Herzschmerz nach Verlängerung. Genau das galt es für die Seahawks nach der unnötigen Heimniederlage gegen die Titans in Week 3 in Minnesota aus dem Kopf zu kriegen. Gegen die offensivstarken Vikings alles andere als einfach, zumal sich Seattles Defense kurz vor dem Kickoff noch einmal anders einstellen musste. Im Hotel wurde bei den Gastgebern nämlich klar, dass Star-RB Dalvin Cook (Knöchel) an diesem Sonntag nicht spielen würde.
Im muckelig warmen US Bank Stadium war also alles angerichtet für ein Duell mit einem DER Lieblingsgegner der Seahawks – mochte man meinen. Denn nach einem guten Start in der Offensive gelang Seattle sowohl hier, als auch in der Verteidigung fast nichts mehr. Aufseiten der Vikings konnte Kirk Cousins schalten und walten wie er wollte. Und weil das Team von Head Coach Pete Carroll weder die elitären Receiver, noch die Ersatz-Running Backs aus Minnesota stoppen konnte, ging das Spiel schließlich vollkommen verdient verloren.
Der Spielverlauf:
- 1. Quarter: Die Seahawks empfingen den Kickoff und legten mit einem starken Drive los. Nach zwei langen Pässen zu WR DK Metcalf und zwei 3rd Down-Conversions ging es in die Redzone. Hier war es erneut Metcalf, der den ersten Touchdown der Partie fing. Davon ließen sich die Vikings aber nicht beeindrucken. Ohne ein 3rd Down spurteten sie das Feld herunter und glichen durch einen Touchdown von TE Tyler Conklin aus. Seattles nächster offensiver Drive begann wieder vielversprechend. Zerstört wurde er jedoch mal wieder von einer Strafe, die einen 1st Down von Board nahm und einen erfolgreichen 53-Yard-Kick von K Jason Myers zur Folge hatte. Zwischenstand: 10:7.
- 2. Quarter: Zur Eröffnung des zweiten Viertels lieferte Minnesota den ersten 3&out des Tages ab. Eine gute Vorlage für die Offense rund um QB Russell Wilson. Mit einem Mix aus Pässen, Sweeps und Läufen marschierten die Seahawks in Person von RB Chris Carson bis in die Endzone zum Touchdown. Im nächsten Drive waren die Vikings von der Seahawks-Defense eigentlich schon tief in der eigenen Hälfte gestoppt. Doch eine fahrlässige Strafe gegen CB Ugo Amadi gab QB Kirk Cousins ein 1st Down. Diese Traumvorlage ließ er sich nicht entgehen und fand aus der Redzone schließlich WR Adam Thielen zum nächsten Touchdown. Seattle Konter saß im Anschluss nicht, weil der gute Drive bei 3rd&3 gestoppt wurde und Myers ein kurzes Field Goal knapp verschoss. Nutznießer waren natürlich die Vikings, die die Verteidigung aus dem Pacific Northwest wie Schuljungen aussehen ließ, drei von drei 3rd Downs verwandelte und Cousins WR Justin Jefferson einen einfachen Touchdown auflegte. Die letzten 16 Sekunden der ersten Spielhälfte ließen die Seahawks punktelos verstreichen. Halbzeitstand: 17:21.
- 3. Quarter: Auch zum Kickoff der zweiten Halbzeit sah es so aus, als ob die Vikings die Seahawks-Defense fest in der Hand hatten. LB Darrell Taylor hatte bei einem 3rd Down allerdings etwas dagegen und riss Kirk Cousins den Ball weg. So musste K Greg Joseph die Führung der Gastgeber per Field Goal ausbauen. Nutzen konnte das die Offense der Seahawks allerdings nicht. Eine hellwache Verteidigung aus Minneapolis forcierte blitzschnell den ersten Einsatz von P Michael Dickson an diesem Nachmittag. Zwischenstand: 17:24.
- 4. Quarter: Aus dem dritten Viertel nahmen Cousins und die Vikings den Ball absolut souverän mit in den letzten Abschnitt. Irgendwie kam die Offense der Nordmänner dann aber doch ins Stottern und Joseph kickte sein zweites Field Goal. Der berühmte 4th-Quarter-Wilson blieb im Anschluss aber erstmal in der Garage. Nach einem vermeintlichen Fumble von WR Tyler Lockett, der nach Ansicht des TV-Bildes aber schon mit dem Knie auf dem Boden war, konnte WR Freddie Swain einen schweren, einhändigen Catch nicht sichern. Die Folge: Ein Punt von Dickson. Dieses Mal hielt die Defense stand, womit Joseph das nächste Field Goal kicken durfte. Besser wurde es auf der offensiven Seite des Balles für Seattle trotz einer fahrlässigen Strafe gegen Minnesota nicht. Im Gegenteil. Bei einem 4th Down und 12 Yards warf Wilson fast seine erste Interception der Saison. Im folgenden Drive mussten dann auch die Vikings endlich zum ersten Mal punten. Das Problem: Mit 23 Sekunden auf der Spieluhr sprang der Ball an der 1-Yard-Line aus dem Feld. Aus dieser Position gelangen den Seahawks dann keine Punkte mehr. Endstand: 17:30.
Die Hauptdarsteller:
Seahawks-WR DK Metcalf: In den ersten zwei Spielen fiel Metcalf eher durch Undiszipliniertheiten auf. Doch gegen die Vikings war er sofort da und schnappte sich den ersten Pass und den ersten (und einzigen Touchdown) von Russell Wilson. Am Ende standen für Seattles Nr. 14 so sechs Catches für 107 Yards und eben ein TD.
Vikings-QB Kirk Cousins: Seine Schwäche, gegen Teams mit einer positiven Sieg-Niederlagen-Bilanz zu gewinnen, ist hinlänglich bekannt. Vor dem Spiel gegen die Seahawks hatte Kirk Cousins hier von 42 Spielen insgesamt 35 verloren. Anmerken ließ sich der Spielmacher der Vikings das an diesem Nachmittag aber nicht. So zerpflückte er die Defense von Ken Norton Jr. mit 79 Prozent angekommener Pässe, 323 Yards durch die Luft, keiner Interception und drei Passing Touchdowns.
Vikings-RB Alexander Mattison: No Cook, no Problem. Es mag sarkastisch sein, aber wenn die Vikings gegen die Seahawks spielen, dann sollte Minnesotas Head Coach Mike Zimmer in Zukunft seinen Superstar vielleicht einfach immer auf der Bank lassen. Schließlich kann es sein Ersatz, Alexander Mattison, genauso gut. Nachdem er durch eine weitere Verletung von Dalvin Cook 2020 in Seattle schon über 100 Yards erlaufen hatte, machte er es am Sonntag einfach nochmal. 26 Mal bekam der Lokalmatador den Ball an der Line of Scrimmage und erlief dabei geschmeidige 112 Rushing Yards.
Die Nebendarsteller:
Ehrenvolle Erwähnung: QB Russell Wilson für weitere 298 Passing Yards und einen Touchdown bei weiterhin keiner Interception. TE Will Dissly, der gegen die Titans keinen einzigen Ball fangen durfte, aber in Minneapolis einen Ball für satte 34 Yards aus der Luft fischte. Vielleicht sollte Wilson ihn öfters anspielen. RB Chris Carson kam vor allem in der ersten Halbzeit ordentlich ins Laufen und holte sich so 80 Yards und einen Touchdown auf dem Boden ab.
Stets bemüht: SS Jamal Adams zeigte sich engagiert und sammelte mit zwölf die meistens Tacklings aufseiten der Seahawks. Über seine Leistungen in Coverage schweigen wir aber. LB Darrell Taylor stach mit einer Aktion aus einer sonst harmlosen Defensive-Line Seattles heraus. Dank seiner unfassbaren Geschwindigkeit war er es, der Kirk Cousins als einziger Seahawk sacken und ihm dabei sogar den Ball aus der Hand schlagen konnte. RB Alex Collins entlastete Chris Carson ein ums andere Mal und verpasste DE Danielle Hunter, dem besten Pass Rusher der Vikings, den Stiff Arm des Tages.
Meh: CB Ugo Amadi hatte wie die gesamte Secondary der Seahawks einen absolut gebrauchten Tag erwischt. Doch seine Holding-Strafe bei 3rd Down, die für die Vikings am Ende aus einem Punt einen Touchdown machte, setzte dem ganzen die negative Krone auf. Das Seahawks-Time Managment, mal wieder. Pete Carroll ließ im letzten Drive der Vikings vor der Halbzeit und im vierten Viertel schon wieder wichtige Sekunden von der Uhr verstreichen, bevor er ein Time Out nahm. CB Tre Flowers ist immer noch Starter. Wer von seinen Receivern aber vor dem Snap teilweise zehn Yards Abstand hält, um ja nicht den tiefen Pass zu kassieren, der hat alles andere als Selbstvertrauen.
Die Highlights:
Zum Warmlaufen ein erster Touchdown. Und diesmal feierte DK Metcalf auch ganz entspannt, ohne Gegenspieler oder Schiedsrichter zu provozieren!
This opening drive was too easy for @dkm14 🤫
📺: #SEAvsMIN on FOX
— Seattle Seahawks (@Seahawks) September 26, 2021
Schnell, schnell in die Endzone. Dieser fast ungehinderte Lauf von Chris Carson wurde gesponsert von einem Block von RG Damien Lewis.
Can't touch Chris! @ccarson_32 takes it 30 yards all the way for the touchdown!
📺 #SEAvsMIN on FOX pic.twitter.com/8ig7PmDPMW
— Seattle Seahawks (@Seahawks) September 26, 2021
Die Randnotizen:
- Am 3. November 2019 verschoss Seattles K Jason Myers im Heimspiel gegen die damals noch Brady-losen Tampa Bay Buccaneers das letzte Mal ein Field Goal. Nach 37 erfolgreichen Versuchen endete seine vereinshistorische Serie jetzt am 26. September 2021.
- Es bleibt bei 99. Nachdem er in seiner NFL-Karriere alle sieben Spiele gegen Minnesota gewann, wollte QB Russell Wilson auch seinen 100. Regular-Season-Sieg gegen die Vikings einfahren. Seine nächste Chance hat der Seahawks-Spielmacher nach der Niederlage im US Bank Stadium jetzt ausgerechnet gegen die 49ers.
Die Verletzten:
DE Kerry Hyder Jr. erwischte es bei einem Tackling, als er am Kopf getroffen wurde und mit einer Gehirnerschütterung nicht weiterspielen konnte.
LB Jordyn Brooks verletzte sich zum Ende des dritten Viertels an der Wade und wurde in die Kabine gefahren. Hier soll es sich aber nur um Krämpfe handeln. Er kehrte noch vor dem Schlusspfiff zurück an die Seitenlinie.
RB Chris Carson musste ebenfalls in Quarter Nr. 3 vom Feld, als er sich an den Oberschenkel fasste. Er kehrte im letzten Spielabschnitt aber ins Spiel zurück.
Das Zitat:
„My mom is watching. My dad is watching.“ – Seahawks-DE Carlos Dunlap, der sich zur Beginn seiner Pressekonferenz nach dem Spiel zunächst die kurz geschorenen Harre „richtete“ und dann erst Fragen beantwortete.
Der Tweet:
Football is family. Klingt abgedroschen, doch wenn ein Topspieler mit einer schlimmen Verletzungshistorie wie Tyler Lockett auf dem Boden liegen bleibt, dann wird es auch bei einem Auswärtsspiel in der NFL ganz leise. Und beide Teams zeigen ihr Mitgefühl direkt auf dem Feld.
Players on both sides taking a knee as trainers work on Tyler Lockett. pic.twitter.com/6YiRlVItBc
— Bob Condotta (@bcondotta) September 26, 2021
Das Fazit:
Die Flamme namens Hoffnung loderte für die 12s in Woche 3 der NFL-Saison 2021 nur bis zur Mitte des zweiten Quarters. Bis zu diesem Zeitpunkt war es vor allem die Offense der Seahawks, die sich variantenreich und einer guten Mischung aus präzisen Pässen und aggressiven Läufen das Feld herunter navigierte. Doch nach der 17:7-Führung durch einen Carson-Touchdown war der Ofen aus. Russell Wilson kam mit dem Druck der Vikings-Defense nicht mehr zu Recht, während die Defense den Gastgeber in Person von Cousins, Thielen, Jefferson und Mattison schalten und walten ließ. Zwischenzeitlich punktete Minnesota vier Drives in Folge. Bis zum Schlusspfiff kassierte Seattle 23 Punkte am Stück!
Von Russell Wilson kennen wir sein Mantra, immer an sich zu glauben und nie aufzugeben. Allerdings lässt sich mit Blick auf die nächsten Spiele kaum ein Silberstreif am Horizont erkennen. In den kommenden beiden Wochen stehen zwei extrem wichtige Partien gegen die Divisionsrivalen aus San Francisco und Los Angeles an. Im Angesicht der Tatsache, dass beide Teams (zum Redaktionsschluss) noch ungeschlagen sind, verheißt das nichts gutes. Gerade gegen die Rams will man sich gar nicht ausmalen, was einer Defensive der Seahawks blüht, die gegen die bis dahin sieglosen Vikings 453 Yards zuließ und dabei mehr als 35 Minuten auf dem Platz stand. Wenn sich hier nicht schnell etwas ändert, dann wird das für Sean McVay, Kyle Shanahan und Co. wohl ein gefundenes Fressen sein.
Ausblick: In Week 4 gastieren die Seahawks am 3. Oktober 2021 um 22.05 Uhr bei den San Francisco 49ers.