In der Nacht von Donnerstag auf Freitag beginnt mit dem Season Opener zwischen den Philadelphia Eagles und den Atlanta Falcons die NFL-Saison 2018. Die Seattle Seahawks starten wenig später, nämlich am Sonntag, gegen die Denver Broncos in die neue Runde. Zeit also, einen Blick voraus zu werfen auf die anstehende Spielzeit. Was dürfen wir in diesem Jahr erwarten vom Team aus dem Pacific Northwest?
Rückblick:
Zum ersten Mal seit 2011 haben die Seattle Seahawks die Playoffs verpasst. Zwar war das Team aus dem US-Bundesstaat Washington durch schwerwiegende Verletzungen – besonders in der Defense – limitiert. Doch auch mit einem gesunden Kader wäre es wohl schwierig geworden, die potente Offense der Los Angeles Rams in den Griff zu bekommen und dam Kampf um die Krone in der NFC West Herr zu werden.
Im Zuge der verpassten Playoffs gab es einen Umbruch bei den Seahawks und das sowohl bei den Spieler als auch bei den Trainern. Von einem Rebuild wollte in Seattle niemand sprechen und man sah sich selber im Retooling. Wie genau man die Veränderungen nennen mag, in Seattle hat sich einiges getan. Wir blicken auf die Veränderungen.
Offseason, Free Agency & Draft:
Immer wieder wurde Kritik an der Spielweise der Offense deutlich, im Fokus dieser Kritik standen O-Line Coach Tom Cable und Offensive Coordinator Darrell Bevell. Beide mussten das Team verlassen, auch wenn man gerade zu Bevell erwähnen sollte, dass er mit dem ihm zur Verfügung gestellten Möglichkeiten und den zahlreichen Handicaps keine so schlechte Leistung ablieferte, wie es ihm viele vorwarfen. Mit der Neubesetzung in Form von Brian Schottenheimer könnte es sein, das Seattle vom Regen in die Traufe kommt, da er ein Freund des intensiven Laufspiels ist – und genau damit hatten die Seahawks 2017 aus verschiedensten Gründen keinen Erfolg.
Tom Cable hatte lange den Ruf eines O-Line-Gurus, doch mit seinem sturen Festhalten am Zone Blocking sowie dem Ansatz, es immer wieder mit athletischen O-Linern zu versuchen, hat er Quarterback Russell Wilson extrem unter Druck gesetzt. Zu viel Kapital wurde ohne Erfolg in die O-Line gesteckt. Sein Abgang in Seattle war lange überfällig. Wiedersehen werden die Seahawks Cable trotzdem: In London wird er als neuer O-Line-Trainer der Oakland Raiders vor Ort sein. Sein Nachfolger bei den Seahawks ist Mike Solari, der zuletzt bei den New York Gians angestellt war. Diese waren unter ihm übrigens auch nicht gerade für eine stabile Offensive Line bekannt.
Die dritte wesentliche Veränderung bei den Coaches war der Abgang vom Defensive Coordinator Kris Richard, der nun bei den Dallas Cowboys arbeitet. Ihn ersetzen wird Rückkehrer Ken Norton Jr., ehemaliger Defensive Coordinator der Oakland Raiders. Zuvor war er Trainer der Linebacker bei den Seahawks und arbeitete mit Head Coach Pete Carroll auch schon bei den USC Trojans zusammen. Nortons Verpflichtung wurde besonders von seinen ehemaligen Schützlingen Wright und Wagner sehr positiv aufgenommen.
Namhafte Abgänge:
- WR Paul Richardson
- TE Jimmy Graham
- DE Cliff Avril
- DT Sheldon Richardson
- DE Michael Bennett
- SS Kam Chancellor
- CB Richard Sherman
- TE Luke Willson
Namhafte Zugänge:
- TE Ed Dickson
- WR Jaron Brown
- G DJ Fluker
- K Sebastian Janikowski
- WR Brandon Marshall
Auch bei den Spielern hat sich einiges getan. Die Verteidiger Cliff Avril und Kam Chancellor mussten aus gesundheitlichen Gründen ihre aktive Karriere beenden. Star-Cornerback Richard Sherman wurde entlassen und spielt jetzt bei den San Francisco 49ers. Defensive End Michael Bennett wurde zum Super Bowl-Champion getraded – ohne nennenswerten Gegenwert- Der erst vor kurzem für einen Zweitrundenpick verpflichtete Defensive Tackle Sheldon Richardson verließ das Team, da er den Seahawks das Gehalt, das ihm die Vikings schlussendlich zahlten, nicht wert war. Auf der offensiven Seite verließen Wide Receiver Paul Richardson sowie die Tight Ends Luke Willson und Jimmy Graham das Team. Sie waren zusammen für 34,5 Prozent aller Yards in der Luft und 59 aller Touchdowns durch die Luft verantwortlich waren.
Als Zugänge verpflichtete Seattle Stars vergangener Tage und Spieler für die Tiefe. Die Masse an Leistungsträgern, die das Team verlassen haben, kann damit nicht ersetzt werden. Ed Dickson ist ein blockstarker Tight End, der gut zum Scheme von Brian Schottenheimer passen könnte. Guard D.J. Fluker kam von den Giants und kennt seinen alten und neuen Positionstrainer gut. Er hat seine Stärken im Laufspiel. Der ehemalige Arizona Cardinal Jaron Brown ist ähnlich wie der abgewanderte Paul Richardson ein sehr schneller Receiver, der Cornerbacks tief binden kann.
NFL Draft 2018:
- 1. Runde, 27. Pick: Rashaad Penny, RB, San Diego State
- 3. Runde, 79. Pick: Rasheem Green. DE. Southern California
- 4. Runde, 120. Pick: Will Dissly, TE, Washington
- 5. Runde, 141 Pick: Shaquem Griffin, LB, Central Florida
- 5. Runde, 146. Pick: Tre Flowers, DB, Oklahoma State
- 5. Runde, 149. Pick: Michael Dickson, Punter, Texas
- 5. Runde, 168. Pick: Jamarco Jones, OT, Ohio State
- 6. Runde, 186. Pick: Jacob Martin, DE, Temple
- 7. Runde, 220. Pick: Alex McGough, Florida International
Der Draft begann für Seattle – wer hätte das nach den vergangenen Jahren schon erwartet – per Trade nach unten mit den Green Bay Packers. Das war wenig überraschend, da die Seahawks durch die Trades für Duane Brown und Sheldon Richardson keine weiteren Picks am zweiten Draft-Tag hatten. Seattle rutschte von Platz 18 auf Platz 27 und erhielt dazu jeweils einen Drittrunden- und Sechstrundenpick, gab dafür jedoch noch einen Siebtrundenpick ab. Mit dem 27. Pick wählte Seattle trotz verschiedener akuter Baustellen einen Running Back – und dazu noch einen, der wenig von Pass Protection versteht. Die Idee hinter diesem Pick Rashaad Pennys war, hier einen Laufspieler zu bekommen, der jedes Down spielen kann, robust und wenig verletzungsanfällig ist und nach dem ersten Tackle noch Yards rausholt.
Der nächste Pick war der von Defensive End Rasheem Green. Der 21-Jährige kann sich aufgrund von Verletzungen der Konkurrenten im Team und der dünnen Rotation sogar Hoffnung machen, früh in der Saison zum Starter zu werden. Nach Aussagen von Pete Carroll plant Seattle ihn in Passing Downs sogar als Interior Pass Rusher, wie es schon Michael Bennett war. Mit Will Dissly holten die Seahawks einen ehemaligen Defensive End, der erst seit zwei Jahren als Tight End spielt, seine Stärken im Blocking hat und die Rolle von Luke Willson nahtlos übernehmen könnte. Kurze Zeit später folgte der emotionalste Pick des Jahres: Die Seahawks holten sich den einhändigen Linebacker Shaquem Griffin, den Zwillingsbruder von Cornerback Shaquill Griffin, der in sein zweites Jahr geht.
Danach folgte ein weiterer Pick, über den man sprechen sollte, denn Seattle tauschte sich für einen Punter (!) in der fünften Runde nach oben. Die Kritik verstummte spätestens, als der Australier Michael Dickson in der Preseason mit beängstigend konstanter Präzision die Gegner an deren Endzone festnagelte, die in der NFL zuvor selten gesehen worden war.
Offense:
Seit dieser Saison ist Brian Schottenheimer der neue Offensive Coordinator der Seahawks. Er steht für die Air Coryell Offense, eine Variante, die auf lange Pässe sowie Power Runs und Outside Runs aufbaut. Besonders die Läufe nach außen sind hier wichtig, da man hiermit versucht, die Defense in die Breite zu ziehen. Ob dieses Schema in Seattle funktioniert, hängt vor allem an der Schwachstelle Offensive Line, denn für die tiefen Würfe muss Russell Wilson über längere Zeit Schutz haben. Auch im Laufspiel wird es eine Umstellung geben, denn unter Tom Cable war das Blocking primär über eine Zonen-Einteilung geregelt. Damit kamen die O-Liner zuletzt immer seltener zurecht. Unter Schottenheimer und dem neuen O-Line-Trainer Mike Solari wird Seattle mehr Power Blocking anwenden.
Auf der Quarterback-Position ist Seattle so lange gut aufgestellt, wie Russel Wilson gesund ist. Mit Wilson hat das Team einen Dual-Threat-Quarterback, der den Gegner als Läufer schlagen kann und im Passspiel noch stärker ist. Dabei macht es wenig Unterschied, ob Wilson unter Druck gesetzt wird oder nicht, denn nach DVOA (Erfolgsrate von Spielzügen) war er unter Druck der vierbeste Spielmacher der Liga und ohne Druck der achtbeste. Aufgrund der wackeligen O-Line kam er auf eine Druck-Rate von 39,8 Prozent, nur Deshaun Watson von den Houston Texans wurde prozentual noch häufiger unter Druck gesetzt. In der abgelaufenen Saison gab es bei Wilson eine enorme Diskrepanz zwischen den ersten drei Vierteln eines Spiels (15 Touchdowns, 10 Interceptions) und dem letzten Viertel mit 19 Touchdowns und einer Interception. Im starken vierten Viertel kam Wilson auf 10,4 Yards pro Passversuch.
Dahinter stritten sich in der Preseason Austin Davis und Rookie Alex McGough um den Backup-Posten. Aus Salary Cap-Perspektive würde es Sinn machen, auf McGough zu setzen. Doch der kann genauso gut auch über die Practice Squad behutsam aufgebaut werden. Am Ende wurde keiner der beiden Spielmacher Wilsons Backup, sondern Brett Hundley, der per Trade von den Green Bay Packers kam.
Um sicherzustellen, dass Russell Wilson möglichst gesund durch die Saison kommt, muss sich die Leistung der Offensive Line verbessern. In 2017 ging Wilson 139 Mal zu Boden, so oft wie kein anderer Quarterback seit dem Jahr 2012. Einzig Wilsons Fähigkeiten, dem Pass Rush noch zu entkommen, verdankt es die O-Line, mit einer Adjusted Sack Rate von 8,1 Prozent (43 Sacks insgesamt) noch auf Rang 25 zu liegen. Die Eckpfeiler der Seahawks-O-Line sind Center Justin Britt und Left Tackle Duane Brown. Auf den restlichen Positionen ist Seattle unterdurchschnittlich bis schlecht besetzt. Sophomore Ethan Pocic wird dieses Jahr seine Chance als Left Guard erhalten und kann zeigen, ob seine Qualitäten aus dem College für die NFL reichen. Auf der rechten Guard-Position wird es einen Wettbewerb zwischen Neuzugang D.J. Fluker und J.R. Sweezy geben. Letzterer, der Rückkehrer Sweezy, dürfte bis zum Saisonstart endlich fit sein. Als Right Tackle hat sich Germain Ifedi über einen starken Schlussspurt in der Preseason eine letzte Chance als Starter erarbeitet.
Schon in der vergangenen Saison wollte Head Coach Pete Carroll das Laufspiel wieder mehr in seine Spielidee einbeziehen. Mit 25,6 Läufen pro Spiel lag Seattle im Mittelfeld. Mit exakt 4,0 Yards pro Versuch lagen die Seahawks ebenfalls im grauen Mittelfeld, hier einberechnet istübrigeinds Seattles bester Läufer, Russell Wilson. Betrachtet man nur die Running Backs an, kommen diese auf 3,4 Yards pro Lauf. Chris Carson konnte zwar wegen einer Verletzung nur vier Spiele machen, war aber bis spät in die Saison der Läufer mit den meisten Yards (208!). Überhaupt kam kein einziger Running Back auf mehr als Eddie Lacys 69 Laufversuche. Bei einem Blick auf die Statistiken von Football Outsiders wird deutlich: Von den fünf schlechtesten Running Backs kommen drei von den Seahawks. Grund genug für eine Überreaktion. So wählte Seattle im Draft in der ersten Runde Rashaad Penny. Im Training Camp stellte sich der genesene Chris Carson als Starter heraus, während Penny zeitweise mit Fingerbruch pausieren musste. Zum Beginn der Regular Season kehrt er zurück und wird im Laufe der Runde dann hoffentlich zum gleichwertigen Tandem-Partner von Carson.
2018 wird es im Passspiel nach vielen Abgängen noch mehr auf Doug Baldwin ankommen, die klare Nummer eins unter Seattles Wide Receivern. In der Vergangenheit wurde er oft unterschätzt, doch seine Statistiken zeigen, das war ein Fehler. In der vergangenen Saison war er ein Top-15-Receiver. Auf Baldwins Chemie mit Russell Wilson wird es auch in diesem Jahr wieder ankommen.
Nach einer ordentlichen Rookie-Saison konnte Tyler Lockett seine Leistung nicht immer bestätigen. Dennoch wurde sein Vertrag in der vergangenen Woche verlängert, weil er für die Seahawks als Returner und schneller Receiver enorm wertvoll ist. Dieses Gefühl verstärkt sich nach dem Abgang von Speedy Paul Richardson. Vermutlich wird Lockett als Nummer zwei neben Baldwin agieren. Von seinem Geschwindigkeit her sollte er gut zu Russell Wilson und der neuen Spielidee passen. Ähnliches gilt für Neuzugang Jaron Brown, der aus Arizona kam. Die bislang vakante Rolle des groß gebauten Wide Receivers könnte eventuell Veteran Brandon Marshall einnehmen, der die Roster Cuts überstand und fit in die Saison geht.
Bei den Tight Ends ist Jimmy Grahams Seattle-Intermezzo Geschichte. Außerhalb der Redzone fiel es Seattle schwer, den starken Passempfänger richtig einzusetzen. Innerhalb der Redzone standen 2017 immerhin zehn Touchdowns zu Buche. Passend zum neuen alten Ansatz, das Laufspiel zu intensivieren, wurden Tight Ends mit guten Block-Fähigkeiten verpflichtet. Ed Dickson ist aktuell verletzt und wird frühestens nach sechs Wochen einsatzfähig sein. Rookie Will Dissly und der vermeintliche neue Starter Nick Vannett sind ebenfalls gute Blocker. Trotzdem können alle drei Tight Ends auch Bälle fangen, wenngleich keiner ein überragender Athlet ist, wie es Graham war. In einem Schema mit langen Routen ist der Tight End sogar sehr wichtig, da er als erste kurze Anspielstation offen sein muss.
Defense:
Auch unter dem neuen Defensive Coordinator Ken Norton Jr. wird sich an der Front Seven des 4-3 Under-Schemas wenig ändern. Denn dies ist das, was Pete Carroll vorgibt und sehen will. Was sich aber durch das Karriereende von Kam Chancellor die Abwesenheit von Earl Thomas ändern könnte, ist das Deckungs-Schema der Secondary, denn durch das veränderte Personal wird Seattle nicht mehr so effektiv Cover 3 spielen können wie in den erfolgreichen Jahren.
Bei der D-Line fanden die größten Veränderungen statt, denn mit Cliff Avril und Michael Bennett fehlen die beiden Stammspieler auf Defensive End und mit Sheldon Richardson ein Defensive Tackle, der Pass Rush und Laufverteidigung belebte. Gerade der Pass Rush durch die Front Four ist ein elementarer Punkt in Seattles Defense, denn die Linebacker oder Secondary-Spieler werden selten dafür genutzt, Druck auf den gegnerischen Quarterback zu erzeugen. Vor allem Frank Clark muss nun einen Schritt nach vorne machen und seine Klasse nicht nur in ein paar wenigen Momenten aufblitzen lassen. Auf der anderen Seite werden sich Dion Jordan und Rasheem Green um den Starting Job streiten. Jordan ist rechtzeitig zur Saison fit. Er zeigte in der vergangenen Saison ansprechende Leistungen und kam bei 60 Pass Rush-Versuchen auf vier Sacks, drei Quarterback-Hits und fünf Hurries. In der Mitte wird Seattle wie gewohnt sehr viel rotieren, dafür stehen Jarran Reed, Nazair Jones, Tom Johnson und Shamar Stephen zur Verfügung. Davon ist aber keiner ein ausgewiesener Pass Rusher, allesamt sind sie eher für den Lauf-Stop verantwortlich. Deshalb wird das große Fragezeichen in der Defense der Pass Rush sein.
In 68 Prozent aller Defense-Snaps spielte Seattle 2017 eine Nickel-Defense, somit sind sehr häufig nur zwei Linebacker im Einsatz. Durch Bobby Wagner und K.J. Wright sind diese beiden Positionen fest vergeben. Das zeigt sich auch an den gespielten Snaps. Wagner spielte 93 Prozent aller Snaps, Wright 87 Prozent aller Snaps. Die beiden Linebacker ergänzen sich perfekt und werden häufiger in der Diskussion um das beste Linebacker-Duo genannt. Dabei sticht Wagner nochmals deutlicher heraus, der in den letzten beiden Spielzeiten zusammen auf nur zwölf verfehlte Tackles kam. Hinter den beiden Linebackern sinkt die Qualität etwas ab. Mit Barkevious Mingo hat Seattle einen Linebacker gewonnen, der vorzugsweise die Sam-Linebacker-Position bekleiden soll, mit ähnlicher Aufgabenverteilung wie einst Bruce Irvin. Die genau umgekehrte Rolle wird Shaquem Griffin spielen, der seine Stärken gegen das Laufspiel hat und durch seine Geschwindigkeit eher als Weakside-Linebacker und Backup von Wright eingeplant ist. Und da Wright zum Saisonbeginn nach einer kleineren Knie-Operation ausfällt, hat nun die Stunde von Griffin geschlagen.
Lange galt die Legion of Boom als der Maßstab für die heutigen NFL-Secondarys, doch davon ist 2018 wenig bis gar nichts mehr übrig. Richard Sherman spielt jetzt bei den San Francisco 49ers, Kam Chancellor ist Football-Rentner und Earl Thomas nach dem Ende seines Holdouts der letzte Mohikaner der einst so dominanten Verteidigung. Nach einer gelungenen Rookie-Saison wird Shaquill Griffin direkt in seiner zweiten Saison zum Fixpunkt der Secondary, denn er muss die Position von Sherman einnehmen und in den meisten Fällen auf der linken Seite bleiben. Das Duell auf der anderen Seite wird sich zwischen Neuzugang Dontae Johnson und Rookie Tre Flowers entscheiden, da Veteran Byron Maxwell verletzt ausfällt. Am College spielte Flowers noch als Safety, aber die Seahawks machten schnell deutlich, dass sie ihn als Cornerback einplanen. Im Slot wird Nickelback Justin Coleman verteidigen und seinen Weg zu einem der besten Nickelbacks der Liga weitergehen. Durch die vielen Nickel-Snaps kam Coleman auf fast 60 Prozent Präsenzzeit mit der Defense und hinterließ dabei einen guten Eindruck.
Auf der Safety-Position scheint Bradley McDougald seinen Posten als neuer Starter sicher zu haben. Nach Chancellors Ausfall machte sich McDougald auf Strong Safety gut, auch wenn ein Leistungsabfall zu Chancellor erkennbar war. Spielt Earl Thomas nicht, wird Tedric Thompson als Free Safety beginnen. In einer möglichen Kombination aus Delano Hill und McDougald würde letzterer auf Free Safety wechseln. Spielt Earl Thomas, wonach es jetzt aussieht, bleibt McDougald Strong Safety und wird mit Thomas ein nicht allzu schlechtes Duo zur Absicherung der Passverteidigung bilden.
Special Teams:
In der letzten Saison versuchten die Seahawks, Cap Space zu sparen, indem sie Kicker Stephen Hauschka nicht teuer bezahlen wollten und es stattdessen mit dem nervenschwachen Blair Walsh versuchen wollten. Das bezahlte Seattle am Ende auch ohne eine Vertragsverlängerung für Hauschka teuer, denn Walsh hatte zumindest Anteil an mehreren verlorenen Spielen. Sein Nachfolger wird 2018 der 40-jährige Sebastian Janikowski, der den 13 Jahre jüngeren Jason Myers im Kicker-Duell ausgestochen hat. Janikowski war jahrelang bei den Oakland Raiders ein sicherer Kicker, ehe er verletzungsbedingt entlassen wurde. Jetzt ist er wieder fit und dürfte sich auch von zwei verschossenen PATs im letzten Preseason-Spiel nicht aus der Ruhe bringen lassen.
Interessanter war lange Zeit das Duell um den Punter-Posten. Veteran Jon Ryan wurde in der Offseason der junge Australier Michael Dickson vor die Nase gesetzt. Ryan war in der vergangenen Saison ein viel beschäftigter Mann und durfte sich 92 Mal zum Punt auf Spielfeld stellen. Davon landeten nur 29 Punts im gegnerischen 20-Yard-Bereich. Von der Weite her gingen die Punts durchschnittlich 45 Yards weit, wurden im Schnitt aber auch für 10 Yards zurückgetragen. Nur zwei Punter waren bei den Netto-Yards schlechter. Dickson, der als MVP (!) des Texas Bowl von der University of Texas nach Seattle kam, war von Anfang an der klare Favorit auf den Posten. Der Rookie fällt zum einen durch eine enorme Power beim Punten auf, zum anderen durch seine extreme Präzision bis nahe an die gegnerische Endzone. Von Dicksons 84 Punts im College landeten 41 innerhalb der gegnerischen 20 Yards. Das Ergebnis: 33 Fair Catches und nur acht Touchbacks. Diesen Eindruck aus dem College bestätigte Dickson durch und durch in der Preseason, weshalb er bereits vor den Roster Cuts zum Starter wurde und Jon Ryan seine Chance bei den Buffalo Bills suchte.
Spieler im Fokus:
Right Tackle Germain Ifedi: Hier hätte man auch Wide Receiver Tyler Lockett oder Running Back Chris Carson nennen können, aber viel wichtiger wird die Saison für Germain Ifedi. Der First-Round Pick aus 2016 wird wohl seine letzte Chance auf Right Tackle erhalten. Sollte er die schwache Leistung aus dem Vorjahr auch unter dem neuen O-Line-Coach bestätigen, wird er vermutlich noch in der laufenden Saison auf die Bank gesetzt. In der abgelaufenen Spielzeit kam er auf 16 vom Gegner akzeptierte Strafen aus neun False Starts, fünf Holdings und einmal unnötiger Härte. Nun hofft man in Seattle auf einen Neustart unter Mike Solari. Im Training Camp zog Ifedi noch durch Strafen und Fehler den Unmut der Trainer auf sich und wurde kurzfristig aus der ersten Einheit genommen, doch spätestens durch seinen Auftritt gegen die Minnesota Vikings in Week 3 der Preseason sicherte er sich den Platz als Starter in der Angriffslinie – vorerst.
Cornerback Shaquill Griffin:
Noch im vergangenen Jahr war er das Küken der Secondary. In seinem zweiten Jahr ist Griffin der Hoffnungsträger, der der Secondary (neben Earl Thomas) Stabilität verleihen soll. Schon in seinem Rookie-Jahr war er nach der Verletzung von Richard Sherman die Nummer eins auf der Cornerback-Position und machte seine Sache ordentlich. In 15 Spielen mit elf Starts kam er auf 15 verteidigte Pässe und eine Interception. Nun wird er die Aufgabe bekommen, die linke Seite abzuschirmen oder auch den besten Wide Receiver des Gegners zu verteidigen.
Prognose:
Lange Zeit waren die Fans der Seattle Seahawks sehr erfolgsverwöhnt und konnten sich jedes Jahr berechtigte Hoffnungen machen, zumindest um die Playoffs mitzukämpfen. Doch nach den erheblichen Veränderungen in der Defense und auch durch das veränderte Schema in der Offense könnte sich dieser Saison in eine andere Richtung entwickeln, die auf sechs bis neun Siege hinauslaufen könnte. Insgesamt haben die Seahawks einen harten Spielplan, doch die Chance auf verhältnismäßig einfache Erfolge gibt es gerade zu Beginn der Saison, bevor zum Ende hin die dicken Brocken kommen. Positiv ist, dass die Green Bay Packers und die Minnesota Vikings, zwei Mitfavoriten um den Titel, beide nach Seattle reisen müssen, wo das CenturyLink Field nach einer ausgewogenen Bilanz 2017 wieder zur Festung werden soll. Und auch gegen die zwei stärkeren Teams aus der AFC West, die Los Angeles Chargers und die Kansas City Chiefs, dürfen die Seahawks vor heimischer Kulisse spielen. Hinzu kommt ein Auswärtsspiel in London, wo im Wembley Stadium möglicherweise wie in den Vorjahren bedingt durch das Event-Publikum keine klassische NFL-Stimmung und damit kein Heimvorteil für die Oakland Raiders aufkommen wird.