwegs) und sie wurde ohne Gnade attackiert.
Die Highlights:
DE Carlos Dunlap holt seinen ersten Sack für die Seahawks. Ganz stark dabei: der ausgefahrene Kraken-Arm, aus dem Josh Allen sich nicht mehr herauswinden kann.
.@Carlos_Dunlap comes in with the sack on Josh Allen! 💪
📺: #SEAvsBUF on FOX pic.twitter.com/JpGIMFh45m
— Seattle Seahawks (@Seahawks) November 8, 2020
QB Russell Wilson feuert die 60-Yards-Bombe auf WR David Moore ab. Starker Touchdown der Seahawks.
So, und jetzt zwei Picks und zwei Touchdowns. Schnell. 😁pic.twitter.com/cAB3JVl1Kk
— German Sea Hawkers (😷) (@SeaHawkersGER) November 8, 2020
Die Randnotizen:
- DC Ken Norton Jr. steht unter Beschuss. Schwach gecallte Plays, bisher kein Fortschritt in der vom Namen her stark besetzten Secondary. HC Pete Carroll nahm ihn allerdings in Schutz, er ist defense-minded und damit in der Hauptverantwortung.
- Das Receiver-Corps der Bills spielt stark auf und verteilt die 31 Completions von Allen auf insgesamt acht Spieler. Stefon Diggs (108 Yds) und John Brown (99 Yds) fallen dabei besonders auf.
- HC Pete Carroll sagte nach dem Spiel, er habe nicht erwartet, dass die Bills komplett auf das Laufspiel verzichten würden. Ach wirklich?! Gegen die schlechteste Pass-Defense der Liga? Manchmal fehlen einem doch die Worte bei unserem Cheftrainer. Fairerweise sei gesagt: Seine Aussagen sind immer mit Vorsicht zu genießen.
Die Verletzten:
Erfreulicherweise mussten nur Left Tackle Duane Brown und Left Guard Jordan Simmons das Spielfeld kurzzeitig verlassen, beide konnten danach aber weiter machen. Strong Safety Jamal Adams humpelte zwischenzeitlich, spielte aber das Spiel durch. Linebacker K.J. Wright, Defensive Tackle Brian Mone und Nickel D.J. Reed erlitten Knöchelverletzungen. (Vorerst) Zumindest also keine ganz schlechten Nachrichten für das in den letzten Wochen doch recht große Seahawks-Lazarett.
Das Zitat:
„Ist natürlich jedem selbst überlassen und man kann weiter virtuelles Pimmelfechten machen, kein Problem. Mahomes vs. Wilson ist dann das Metadon nach der Präsidentschaftswahl.“ -Redakteur Tobi W. in der internen Redaktionsgruppe über das MVP-Rennen zwischen Russell Wilson (bereits acht INTs) und Patrick Mahomes (erst eine INT)
Der Tweet:
Rob Staton vom Seahawks Draft Blog fasst die Gedanken ganz gut zusammen: Drei schwere Spiele, daraus nur ein Sieg, die Realität schlägt zu in Seattle.
Blog: The #Seahawks knew this was the toughest stretch of the season. Now they're playing real teams, reality is biting. They are 1-2, the defense is a shambles and there’s too much on Russell Wilson’s shoulders. Notes on an embarrassing day in Buffalo: https://t.co/aR1KFo6ZMT
— Rob Staton (@robstaton) November 8, 2020
Das Fazit:
Das zweite schlechte Spiel der Seahawks in den vergangenen drei Wochen, das zweite verlorene Spiel gegen einen guten Gegner, das zweite menschliche Spiel von Russell Wilson. Das alles und die – trotz mit Rückkehrern gespickte – sehr schwache Defense, bringen tiefere Sorgenfalten auf die Stirn von Pete Carroll. So wird das nichts mit dem Super-Bowl-Run. Denn weiter stellt sich die Frage: Pretender oder Contender?
Ausblick: In Week 10 gastieren die Seahawks am 15. November um 22.25 Uhr in Los Angeles bei den Rams.