Lumen Field. Genau hier, mit dem Puget Sound, der Space Needle und knapp 70.000 12s im Rücken, fühlen sich die Seattle Seahawks zu Hause. Achtmal pro Saison spielen Russell Wilson und Co. auf dem geliebten, heimischen Kunstrasen. Etwas mehr als die andere Hälfte der Regular Season 2021 verbringt das Team von Head Coach Pete Carroll in den kommenden Monaten „on the road“. Dabei werden die Seahawks jedes Jahr zu echten Meilenmonstern. Schließlich muss kaum jemand in der NFL so weit reisen, wie die Truppe aus der NFC West. Auf den Auswärtsreisen (hin und zurück) reißen Russell Wilson und Co. im Flieger bis Jahresende satte 28.964 Meilen oder 46.613 Kilometer ab!
Mit dem Standort im Pacific Northwest ist dabei für Seattle bei allen Fahrten in die Ferne eine Sache sicher: Dreimal im Jahr geht es gen Sonne. Nach San Francisco, Los Angeles und Phoenix um genau zu sein. Im Gegensatz zum US-Bundesstaat Washington ist das Wetterphänomen namens „Regen“ im Herbst in Kalifornien und Arizona eher ein Fremdwort. Dass die Teams hier überhaupt Feuchtigkeit von oben mitbekommen, ist zumindest in zwei Fällen komplett ausgeschlossen.
Denn statt den traditionellen Betonschüsseln tragen die LA Rams und die Arizona Cardinals ihre Heimspiele heute in absoluten Hightech-Arenen aus, die beide komplett überdacht sind. Und auch beim jährlichen Besuch bei den 49ers fehlt es den Seahawks als Auswärtsteam und den 12s auf den Rängen an nichts – außer eben ein Dach. Was die drei Stadien Spielern und Fans noch so zu bieten haben, zeigen wir Euch hier:
State Farm Stadium: Trauma an der Ein-Yard-Linie
- Standort: Glendale, Arizona
- Kapazität: 63.400 Zuschauer
- Baujahr: 2006
- Kosten: 577 Millionen US-Dollar
- Spielfeld: Naturrasen
- Dach: verschiebbar
- Seahawks-Bilanz: 7 Siege, 7 Niederlagen, 1 Unentschieden (Stand: 01.12.2020)
Dieser Schmerz! Der Gedanke an das Spiel, das am 1. Februar 2015 im State Farm Stadium (damals University of Phoenix Stadium) ausgetragen wurde, treibt jedem Seahawks-Fan auch heute noch die Tränen in die Augen. An der Ein-Yard-Linie war der Traum vom zweiten Super Bowl-Sieg in Folge für Seattle zum Greifen nahe. Doch genau den ließen Cornerback Malcolm Butler und die New England Patriots am Ende des 4. Quarters in tausend Teile zerspringen.
Die Spätfolgen dieser verhängnisvollen Interception sind auch heute, sechs Jahre danach, für alle Welt sichtbar. Denn sobald sich Russell Wilson gefühlt der Endzone vor der „Redzone“, der Fankurve der Cardinals, nähert, wird der Quarterback offenbar ganz zitterig. Dass sich dieses Trauma durch die Hände von Arizonas Safety Budda Baker weiter in das kollektive Gedächtnis des Gästeteams brannte, verhinderte am Ende beim Gastspiel im Jahr 2020 nur der übermenschliche Einsatz von Wide Receiver DK Metcalf.
Trotzdem ist das State Farm Stadium kein schlechter Ort um Football zu spielen – im Gegenteil. Football-Puristen kommen hier voll auf ihre Kosten, schließlich wird mitten in Arizona immer noch auf Naturrasen gespielt. Und der bekommt fast das ganze Jahr über Wüstensonne ab. Für das satte Grün nahmen sich die Konstrukteure des Stadions unter anderem die Arena Auf Schalke zum Vorbild. So kann der Rasen, nämlich zwischen den Spieltagen über ein mit Teflon beschichtetes Schienensystem ins Freie gefahren werden. Ohne das schattenspendende Dach ergeben sich dadurch beste Wachstumsbedingungen.
Ein weiteres Hightech-Feature der Heimstätte der Cardinals ist das Dach, das im unwahrscheinlichen Fall einer heftigen Regenfront komplett geschlossen werden kann. Dazu gibt es im State Farm Stadium 88 VIP-Logen, Luxury Suites genannt, in denen gutbetuchte Fans die Spiele der NFL genießen können. Dieses Angebot kann bei Bedarf in Zukunft auch noch um 16 weitere Logen erweitert werden. Anhänger, die es dagegen etwas traditioneller haben möchte, können sich vor dem Kickoff im zehn Hektar großen „Sportsman’s Park“ rund um die Arena vergnügen. Mit dem 3,2 Hektar großen Great Lawn gibt es hier auch eine extra eingerichtete Tailgating-Zone.
Neben zwei Super Bowls (2008 und 2015) wurden im Stadion der Cardinals auch weitere hochkarätige Events, wie Fußballspiele des US-Nationalteams, Bowl Games und zwei College Football Finals (2011 und 2016), sowie das Final Four der College Basketballer (2017) und das Showkampf-Event Wrestlemania 26 (2010) ausgetragen.
SoFi Stadium: Das teuerste Stadion der Welt
- Standort: Inglewood, Kalifornien
- Kapazität: 70.240 Zuschauer
- Baujahr: 2020
- Kosten: 5 Milliarden US-Dollar
- Spielfeld: Kunstrasen
- Dach: fest
- Seahawks-Bilanz: 0 Siege, 1 Niederlage (Stand: 01.12.2020)
Es war ein ambitionierter Plan: Um den riesigen Markt in Los Angeles zu bespielen, beschlossen die Besitzer der Chargers und der Rams ihre Teams aus San Diego und St. Louis in die Stadt der Engel umziehen zu lassen. Dabei kam das „Go“ der NFL erst, als Rams-Eigentümer Stan Kroenke versicherte, in Kalifornien ein neues Stadion aus dem Boden zu stampfen. Und genau das ließ sich der Milliardär nicht zweimal sagen und präsentierte nach jahrelanger Standortsuche die Pläne für das SoFi Stadium in Inglewood. Inmitten eines brandneuen, 126 Hektar großen Stadtteils sollte bis zum Jahr 2020 eine Arena entstehen, die selbst beim extrovertierten Besitzer der Dallas Cowboys, Jerry Jones, für eine offene Kinnlade sorgte, weil das Projekt sein geliebtes AT&T Stadium, besser bekannt als „Jerry World“, schon etwas in den Schatten stellte.
Mit einer Kapazität von etwas mehr als 70.000 Zuschauern, sticht die Arena in der Welt der NFL-Stadien nicht unbedingt heraus. Was das SoFi Stadium zum teuersten Sportstadion der Welt macht, sind viel mehr das Innen- und Außenleben. Ob sichtbar oder unsichtbar. Auf den ersten Blick kaum zu übersehen ist das all umspannende, durchsichtige Dach. Es besteht aus ETFE-Folie, die ultraleicht, korrosionsbeständig und Temperatur-abweisend ist.
Doch genau diese Konstruktion war es, die den Bau der Arena fast verhindert hätte. So wäre das Stadion so hoch gewesen, dass es die landenden Flugzeuge am benachbarten Los Angeles International Airport behindert hätte. Nach einem Einspruch der US-Luftfahrtbehörde (FAA) beschlossen die Stadionbauer deshalb kurzerhand, das Spielfeld der Arena einfach 30 Meter tief im Boden zu versenken.
Damit waren die technischen Hindernisse aus dem Weg geräumt, aber nicht die Gefahr von Naturgewalten. Da LA in einer Erdbebenzone liegt, musste das Stadion auch hier gesichert werden. So wurde die Baugrube rundherum mit einer 33 Meter hohen Erdbebenschutzwand verkleidet, die die Betonhülle des Stadions vom umliegenden Erdreich abtrennt. Dazu wird jede noch so kleine Bewegung des Daches mit großen Stoßdämpfern an den Stützpfeilern abgefedert. Neben riesigen VIP-Logen – hoch oben oder direkt am Spielfeldrand – und Luxusrestaurants sticht im SoFi Stadium vor allem das gigantische 360-Grad-Videoboard ins Auge. Die mehr als 1.000 Tonnen schwere Konstruktion bietet dabei 4K-Auflösung auf einer Fläche, die mit 120 Yards Länge und 75 Yards Breite größer ist, als das Spielfeld darunter.
Die Seahawks werden in den nächsten Jahren als Mitglied der NFC West regelmäßiger Gast in Inglewood sein. Doch damit sind sie nicht die einzigen. Denn die ersten Mega-Events im SoFi Stadium sind längst terminiert. Im Jahr 2022 steigt hier der Super Bowl LVI. Ein Jahr später ist das Stadion Gastgeber des College Football National Championship Games, bevor einige Monate danach Wrestlemania 39 ansteht. Richtig global wird es schließlich 2026. Dann ist Los Angeles Spielort der Fußball-WM und 2028 finden in Kalifornien die Olympischen Sommerspiele mit einigen Medaillenentscheidungen im SoFi Stadium statt.
Levi’s Stadium: Freiluft-Feeling in Santa Clara
- Standort: Santa Clara, Kalifornien
- Kapazität: 68.500 Zuschauer
- Baujahr: 2014
- Kosten: 1,3 Milliarden US-Dollar
- Spielfeld: Naturrasen
- Dach: nein
- Seahawks-Bilanz: 5 Siege, 1 Niederlage (Stand: 01.12.2020)
Ja, Levi’s Stadium ist das Heimstadion der 49ers. Und trotzdem müssen sich die Fans, die direkt aus San Francisco kommen, an Spieltagen auf eine kleine Auswärtsfahrt einstellen. Denn während die meisten NFL-Stadien, so wie etwa in Seattle, nur wenige Minuten von der Innenstadt entfernt sind, müssen die Niners Faithful satte 64 Kilometer raus aus Downtown fahren, um zu den Heimspielen zu kommen. Vor Ort in Santa Clara kommen sie und die Gäste-Fans dann aber im wahrscheinlich „grünsten“ Stadion der Liga an.
Im umweltbewussten Kalifornien setzten die Architekten des Levi’s Stadium nämlich voll auf Nachhaltigkeit. So wurden schon während der Bauphase 75 Prozent der Abfälle recycelt. Dazu wurden Baumaterialien verwendet, die besonders viel Sonnenlicht und damit Hitze absorbieren. Und da im bevölkerungsreichsten US-Bundesstaat gerade Wasser notorisch knapp ist, wird zum Wässern des Rasens und der Pflanzen sowie in den Toiletten nur recyceltes Wasser verwendet. Ein weiteres Technik-Feature: Anders als in vielen NFL-Stadien bestehen die Tribünen im Levi’s zum großen Teil nicht aus Beton, sondern Stahl. Insgesamt sind über 14.000 Stahlteile verbaut, die 127.000 Bolzen sichern. Und 95 Prozent dieser etwa 18.000 Tonnen schweren Baumaterialien sind dazu ebenfalls recyclebar.
Eine 1.860 Quadratmeter großen Solaranlage, die teilweise auf dem Dach des markanten Logenturms montiert ist, liefert zudem einen Großteil der Energie für das Stadion. Hier ist auch das „grüne“ Highlight des Stadions beheimatet: ein mittlerweile 1.200 Quadratmeter großer Dachgarten. Auf dem Areal wachsen dabei nicht nur viele einheimischen Pflanzenarten, sondern auch Kräuter, Tomaten, Paprika, Zuccini, Salat und essbare Blumen. Die Erzeugnisse der „Faithful Farm“ werden an Spieltagen in den Restaurants des Stadions für die Besucher ins Essen gekocht. Beim Thema Essen setzt das Levi’s Stadium übrigens voll auf Hightech. So können sich die Zuschauer über die Stadion-App ihre Snacks direkt an den Sitzplatz liefern lassen, sich per Smartphone durchs Stadion navigieren oder das Spiel im Livestream etwa auf der Toilette weiter verfolgen.
Ähnlich wie in Los Angeles, sorgt das Stadion in Santa Clara aber auch immer wieder für kleinere Probleme im Luftverkehr. So beschweren sich Piloten, die gerade im Anflug auf den San Jose International Airport sind, öfters darüber, dass sie vom Flutlicht und den riesigen LED-Anzeigetafeln geblendet werden. Alleine im Jahr 2016 gab es hier 43 offizielle Beschwerden. Bislang zog die FAA an dieser Stelle keine Konsequenzen. Weitere Aufbauten auf dem Stadion sind von der US-Luftfahrtbehörde wegen der Nähe zum Flughafen mittlerweile aber verboten worden.
Neben regelmäßigem NFL-Football hat das Levi’s Stadium in Sachen Großenevents zwei Gemeinsamkeiten mit den anderen beiden NFC West-Stadien außerhalb von Seattle: Im Jahr 2016 stieg hier der Super Bowl 50, nachdem ein Jahr zuvor die WWE schon mit Wrestlemania 31 zu Gast war. Ebenfalls 2015 war man Gastgeber für ein Eishockeyspiel der NHL Stadium Series. Und auch als Spielort bei der Fußball-WM 2026 ist Santa Clara im Gespräch.