Thanks for asking – Der Kommentar der German Sea Hawkers von Thomas Wagner zur Regular Season 2022 der Seattle Seahawks. „Smells like teen Spirit“?! Was bitte haben der wohl erfolgreichste Song von Seattles berühmtester Band, Nirvana, und die Saison der Seattle Seahawks gemein? Auf den ersten Blick wohl recht wenig – bei näherer Betrachtung haben die 12s wohl für die Offseason einen Ohrwurm – und das aus gutem Grund!
10. September 1991: die erste Single aus dem Welterfolgs-Albums „Nevermind“ wird veröffentlicht, und ein Großteil des aktuellen Seahawks-Rosters ist zu dem Zeitpunkt bestenfalls in Planung. Dennoch legten Frontmann Kurt Cobain und Co. damit den Grundstein für den Erfolg eines Genres und für ihre Karriere. Im Grunde genommen bezog sich das „teen Spirit“ aus dem Song auch lediglich auf das Deodorant des Sängers, doch am Ende kann man dahinter schon noch einen höheren Sinn vermuten. Stichwort Jugend, was sich eben auch auf die Seahawks anno 2023 beziehen lässt. Schließlich stellt Seattle das zweitjüngste Team in der ganzen Liga und die Draft-Klasse von 2022 steht ebenfalls am Beginn ihrer – hoffentlich – erfolgreichen Karriere. Wenige Experten hatten etwa dem „Draft-Steal“ Tariq Woolen oder Runningback Kennenth „No-Fumble“ Walker III zugetraut, eine derart tragende Rolle im Team einzunehmen. Am Ende landeten die beiden Rookies also auch unter den Top 10 vieler Experten, so wie seinerzeit das Musikvideo zum Nirvana-Hit zum „Best New Artist Video“ gekürt wurde.
Neuer Vibe auf Quarterback, alte Löcher in der Defense
Und dennoch: allein auf die Jugend zu setzen ist falsch, denn wie alle wissen, ist die zweite Saison die Schwierige, weil dort eben das Gezeigte wiederholt werden muss. Allerdings dürfte genau das DIE Chance der Seahawks um General Manager John Schneider im April sein, wenn der nächste Draft über die Bühne geht: Hoffnungsvoll und volle Breitseite auf die Jugend setzen. In der letzten Offseason war Schneider noch „the man who sold the World“ in dem er Russell Wilson und Bobby Wagner abgab, liegen im derzeit die Sympathien der Anhänger in blau-grün zu Füßen. Vor allem aufgrund des Broncos-Picks an Position fünf, jenem, der beim Trade für Ex-Franchise Quarterback Wilson heraussprang. Hieran scheiden sich die Geister: QB draften? Herunter traden? Oder eben doch: Wiederholung des gezeigten und keine verrückten Dinge machen, so wie seinerzeit Cobain, der lediglich zwei Töne spielte und alle zwei Zeilen wiederholte. Heißt hier: „Best Player available“ und Löcher stopfen.
Löcher wiederum gab und gibt es in „Grunge“-Klamotten zur Genüge, doch waren jene in der Laufverteidigung der Seahawks in der vergangenen Saison ebenso kaum übersehbar. Diese „Needs“ müssen definitiv angegangen werden, genau wie der Pass Rush. Und wer jene übersehen hatte, dem fielen auch die Cheerleader mit dem „Anarchismus–A“ im Musikvideo von Nirvana nicht auf. Stichwort Anarchie und Parallelen zwischen der Saison 2022 und dem Song. Pete Carroll konnte nicht immer gefallen, was Defensive Coordinator Clint Hurtt und „Associated“-Head Coach Sean Desai da ablieferten. Ein Wunder schier, dass letzterer im Nachgang einige Job-Interviews für vakante Trainerposten bei anderen NFL-Franchises erhielt.
Wie bei jeder erfolgreichen Band steht aber auch jedwedes Sportteam an einem Scheideweg. Weitergehen, mit dem neuen Liebling in Seattle, Geno Smith, der das Herz des Teams, der Stadt und jedes einzelnen 12ers im Sturm eroberte und deshalb möglichst einen langfristigen Vertrag bekommen soll? Ja, solange es kein Millionengrab wird, welches sich die Hawks aufgrund der Gehaltsgrenze ohnehin nicht leisten können. Es gibt eine Chemie zwischen ihm und seinen Receivern UND den Tight Ends, einer Positionsgruppe, welche unser verflossener Quarterback nur erahnte. So gab es etwa für Will Dissly nur Blockingaufgaben, wenn überhaupt. Ja, Smith hatte auch sehr viele „Fast–Interceptions“ und Durchhänger in der Saison 2022, an dem manch Einer bereits die Systemfrage stellen mochte. Jenen sei gesagt, dass für einen Star-Quarterback wie Aaron Rodgers ein MVP–Titel wichtiger erscheint, als der Erfolg des Teams. Geno Smith dagegen nimmt bei Misserfolgen meist die Schuld auf sich und schützt damit das (junge) Team und geht voran. „It’s just Football“, sagte er den Seinen im entscheidenden Spiel um die Playoffs gegen die LA Rams – so einfach kann das sein.
Mit dem „Jungbrunnen“ am Ruder in die Zukunft steuern?
Ein Evergreen wie der Song um das bekannte Hauptriff in „f-Moll“ ist Head Coach Pete Carroll ohnehin. Vor knapp einem Jahr von einer Vielzahl zum Teufel gewünscht, erfreut sich der in einen „Jungbrunnen“ gefallene Head Coach, welcher im September 2023 bereits 72 (!) wird. Dass derzeit kaum jemand über die Ablösung des Trainers spricht, der sich de facto als „Vice-President of football operations“ eigentlich nur selbst entlassen oder von Ownerin Jody Allen gefeuert werden kann, ist eigentlich sein größter Erfolg seit geraumer Zeit. Kann man mehr von einem Coach verlangen, als junge Spieler weiterzuentwickeln und sie auf dem Weg zum Star zu formen? Wohl kaum. Es gibt Songs, die nie alt werden und es gibt Coaches, die ewig jung bleiben. Zu einem anderen Zeitpunkt hängen sie einem buchstäblich „zum Hals heraus“ und ja, auch in einigen (erfolglosen) Spielen der Saison konnte man am Starrsinn des Playcallings verzweifeln. Doch einen alten Baum verpflanzt man nicht, schon gar nicht im „grünen“ Seattle …
„You should be excited about this Team“, verkündete Tariq Woolen via Instagram zum Abschied der Saison und ja: so kometenhaft der Aufstieg für Nirvana dereinst, so vielversprechend sieht die Zukunft dieses Teams aus, auf dessen Saison man als 12er zurecht voller Stolz schauen kann. Es gibt noch einiges zu tun in der Offseason, aber wenn sich Schneider und Carroll treu bleiben und die Euphorie in die neue Saison retten, dann kann man die Fans rund um den Space Needle bereits singen hören: „Here we are now, entertain us“. Eben ganz, wie im berühmtesten Song aus Seattle …