Bobby Wagner und K.J. Wright (Foto: imago)
Statistik der Woche: Pete Carroll is all about that Base
Im Spiel der Seattle Seahawks gegen die Atlanta Falcons waren noch neun Minuten und drei Sekunden im zweiten Viertel zu spielen, als Wide Receiver Julio Jones im Slot auftauchte. Ihm gegenüber stand Linebacker Mychal Kendricks und in diesem Moment war schon das Schlimmste zu befürchten, denn selbst gegen mittelmäßige Passempfänger sah Kendricks in den vergangenen Wochen schlecht aus. Wie würde das ausgehen, wenn er gegen einen der besten, vielleicht den besten Receiver der Liga, ins Eins-gegen-Eins gehen müsste?
Nicht nur der Autor dieses Textes nahm das aus Seahawks-Sicht ungünstige Matchup wahr, auch Falcons-Quarterback Matt Schaub wurde darauf aufmerksam – und versuchte prompt den Pass auf Jones. Doch Kendricks war wachsam und fing den schwach geworfenen Ball ab.
Kam es zur Interception, weil Seattle in diesem Moment wieder einmal in der Base-Defense (vier D-Liner, drei Linebacker und vier Defensiv Backs) spielte und, wie Seahawks-Cheftrainer Pete Carroll so gerne sagt, mit „den besten drei Verteidigern“ gleichzeitig auf dem Feld stand? Nein. Die Statistik der Woche illustriert diesmal, wie schwach die drei Base-Linebacker in der Manndeckung sind.
Richtig gelesen, nicht nur Mychal Kendricks ist hier Gegenstand der Kritik. Auch die über alle Zweifel erhabenen Stammspieler K.J. Wright und Bobby Wagner blieben zuletzt nicht fehlerfrei. Vergangene Saison war Bobby Wagner der beste Linebacker der Liga und hatte in 999 Snaps genau zwei verpasste Tackles, insgesamt 534 zugelassene Yards und 292 nach dem gefangenen Pass zugelassene Yards in seiner Statistik vermerkt, bei insgesamt 50 zugelassenen Pässen und 71 Targets. Wie sieht es nach der Hälfte der Saison 2019 aus? Wagner ließ schon 380 Yards zu, davon 287 Yards nach dem gefangenen Pass. Bei 39 Targets ließ er 32 Pässe zu, was einer Fang-Rate von 82 Prozent entspricht. Außerdem hat er in dieser Runde in 522 Snaps schon fünf Tackles verpasst – so viel wie in den vergangenen zwei Jahren in der Summe (2.021 Snaps). Daraus resultiert Wagners Note als Manndecker, die bei Pro Football Focus im 2018-2019-Vergleich von 90,5/100 auf 49,2/100 gefallen ist.
Im Schatten des Rekords als bester Tackler der Franchise-Geschichte ging diese Wagner-Statistik selbstverständlich etwas unter.
Legendary. 👏
With his second tackle today, @Bwagz is now our all-time leading tackler with 985. pic.twitter.com/gng8MNcIzv
— Seattle Seahawks (@Seahawks) October 27, 2019
Zudem muss betont werden: Wagner ist natürlich nicht die alleinige Schwachstelle bei den Linebackern. Vielmehr ist es die von Pete Carroll bevorzugte veraltete Base-Formation, die gegen die meist standardmäßige Angriffsformation mit drei Receivern einfach nicht gerüstet ist. Von den 1.164 Yards nach dem Catch gehen 678 Yards auf das Konto von Seattles drei Linebackern – und das bei 118 aller 281 Targets. Prozentual sind das 58 Prozent aller Yards nach dem Fang, die auf nur 41 Prozent aller Targets kommen.
Bei den Seahawks-Verteidigern mit mehr als zehn Targets lässt kein Spieler prozentual mehr Catches zu als die drei Starting-Linebacker. Der designierte Nickel-Cornerback Jamar Taylor – ein im Duell mit Receivern geeigneterer Verteidiger, weil wendiger und schneller – steht bei 61 Prozent zugelassene Catches und hat damit eine um zehn Prozentpunkte geringere Catch-Rate als der „beste“ der drei Linebacker, K.J. Wright. Kendricks dagegen lässt 15 Prozentpunkte mehr Catches zu.
Es ist erkennbar, dass keiner der drei Linebacker 2019 besonders gut in der Manndeckung ist. Entweder haben sowohl Wright als auch Wagner in diesem Bereich enorm abgebaut oder aber sie fühlen sich mit einem zusätzlichen Cornerback auf dem Feld deutlich wohler. In der vergangenen Saison spielte Seattle noch über 60 Prozent seiner Defense-Snaps in der Nickel-Formation (dem Liga-Trend entsprechend; auch da stand Mychal Kendricks schon in vier Spielen im Kader), in diesem Jahr sind unter den sechs Verteidigern mit den meisten Snaps alle drei Linebacker (entgegen des Liga-Trends).
Soll die Defensive der Seattle Seahawks in der Passverteidigung besser werden, muss hier ein Umdenken stattfinden.